Problem von Anna-Lena - 25 Jahre

Sehnsucht nach Lehrerin

Hallo, ich habe folgendes Problem:

vor drei Jahren habe ich mein Abitur an einem Beruflichen Gymnasium gemacht. Ich mochte meine Lehrerin im Deutsch-LK sehr gerne. Wir haben uns wirklich sehr gut verstanden, mein Problem war allerdings, dass ich ihr gegenüber immer etwas zu aufdringlich war. Ich habe ihr sehr viele E-Mails geschrieben (was auch schon bei anderen Menschen so war, die mir unheimlich viel bedeutet haben), meist, wenn ich eine Frage zum Unterricht hatte, habe ihr aber auch ab und an persönliche Dinge anvertraut. Ebenfalls habe ich sie in der Schule fast überall aufgesucht, weil sie sehr beruhigend auf mich wirkte und es mir sehr geholfen hat, abzuschalten nach einer anstrengenden Schulstunde - ich habe ohnehin so meine Probleme damit, wenn es vor und hinter mir leise tuschelt. Na ja, und wir haben nach jeder Deutschstunde miteinander geredet, ich habe sie immer zum Lachen gebracht, wir sind auch immer zusammen aus der Klasse gegangen.
Meine Lehrerin war allgemein immer sehr warm zu mir. Als ich mein Knie gebrochen hatte, hat sie sich jede Woche erkundigt, wie es mir damit geht, dann hat sie sehr mitgefiebert, als ich den Führerschein gemacht habe. Außerdem hat sie alles dafür getan, dass ich fröhlich bin, weil sie es nicht leiden konnte, mich traurig zu sehen. Ich hab sie tatsächlich mal als große Schwester gesehen, habe ihr das auch anvertraut, aber da meinte sie, was mir ebenso klar war, dass "große Schwester" zu weit geht und nicht sein sollte.

Jetzt ist es allerdings so, dass wir auch gemeinsame Gespräche bei der Schulsozialarbeiterin hatten, teilweise waren meine Eltern dabei, und bei dem Abschlussgespräch zum Abitur meinte meine Lehrerin dann, wir sollten kontaktmäßig einen Abschluss finden, weil dieser Cut besser für mich sei. Das hieß, sie wollte dann keine Besuche, keine E-Mails und Nachrichten über Dritte sollte ich ihr auch nicht zukommen lassen. Das hat mir im ersten Moment nichts ausgemacht, aber nach dem Gespräch ist mir plötzlich bewusst geworden, dass mir doch sehr viel an einem weiteren Kontakt liegt, sodass ich ihr am selben Abend eine E-Mail geschrieben hatte, woraufhin sie meinte, dass sie keine andere Möglichkeit sähe, als diesen Cut durchzusetzen, nicht nur, weil sie immer noch der Ansicht war, es sei besser für mich, sondern auch für sie selbst und ihre Familie (sie ist verheiratet, hat zwei Töchter im Alter von 10 und 8 Jahren), vor allem, weil wir so häufig das Thema Nähe und Distanz hatten und sie mir angeblich genauso häufig erklärt hätte, dass unsere Beziehung eine reine Schüler-Lehrer-Beziehung ist und ihr unser Kontakt unangenehm sei (dass ihr der Kontakt unangenehm war, hat sie vorher mit keinem Wort erwähnt, zumindest nicht, dass ich mich daran erinnern könnte). Was das Thema Nähe und Distanz betrifft, ist es bei mir ohnehin so, dass ich damit nicht gut umgehen konnte, da ich diagnostizierte Autistin bin und solche Menschen ja allgemein Probleme in der sozialen Interaktion haben. Ich glaube allerdings auch, dass meine Lehrerin nicht genügend aufgeklärt war und schon alleine deswegen einiges nicht einordnen konnte - so sagte sie jedenfalls immer ("ich kann dieses und jenes nicht einordnen und befürchte, dass es hieran und daran liegt").

Na ja, jedenfalls bin ich auch jetzt noch sehr traurig darüber, keinen Kontakt mehr zu ihr zu haben, vor allem, weil ich - da es meine absolute Stärke ist - seit sechs Semestern Germanistik und Anglistik studiere und mich in den Germanistik-Veranstaltungen sehr vieles an den Deutsch-LK und damit auch an besagte Lehrerin erinnert. Ich hab mir immer wieder vorgestellt, wie ich ihr dann davon berichte, und das hat so viel Freude in mir ausgelöst, nur leider wurde aus den Vorstellungen dann ein richtig starkes Bedürfnis danach, alles, was ich mir in meinen Tagträumen ausgemalt hab, zu verwirklichen. Da das aber nicht geht, bin ich in die Depression abgerutscht, gegen die ich seit einigen Monaten schon eine Therapie mache. Nur leider vermisse ich meine ehemalige Lehrerin schon wieder so sehr und wünsche mir, wie jedes Jahr um die Zeit, wenn sich der Kontaktabbruch jährt, einen erneuten Kontakt zu ihr. Es gelingt mir einfach nicht, diesen Cut zu akzeptieren, vor allem, weil mein Bauchgefühl von Anfang an gesagt hat, dass ich das nicht tun sollte. Außerdem habe ich jetzt wieder mehr die Hoffnung, dass sie selber nochmal einen Kontakt versuchen will, da ihr Ehemann mich immer wieder auf Instagram abonniert - wobei ich auch da immer vor Auge hab, dass seine Abonnements auch andere Gründe haben können. Jedenfalls weiß ich gerade nicht weiter; ich weiß nicht, wie ich mit dieser ständigen Sehnsucht fertig werden soll, und schon alleine damit, dass ich ihr einfach so gerne aus der Uni berichten würde, aber es nicht kann. Zwar habe ich sie nach meiner Abifeier immer wieder mal gesehen, womit ich auch wirklich sehr froh bin, aber es ist eben nicht das Gleiche.
Seit sie diesen Cut durchgesetzt hat, bin ich ohnehin gedanklich nur noch bei ihr. Zu Schulzeiten sah das allerdings anders aus, da konnte ich mich noch auf andere Dinge konzentrieren und habe eben nicht pausenlos an sie gedacht, aber jetzt ... geht gar nichts mehr. Was ist nur los? Was soll ich tun? Ich hoffe auch baldigen Rat!

Viele liebe Grüße von mir!

Nuala Anwort von Nuala

Liebe Anna-Lena,

natürlich ist es schmerzlich, einen liebgewonnenen Menschen nicht mehr um sich zu haben. Doch es muss eben von beiden Seiten aus passen. Deine Lehrerin hat dir sehr deutlich signalisiert, dass sie keinen Kontakt mehr möchte und es ihr unangenehm ist. Das solltest du wirklich respektieren. Denn wenn du sie so sehr magst, dann wünschst du ihr doch das Beste, oder? Und dazu gehört eben auch, dass sie sich wohlfühlen kann. Folglich solltest du ihre Entscheidung anerkennen, um genau das Beste für sie zu gewährleisten.

Wenn man so in Sehnsucht gefangen ist und sich so sehr auf eine bestimmte Person fixiert, sagt das sehr viel darüber aus, was in einem selbst los ist. Da scheinen bei dir unerfüllte Bedürfnisse zu sein. Sieh also genau hin, was dir alles fehlt - und was du dir selbst geben kannst! Niemand kann dir das abnehmen, auch die Lehrerin nicht. Man muss immer zuerst für sich selbst sorgen und das Wohlbefinden aufrechterhalten. Und das ist dann wiederum die Basis, um nette Menschen um sich zu scharen und allgemein ein erfülltes Leben zu führen.
Daher lautet mein Tipp: Löse dich von der Illusion, sie sei die "Allheilsbringerin". Es gibt so viele andere Menschen, die du noch kennenlernen und mit denen du dich gut verstehen kannst. Doch zuerst kommst DU. Mit deiner gesamten Persönlichkeit, deinen Wünschen und Visionen. Mit deinen Begabungen und Neigungen. Du wirst vieles in dir entdecken und neue Möglichkeiten finden, wie du dich in Momenten der Einsamkeit und der Verwirrung selbst trösten und regenerieren kannst. Lies gerne auch hier im Archiv zu Stichworten wie Selbstliebe, Ziele, neue Kontakte knüpfen usw.

Ich wünsche dir alles Gute!
Nuala