Anwort von Nuala

Liebe Unbekannte,

Danke, dass du dich wieder an den Kummerkasten gewandt hast.
Ich glaube, es sind zwei Sachen, die man einerseits miteinander verwoben sehen kann, andererseits kann man sie auch gut getrennt voneinander betrachten. Ich versuche einmal, das zu beschreiben.

- Verwoben deshalb, weil deine Abneigung vor dem Alleinsein vermutlich eine Folge deiner schlechten psychischen Verfassung ist. Und an Silvester genau das massiv an die Oberfläche kommt.

- Getrennt deshalb, weil man auch sagen kann: Das Eine hat nur scheinbar etwas mit dem Anderen zutun. Damit meine ich: Angenommen, dir würde es seelisch viel besser gehen, du würdest in dir ruhen und Kraft haben, dann würdest du dir den 31.12. _irgendwie_ gestalten. Einfach so, wie du es gerne hättest, ob allein oder mit anderen Leuten. Da du aber in einem Tief steckst, macht dir Silvester noch mehr zu schaffen als der ganze Alltag es ohnehin schon tut. Es setzt dem ganzen "Müll" sozusagen noch einen extra Sch***haufen obendrauf.

Silvester ist gnadenlos überfrachtet - mit unglaublich vielen Erwartungen (so wie Weihnachten). Anstatt sich mit dem bereits vorhandenen positiven Dingen zu begnügen und sich an den Dingen zu erfreuen, müssen riesige Aktionen gestartet und "unbedingt" mit Freund:innen gefeiert werden. Überhaupt: Es muss gefeiert werden. Bla bla bla. Ich war selbst vor einigen Jahren an einem solchen Punkt, dass mich Silvester sehr deprimiert hat. Eben wegen all dieser Erwartungen. Doch mittlerweile ist das anders. Ich sehe es als einen Tag an, der gefeiert werden kann - wenn man eine persönliche Bedeutung hineinlegt. Ansonsten kann man ihn auch verschlafen oder es sich daheim gemütlich machen. Oder sich in eine abgelegene Hütte verziehen, oder in ein Land reisen, in dem Silvester kaum oder gar keine Bedeutung hat. Denn letztlich ist das ja auch etwas sehr Deutsches.
Übrigens ist das z.B. eine nette Art, in Gesellschaft Silvester zu verbringen: https://www.silvester-feste-feiern.de/ --> Da fahren auch alleinstehende Personen hin.
Du siehst: Es gibt viele Varianten, wie man diesen Abend, diese Nacht gestalten kann. Hier kommt es einfach sehr darauf an, wie gut man sich und seine Bedürfnisse (er)kennt.

Du kannst probieren, dir selbst den Druck zu nehmen, indem du peu à peu die Erwartungen weglässt.
Du kannst dir auch sagen: "Ich bemühe mich, mir einen schönen Abend zu machen, egal was dabei herauskommt."

Allein zu sein ist für sich genommen kein Problem - solange man mit sich im Reinen ist und sich sinnvoll zu beschäftigen weiß. Alleinsein ist nicht Einsamsein. Du kannst für dich herausfinden, was es bei dir genau ist.
Und das bringt mich zu dem Punkt, dass du anscheinend sehr dringend eine intensive ambulante Begleitung bräuchtest, da das, was du beschreibst, sehr heikel klingt. Da wäre es spitze, wenn da etwas möglich wäre: Tagesklinik, Psychotherapie, Seminare, etc. Und falls es so schlimm ist, dass ein erneuter Klinikaufenthalt ratsam wäre, scheue dich davor bitte nicht!

Wegen deiner Freund:innen - vielleicht kannst du dich ja doch irgendwo anschließen? Fragen kostet nichts! Wenn sie dir wirklich nahestehen, sollten sie ja wissen, dass dir Gesellschaft an Silvester viel geben würde.

Ich habe dir noch folgende ähnliche Zuschriften herausgesucht:
* https://mein-kummerkasten.de/30616/Silvester-allein.html
* https://mein-kummerkasten.de/144951/Silvester.html
Außerdem habe ich in einem Forum einen ganzen Thread zu Einsamkeit an Silvester gefunden:
https://www.psychic.de/forum/einsamkeit-forum-f37/einsam-und-wieder-silvester-alleine-t47557.html

Ich wünsche dir alles erdenklich Gute und hoffe sehr, dass du sehr bald wieder Zuversicht schöpfen kannst. Wir sind natürlich gerne wieder für dich da.

Alles Liebe - und trotz allem eine besinnliche Adventszeit.
Nuala