Anwort von Johannes

Lieber Robin,

vielen Dank für deine Anfrage an das Kummerkasten-Team und dein Vertrauen, das du uns damit entgegengebracht hast.

Zunächst einmal möchte ich dir ein großes Lob aussprechen, dass du so verantwortungsbewusst bist und deinem besten Freund gerne helfen möchtest.

Ich war ziemlich erschrocken, als ich gelesen habe, dass dein bester Freund zuhause geschlagen wird und dies bereits geschehen ist, als er noch ein Kind war. Ich weiß nicht, was sich seine Eltern dabei denken bzw. ob sie überhaupt nachdenken, aber deren Verhalten ist in keinem Falle in Ordnung. Manchmal frage ich mich echt, was in den Köpfen erwachsener Menschen vorgeht, wenn sie meinen, ihren Kindern wehtun zu müssen. Ich bin ja jemand, der wirklich für viele Situationen Verständnis hat. Aber da hört mein Verständnis echt auf!

Ich würde zuerst versuchen, deinem besten Kumpel das Gefühl zu geben, dass er dir wichtig ist und dass er mit seinen Problemen jederzeit zu dir kommen kann, wenn er möchte. Oft ist einem schon ein bisschen geholfen, wenn man sich den ganzen Kummer mal von der Seele reden kann. Du kannst für ihn da sein. Sag ihm, dass du dir Sorgen machst und Angst um ihn hast. Ihm hilft es bestimmt auch, wenn er sich bei dir ausheult und nicht mit seinem Schmerz alleine bleibt. Das bringt nämlich in der Regel nicht viel.

Alles in allem wird es meiner Ansicht nach Zeit, dass sich dein bester Freund Verbündete sucht. Leider konnte ich aus deiner Mail nicht herauslesen, ob er von seinem Vater und seiner Mutter geschlagen wird oder von einem der beiden Elternteile. Falls letzteres zutrifft, sollte er unbedingt so schnell wie möglich mit seiner Mutter/seinem Vater reden und sagen, dass der Zustand für ihn unerträglich ist, wenn er geschlagen wird und dass es sich unbedingt etwas verändern muss, da er momentan sehr unglücklich ist. Eigentlich hätte ich auch vorgeschlagen, direkt mit ihr/ihm zu sprechen. Seine Mutter/sein Vater ist erwachsen und sie/er sollte die Sache in die Hand nehmen. Die Grenze wurde bereits mehrfach überschritten und das muss jetzt endlich mal ein Ende haben. Wenn er von beiden Elternteilen geschlagen wird, wünsche ich deinem besten Freund die nötige Kraft, mit seinen Eltern das Gespräch zu suchen. Falls ein Gespräch nicht zustande kommen sollte oder zu keinem Erfolg suchen sollte, muss der nächste Schritt getan werden. Hier gibt es mehrere Möglichkeiten.

1. Dein bester Kumpel sucht sich Verbündete innerhalb der Familie, also z.B. Großeltern, Tante, Onkel, ältere Geschwister etc. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie einfach so dabei zusehen, wie er zuhause geschlagen wird.
2. Er wendet sich in der Schule an den Vertrauenslehrer und schildert ihm sein Problem. Dabei könntest du ihn eventuell auch unterstützen. Er wird ihn nicht nur trösten, sondern sich auch darum kümmern, dass es ihm bald besser geht.
3. Er kontaktiert das Jugendamt und vertraut sich den Mitarbeitern dort an. Hier wird man ihm auf jeden Fall auch helfen können und es wird dafür gesorgt, dass sich dieser unerträgliche Zustand für ihn ändert.
4. Wenn das nächste mal eine solche Situation kommt, dass er zuhause geschlagen wird, dann ist es tatsächlich nicht verkehrt, die Polizei anzurufen. Ich weiß, dass das ein großer Schrittt für deinen besten Freund ist. Aber glaube mir: Das hat nichts mit Verrat zu tun, sondern er würde es letztlich zum Schutz für sich selbst tun.

So, wie es seit einiger Zeit bei dem besten Freund zuhause abläuft, kann und darf es nicht weitergehen. Daher sollte er sich überlegen, wo er sich am besten Hilfe holt. Dass er davor Angst hat, kann ich vollkommen nachvollziehen, aber diese Angst muss er versuchen zu überwinden. Und mit einem solchen hilfsbereiten und starken Kumpel wie dich an seiner Seite wird er das auch schaffen. Oder möchte dein bester Freund, dass das Verhalten seiner Eltern unbestraft bleibt? Ich glaube nicht. Daher sollte er sich selbst sagen: "Stop, bis hier hin und keinen Schritt weiter!" Wenn er Hilfe zulässt, wird man ihm auch helfen können.

Ich hoffe, dass ich dir mit meiner Antwort ein wenig weiterhelfen konnte und dass dein bester Freund baldzu einer Einsicht kommt, dass er Hilfe braucht. Ich wünsche dir die nötige Kraft, den Jungen zu unterstützen. Ich kann nur wiederholen, wie klasse ich es finde, dass du ihm helfen möchtest. Das ehrt dich wirklich sehr. Nimm aber bitte auch auf dich und deine Grenzen Rücksicht und schau, dass du selbst nicht an dem Problem deines besten Freundes zugrunde gehst. Vergiss bitte nicht, dass man andere Menschen nicht ändern kann, sondern nur sich selbst. Denke immer daran, dass es nicht dein Problem ist. Lass es nicht zu deinem Problem werden! Falls du die Situation selbst gar nicht mehr ertragen kannst, weil du merkst, dass du ihm nicht helfen kannst oder er sich nicht helfen lassen will, gehe ein Stück auf Distanz. Lasse ihn los, aber nicht fallen.


Alles Liebe,

Johannes