Problem von Danny - 16 Jahre

Angst davor Transgender zu werden bzw ist das Leben, das ich führe, das richtige?

Hallo,
mein Name ist Danny und ich bin im September 16 geworden. Bin ein Junge und was wichtig für das Thema ist, ich bin schwul. Dass ich schwul bin ist mir schon recht früh klar geworden, glaube mit 11 oder so. Mit 13 hatte ich dann meinen ersten Freund, obwohl es keine wirkliche Beziehung war. Ich hab ihn online kennengelernt und mich damals als 16 jähriger ausgegeben. Er war 19. Wir hatten uns auch irgendwann regelmäßig getroffen und hatten auch Sex miteinander, da hat es auch angefangen, dass ich meine Sexualität anfangen wollte auszuleben. Naja, es war aber auch keine wirkliche Beziehung. Es war keine Liebe da und eigentlich hab ich ihn nur benutzt, um mein damals schon vorhandenes Sexbedürfnis zu stillen und um an Zigaretten zu kommen, da er starker Raucher war.
Erst war das ganze noch geheim, bis uns meine Mutter mal beim knutschen erwischt hat. Das war auch dann der Moment, an dem ich mich geoutet hab, weil ich mir sicher war, ich wollte als offen schwul leben.
Da hat sich auch herausgestellt, dass meine Mutter sehr offen ist. Selbstverständlich war es für sie kein Problem, dass ich schwul bin. Sie hatte nicht einmal was dagegen, dass ich rauche, weshalb ich damit dann auch schon mit 13 angefangen hab. Die Beziehung mit meinem damaligen Freund ging dann aber sofort zuende, als ich ihm gebeichtet hab, dass ich eben erst 13 bin und nicht 16.
Danach hat es halt angefangen, dass ich meine Sexualität mehr und mehr ausgelebt hab. Hab mich immer mehr geoutet, solange bis es jeder wusste. Für die meisten Jungs in meiner Klasse war ich halt dann die Schwuchtel und Tunte, aber das hat mich sogar bestätigt. Mit 14 hat es dann auch angefangen, dass ich mir mein erstes Piercing hab machen lassen, einen Ring in der Lippe. Für mich damals eine der coolsten Dinge, die es überhaupt gibt. Später kam ein Bauchnabelpiercing dazu und jetzt zum 16 Geburtstag durfte ich mir auch ein Tattoo stechen lassen. Auch man ich manchmal sowas, wie dass ich mir die Fingernägel lackiere. Auch an meinem Kleidungsstil merkt man einfach, dass ich schwul bin. Ich kleide mich oft recht feminin, nicht selten sogar direkt Frauenkleidung. Jetzt keine Röcke oder so, aber dass ich gerne beispielsweise mal eine enge Lederleggins trage, ist nicht selten. Dazu kommt halt auch, dass ich auch seitdem ich 14 bin regelmäßig sexuellen Kontakt hab. Es ist überraschend leicht etwa gleichaltrige zu finden, die sich drauf einlassen. Es kommt nicht immer zum Sex, aber rummachen und rumknutschen, dafür sind viele zu haben. Und das manchmal sogar bei welchen, die Hetero sind.
Aber zu alldem gibt es viel Kritik von anderen. Hauptsächlich weil ich doch zu jung sei. Ich sei zu jung zum Rauchen, zu jung für Piercings, mit anderen Sex zu haben. Auch soll ich mich doch endlich mal anfangen, wie ein Kerl zu kleiden. Immer solche Dinge. Meistens kommen solche Bemerkungen aus meiner Schule oder von Bekannten. Meine Mutter sagt da immer, ich soll nicht drauf hören und selber entscheiden, was sich für mich richtig anfühlt. Aber dennoch, wenn oft solche Stimmen kommen, lebe ich dann einen falschen lifestyle?

Seit etwa einem halben Jahr hab ich einen festen Freund, der mit 18 zwar auch etwas älter ist, aber zwischen uns passt es. Sogar zu heiraten war schon ein Thema. Aber das irgendwann später.
Aber was ich halt gemerkt hab, ist dass meine weibliche Seite immer presenter wird. Durch meine langen Haare sehe ich ja sogar ziemlich weiblich aus. Wenn ich dazu weibliche Kleidung trage, kommt es sogar vor, dass ich für ein Mädchen gehalten werde. Tatsächlich wurde ich schon hin und wieder einmal von Kerlen angebaggert. Wie etwa vor ein paar Wochen, als mein Freund kurz etwas einkaufen wollte, ich warte draußen um eine zu rauchen und es kommt so ein Typ, der versucht mit mir zu flirten. Also mein Freund kam und wir sind weg, sag ich nur im weggehen, dass ich übrigens ein Junge bin.
Und die Sache ist, dass mir das sogar gefällt. Auch macht es mich sogar irgendwie an, wenn eine Freundin von mir mich scherzhaft als Schwester bezeichnet. Ich genieße diese weibliche Rolle irgendwie. Aber ich frage mich die ganze Zeit: gefällt es mir, ein Mädchen zu sein oder ein Typ zu sein, der für ein Mädchen gehalten wird? Eigentlich bin ich zufrieden, als schwuler Junge zu leben. Daher hab ich auch irgendwie Angst, irgendwann zu merken, dass ich ein Mädchen sein will. Besteht da überhaupt die Gefahr, dass das irgendwann passiert? Jedenfalls finde ich mein Leben im Moment gut so wie es ist. Daher soll es sich auch nicht ändern. So wie ich derzeit stehe, will ich nicht irgendwann richtig zu einem Mädchen werden. Mal an manchen Tagen diese Rolle auszuleben ist echt cool, aber genauso gibt es Tage, an denen laufe ich wie ein normaler Junge rum, nur etwas mehr Punk als die meisten. Glaub ich zumindest.

Nuala Anwort von Nuala

Lieber Danny!

Bitte entschuldige bitte die verzögerte Antwort.

Nun, eigentlich hast du es selbst schon zum Ausdruck gebracht: Du bist zufrieden mit deinem Leben - und das ist es doch, was zählt. Noch dazu hast du eine Mutter, welche dich unterstützt und dir durch ihre Offenheit entgegenkommt. Das finde ich ganz wunderbar.

Es ist völlig unerheblich, wie du dich gibst, kleidest, wie deine Haare aussehen. Du bist du. Deine sexuelle Identität hat auch nicht zwingend etwas mit deiner geschlechtlichen Identität zutun. Das sind auch derart fundamentale Persönlichkeitsmerkmale, dass du das nicht einfach "wirst". Wenn du wirklich eine Frau sein wolltest, würdest du das ganz intensiv fühlen, da bin ich mir ziemlich sicher.

Du kannst dich einmal folgende Fragen auseinandersetzen:
* Welche Vorurteile zu den Geschlechtern und deren Rollen habe ich denn so?
* Warum solltest du als schwuler Junge wie ein Mädchen sein?
* Und was ist ein Mädchen?
* Was ist ein Junge?
...
Das sind doch vielmehr starre Rollen, welche die Gesellschaft erschaffen hat. Mit ziemlich klaren Zuordnungen, wer was anziehen soll, welche Verhaltensweisen zu welchem Geschlecht angeblich "gehört" etc. In Wahrheit sind wir sehr komplexe Wesen, die u.a. sowohl weibliche als auch männliche Geschlechtshormone in uns tragen. Doch das bedeutet nicht, dass alles vorgegeben ist oder dass alles zu 50% verteilt ist. Zumal "weiblich" und "männlich" nicht zu bestimmten Zuständen führen müssen. Ob du als Junge lange Haare trägst, ist ein Merkmal, das dich als Individuum auszeichnet - und NICHT als schwulen Jungen, der _eigentlich_ ein Mädchen sein sollte. Verstehst du? Drehe es doch gedanklich um: Die Formel "Mädchen = lange Haare" ist ja auch Unsinn. Es gibt genug Mädchen, die sehr kurze Haare tragen oder Glatze, das sagt auch nichts aus über ihre sexuelle oder geschlechtliche Orientierung. Es sind eben Merkmale. Die einen Leute lassen sich eben mehr von der Masse und deren Vorgaben beeinflussen, die Anderen achten mehr auf ihre spezielle Peergroup (und lassen sich von dieser beeinflussen) - und wieder Andere hören einfach auf ihr Inneres und leben danach.

Lass dich nicht von Kommentaren verunsichern. Lebe so, wie es sich gut anfühlt. Jeden Tag. Probiere das aus, was dich reizt und zu dir passt. Wenn du Lust hast, kannst du mit Menschen kritisch diskutieren, warum sie bestimmte Meinungen haben. Es sollte dich jedoch nicht in deinem Wesen erschüttern und verunsichern. Trage lackierte Nägel, wenn du sie magst, trage sie mit Stolz. Sie sind doch einfach nur lackierte Nägel. Und das dürfen dann auch alle Anderen nach und nach begreifen, die damit ein Problem haben. Ich persönlich mag lackierte Nägel nicht - wuhu, Klischee gebrochen. Ich interessiere mich nicht für Einkaufen. Woaha, wie kann das sein?! ;) Ich schminke mich nicht, usw. - Und so kann es jeder Mensch machen: Bewusst alles Verkrustete aufbrechen.
Viele Verunsicherungen kommen davon, dass die Erwartungen, wie Menschen zu sein haben, nicht mit der Realität vereinbar sind. Sei es bei den vielen Geschlechtern, sei es bei sexuellen Vorlieben, charakterlicher Vielfalt und so weiter. Sexuelle Vorlieben sind übrigens auch nicht so starr, wie es oft dargestellt wird. Also selbst wenn man selbst sich z.B. als überwiegend homosexuell, hetero, sonstwas sieht, kann es immer mal wieder Ausnahmen oder Phasen geben, in denen es einfach anders ist. Der Mensch ist eben bunt. In sich selbst und in seinen Lebensmöglichkeiten.

Ich hatte als Jugendliche einen Freund, der sehr oft als Mädchen gelesen wurde. Es war ihm piepegal. Er trug lange Haare, färbte sie sich, trug enge Oberteile, etc. Es war einfach sein Stil, der ihm verdammt gut gestanden hat. Seine sexuelle Orientierung war grob gesagt hetero. Doch das ist eben völlig nebensächlich.

Sei authentisch, dann spüren es auch die anderen Menschen und respektieren dich. Wenn du echt DU bist, nimmt man dir das auch ab. Auch wenn vielleicht vereinzelt noch Spott kommt. Das hat nichts mit dir zutun oder dass du "falsch" lebst. Sondern es hat mit der anderen Person zutun, die sich selbst einmal fragen darf, warum sie gerade intolerant, hasserfüllt oder sonstwas ist.
Die Personen, die dich einfach mögen und dir freundschaftlich begegnen, werden dich so annehmen, wie du bist. Es ist eine Kunst, sich immer mehr von jenen zu entfernen, die einen schädlichen Einfluss haben - um sich immer mehr wohltuenden Leute zuzuwenden.

Dass du rauchst und das gut findest, ist deine Sache - ich persönlich kann das nicht unterstützen. Rauchen schadet nicht nur deiner körperlichen Gesundheit, sondern kann sich auch negativ auf deine Psyche auswirken. Nun ja, das nur am Rande. Vielleicht möchtest du dich ja eines Tages davon zu befreien, eine Fessel weniger! :)

Zusammengefasst: Genieße alles, was dir gefällt - ohne es als "weiblich", "männlich" oder sonst etwas betiteln zu müssen. Befreie dich vom Zwang, Schubladen zu bedienen.
Du kannst dich dazu übrigens auch hier umsehen: https://queer-lexikon.net/

Ich wünsche dir ein tolles Jahr 2020!
Nuala