Problem von Julia - 23 Jahre

Bin ich ein schrecklicher Mensch?

.Hallo... ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll. Ich war als Kind schon immer sehr selbstbewusst, offen und auch ich sag mal „ganz bei Sinnen“ darauf komme ich später noch.
Und zwar fing eigentlich alles schon im Kindergarten an. Ich wechselte den Kindergarten aufgrund eines Umzuges. Ich hatte in meinem alten KG 3 tolle Freunde, zu denen ich dann leider den Kontakt verloren habe. Mit dem neuen Kindergarten fing es an. Ich wurde gemobbt, auf die fiesesten Arten. Leider zog sich das Mobbing bis in die Beruffschule und auch bis in meinen Job. Schon immer hatte ich es extrem schwer, Freunde zu finden und hatte auch noch nie „richtige“ Freunde. Alle Menschen die ich kennen gelernt habe stellten sich als falsch und hinterhältig heraus.
Ich wurde mit den Jahren immer ruhiger und verfiel auch in Depressionen, ich ritzte mich und war bei 3 Psychologen. Leider konnte mir niemand helfen. Auch meine Mutter war nie wirklich für mich da, war genervt von meinen Heulattacken zu Hause und wirklich reden konnte ich nie mit Ihr. Niemand war da, bei dem ich mich „ausheulen“ konnte und so fresse ich seit etlichen Jahren alles in mich hinein.

Mit 17 habe ich meine Ausbildung angefangen. Leider wurde ich auch dort gemobbt und ausgegrenzt. Die Kollegen lästerten über mich und behandelten mich wie Dreck. Als ich dann nach 4 Jahren zwangsversetzt wurde in eine niedrigere Abteilung, ohne Angabe von Gründen wurde es immer schlimmer. Ich wurde unter anderem als Kassenschlampe bezeichnet. Als ich nach einem Jahr und vielen Schikanen mich dazu entschloss die Filiale zu wechseln, fühlte ich mich ein paar Monate besser. Das war Anfang dieses Jahres. Ich werde nicht mehr gemobbt, aber ich merke es den Kollegen an, dass sie mich nicht besonders mögen. Ich bin ein impulsiver Mensch, der mal ausrasten oder die falschen Antworten geben kann. Ich versuche seit Jahren daran zu arbeiten und ich habe bereits Fortschritte gemacht,

Leider fällt mir seit einigen Monaten immer mehr auf, dass ich Dinge vergesse, die ich machen wollte, die ich vor 3 Sekunden noch im Kopf hatte. Ich erinnere mich nicht mehr an Lektionen aus der Ausbildung obwohl ich sie lange praktiziert habe. Ich vergesse häufig Aufgaben die mir mein Vorgesetzter erteilt.
Ich habe ein weiteres Problem, ich habe immerzu das Gefühl, beobachtet zu werden. Immer wenn jemand lacht, denke ich, sie lachen über mich. Kleinere Anmahnungen betrachte ich direkt als Mobbing oder Böse Absicht.
Ich leide auch seit ca 2 Jahren an Übelkeit und Bauchschmerzen sobald ich in eine „soziale“ Situation komme. Z.B. Auf Fahrten zu Weiterbildungen, Weihnachtsfeiern, privaten Feiern und Geburtstagen usw. Ich habe so eine Angst, dass ich wirklich körperliche Probleme davon bekomme. Es reicht eine bloße Nervosität.

Grundsätzlich glaube ich zu wissen, wo mein Problem liegt. Ich habe eine soziale Angst durch die jahrelangen Demütigungen und Beleidigungen. Leider bin ich nicht in der Lage mir Hilfe zu holen. Ich habe panische Angst, dass meine Familie und mein Freund schlecht von mir denken. „heimlich“ kann ich es auch nicht machen, da ich mit meinem Freund zusammen lebe. Ich weiß nicht mehr was ich tun soll, bin ich wirklich so ein Schlechter Mensch, dass mich in all den Jahren niemand als Freundin ansehen konnte? Ich versuche immer normal und nett zu sein. Ich helfe meinen Kollegen wo ich kann. Aber leider habe ich das Gefühl, dass ich damit nichts besser mache.

Anwort von Miriam

Liebe Julia,

Die Situation, die du beschreibst hört sich sehr besorgniserregend an. Ich möchte dir erst einmal sagen, dass du kein schrecklicher Mensch bist, denn du hast ja auch nichts Schlimmes getan. Natürlich kann Mobbing der Auslöser dafür sein, dass man Ängste entwickelt und somit bist du in dieser Situation natürlich nicht der Täter sondern das Opfer. Kinder können sehr grausam zu anderen Kindern sein und auch im späteren Berufsleben spielt Mobbing immer wieder eine ernstzunehmende Rolle.

Du schreibst, dass du bereits an deiner Impulsivität arbeitest. Das ist schon mal ein guter Ansatzpunkt und scheinbar hast du ja auch schon ein bisschen für dich analysiert, was du im sozialen Umgang vielleicht verbessern kannst. Offenbar ist es ja auch in deiner Situation mit den Kollegen schon besser geworden und vielleicht liegt das auch an deiner harten Arbeit an dir selbst und das würde ich jetzt einfach mal als Erfolg verbuchen.

Trotzdem reicht an einem selbst arbeiten manchmal nicht aus, um die eigenen "Dämonen" im Kopf zu bekämpfen. Da du bereits physische Symptome entwickelst, würde ich das als deutliches Alarmsignal deines Körpers betrachten. Es sagt dir, dass du dringend Hilfe brauchst von jemandem, der professionell Menschen mit Angstzuständen helfen kann. Wir können hier von Weitem nicht viel tun, aber ich kann dir unten mal eine Therapeutensuche verlinken, damit du dich einfach mal informieren kannst. Ansonsten kann man solche Dinge auch immer erst einmal diskret mit dem Hausarzt besprechen und der hat auch meist entsprechende Kontakte, die er an dich weiterleiten kann.

Du sagst, du warst bereits einmal bei drei Psychologen, die dir alle nicht helfen konnten damals. Ich habe es so verstanden dass jetzt mittlerweile schon eine Zeit vergangen ist seitdem. Ich habe das Gefühl, du weißt auch schon sehr viel über deinen Zustand und kannst deine Probleme differenzierter beschreiben. Das allein würde ich schon als Argument sehen, dass es dieses Mal besser klappen könnte mit einem neuen Psychologen. Zudem passt nicht jeder Therapeut zu einem. Vielleicht hast du da einfach dreimal in die falsche Kiste gegriffen und du musst es einfach nur weiter versuchen. Die Suche kann sehr lang und sehr nervenaufreibend sein, gerade wenn es einem nicht gut geht. Deshalb empfehle ich dir, dass du vielleicht mit deinem Freund mal ganz in Ruhe über die Sache sprichst. Vielleicht ist ihm ja auch schon selbst aufgefallen, dass du immer nervös wirst vor Veranstaltungen oder dass du dich insgesamt in sozialen Situationen nicht wohlfühlst. Er sollte das verstehen und dann kann er dich bei der Suche auch aktiv unterstützen und dich dafür auch motivieren. Ich glaube nicht, dass er deshalb schlecht über dich denken würde, schließlich bist du seine Freundin. Und du wirst sehen, wie befreiend es sein kann, über Probleme zu sprechen.

Du scheinst in einer Spirale zu sein, in der es immer schlimmer wird, je länger dieser Zustand andauert. Und ich kann deine Angst, dass es noch schlimmer wird, verstehen. Man neigt dann oft dazu, nichts mehr zu tun, aus Angst, es noch schlimmer zu machen, als es eh schon ist. Aber glaube mir, je länger du die Angst nicht bekämpfst, desto mehr wird deine "Komfortzone" schrumpfen und desto mehr zieht man sich dann automatisch zurück. Auch deine körperliche Gesundheit könnte weiter leiden und deshalb rate ich dir dringend, Hilfe in Anspruch zu nehmen.

In diesem Sinne wünsche ich dir erst einmal alles Gute für die Zukunft und dass du die geeignete Hilfe für dich finden kannst.

Alles Liebe
Miriam

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