Problem von Leyla - 17 Jahre

Mutter enttäuscht... vor der Ehe Geschlechtsverkehr

Hallo,
Ich bin 17 und in 3 Monaten schon 18.
Wie man im Titel schon sehen/lesen kann geht es um das Thema 'Sex vor der Ehe'.
Ich erzähle euch etwas von meiner Mutter und mir damit ihr euch dann vielleicht besser hineinversetzen könnt.
Wir sind durch dick und dünn gegangen vorallem meine Mutter... sie hatte eine sehr unangenehme Kindheit, hatte mit 17 jahren geheiratet und ihr erstes Mal. Warum sie geheiratet hatte war wegen ihrem Vater sie wollte einfach von daheim weg aber das ist ein anderes Thema.
Nun gut ich bin jetzt seit 1nem Jahr mit meinem Freund zusammen und leider hat uns die Lust überkommen sodass wir dann doch Geschlechtsverkehr hatten.... (natürlich mit Kondom).
Meine Mutter sagte immer "Vor der Ehe keinen Sex! Sonst wirst du es bereuen und kein Mann wird dich mehr wollen!".
Leider denke ich da etwas anders... ich war schon immer neugierig auf Sex und wollte es nie akzeptieren das jungs allesamt Frauen wie sie wollen bumsen können aber Frauen auf ihr jungfernhäutchen aufpassen sollten! Ich finde das so unlogisch!. (Das wollte ich nur mal gesagt haben ._.)
Natürlich haben wir beide es mit Liebe und aller Zuneigung gemacht.
Dies ist auch alles gestern geschehen sodass ich einfach das Gefühl hatte, "okay! Das geht so nicht ich muss jemanden fragen!."
So meine Mutter hat es eben herausgefunden und hatte mich face to face gefragt ob wir Geschlechtsverkehr hatten, ich hatte extra nein gesagt aber dann hat sie die Frage zwei mal wiederholt und ich bin eine sehr schlechte Lügnerin sodass sie es dann gemerkt hatte... (meine Mutter ist Türkin das nur mal so nebenbei gesagt)

Sie war sauer, hat dann gesagt das ich es bereuen würde, das sich Männer nach dem Sex ändern würden... zum schlechten, wenn mich jemand anderes heiraten würde und sehen würde das ich keine Jungfrau mehr bin ausrasten wird, das Sex ohne eine Eheschließung niemals gemacht werden sollte und und und.... .
Natürlich habe ich meine Meinung eindeutig gesagt, das ich sehr zufrieden bin, dass man mit Geschlechtsverkehr auch eine gute Beziehung haben kann, dass wir geschützten Sex hatten, dass er noch heute seine ganzen Gefühle geäußert hatte was mich sehr erfreut hatte, das viele junge Mädchen dies ohne Ehe tun.

Doch dann fing sie an zu weinen und sagte das (es gibt auf türkisch so einen Satz) 'was mit der Mutter in ihrem Leben geschah dasselbe die Tochter erleben würde' ich hoffe soetwas nicht, denn wirklich ihr leben ist Katastrophe gewesen sodass ich wirklich sehr Angst bekommen habe jedoch versuchte ich sie aufzumuntern und sagte das ich erstens nicht verheiratet bin und zweitens keine Schläge von ihm kassiere und drittens von meiner Mutter nicht weggelaufen bin. Dann hatte ich ihr gesagt das es mir leid tut sie so zu enttäuschen, ihr gesagt das ich sie lieb habe und das sie niemals mich los lassen sollte und jedem zeigen soll das wir füreinander da sind damit niemand denkt das wir gegeneinander und schwach sind... .
Sie hatte daraufhin natürlich genickt aber war zutiefst enttäuscht was mein Herz sehr zerbricht hatte aber es ist mein Körper und ich möchte meine Fehler selbst machen und meine richtigen Sachen ebenfalls, dies ist meine Sache. Vorallem hatten wir das mit 18 sowieso vor also das mit dem Geschlechtsverkehr .... ,
Naja jedoch versuche ich wenigstens meine Mutter wieder glücklich machen zu können und das sie meine Situation mal versteht.


Ps. Ich danke euch im voraus für die Antwort und kanns schon kaum erwarten ^^

LG
Leyla ^^

Nuala Anwort von Nuala

Liebe Leyla!

Ganz ehrlich: Deine Mutter kann sich total glücklich schätzen, eine so eigenständige, kluge und selbstbestimmte Tochter zu haben :)

Du hast faktisch nichts getan, was irgend jemandem schaden könnte oder geschadet hat. Ganz im Gegenteil: Ihr hattet beide Freude und offenbar hat es euch in eurer Beziehung noch mehr zusammengeschweißt. Zudem habt ihr Verantwortung übernommen und ein Kondom benutzt. Wunderbar.
Ich finde es super, dass du sehr kritisch auf die Aussagen deiner Mutter blickst und diese nicht einfach übernimmst. Du hast einen eigenen Verstand und ein eigenes Herz, um für dich entscheiden zu können. Dafür brauchst du keine Merksätze, Sprichwörter, Flüche und dergleichen mehr. Allein das, was sich für dich absolut stimmig anfühlt, das ist für dich auch gut.

Deine Mutter scheint ihre Ängste, Vorurteile und traditionellen Rollenvorstellungen stark auf dich zu schieben, was sehr schade ist. Natürlich ist es traurig, dass sie eine derartig negative Vergangenheit erleben musste. Dennoch ist es ihre tagtägliche Entscheidung, ob sie sich davon gefangenhalten lässt oder ob sie ausbricht. Niemand ist dazu gezwungen, am Schlechten festzuhalten. Niemand muss die Schatten von früher weiter züchten und als die Wahrheit darstellen.

In manchen Glaubensgemeinschaften, in sehr konservativen Kreisen (egal wie geartet) gibt es einen nicht sonderlich freundlichen Blick auf Frauen. Da wird schnell mit Ehre und Anstand argumentiert. Das Wohl der Frau wird z.B. von der Jungfräulichkeit und einer Eheschließung abhängig gemacht - und mit Verlaub, das ist nicht nur unlogisch, sondern einfach hochgradig frauenverachtend.
Davon abgesehen gibt es kein Jungfernhäutchen. Das ist ein sehr bescheuerter Mythos, der immer wieder verbreitet wird. Es gibt die vaginale Corona, das ist nichts Anderes als eine Art Kranz. Da muss nichts "durchstoßen" werden. Echt übel, was da über weibliche Körper und ihre Sexualität verbreitet wird! :(
Hier gibt es z.B. einen Artikel darüber: https://www.monda-magazin.de/body-and-soul/mythos-jungfernhaeutchen-keine-jungfraeulichkeit

Mir ist es egal, welcher Glaube, welche Religion, welche Angst im Hintergrund steht. Ein Mädchen hat sich entfalten zu dürfen. Ein Mädchen hat das Recht auf Bildung, Respekt und Freiheit. Jede Frau kann ihre Sexualität auf ihre eigene Weise genießen und ausleben. Egal ob vor einer (möglichen) Ehe, egal ob hetero, homo, bi, etc. Von daher: Lass dich bitte nicht ausbremsen in deiner sexuellen Lust, lebe sie allein in Selbstbefriedigung, mit deinem Freund oder sonstwie - solange du dich wohlfühlst, ist es einfach Lebensfreude.

Nun verstehe ich absolut, dass du das gute Verhältnis zu deiner Mutter nicht gefährden möchtest. Nur: Dazu gehören zwei. Die Rechnung: Ich spiele lieb Kind, damit meine Mutter mich noch mag und nicht enttäuscht von mir ist, funktioniert nicht. Denn dabei würdest du den wichtigsten Menschen überhaupt verraten: Dich selbst.
Es sollte also eher in die Richtung gehen, dass du dich einerseits von ihrer Erwartungshaltung abgrenzen lernst - und dich auch schrittweise aus ihrem kontrollierenden Radius hinausbewegst. Hier wäre dauerhaft ein Auszug sehr hilfreich, so schätze ich das ein. -
Du musst deiner Mutter keinerlei Auskünfte über dein Intimleben geben! Sag ihr doch, dass sie das nichts angeht (oder freundlicher: "Ich möchte nicht darüber sprechen, bitte respektiere das."). Das musst du vermutlich zwar trainieren (im Rollenspiel mit deinem Freund oder Freundinnen), aber das lohnt sich sehr! Es schafft die nötige Distanz, schützt deine Privatsphäre und hilft dir generell, dich behaupten zu lernen. Was wiederum für dein gesamtes weiteres Leben von Vorteil ist. Denn sonst kommen immer irgendwelche Leute an und meinen, sie könnten ungeniert in dein privates Leben eindringen.
Außerdem kannst du ihr liebevoll, aber bestimmt sagen, dass ihre Vergangenheit nur dann deine sein wird, wenn ihr das fest glaubt. Wenn ihr das ablehnt (und das tust du glücklicherweise ja bereits), kann sich dieses negative Gedanken - und Gefühlsgerüst gar nicht so etablieren. Denn dieses würde bestimmt weitere negative Dinge nach sich ziehen, weil schlechte Gedanken entsprechende Gefühle hervorrufen und diese wiederum zu schädigendem Verhalten führen. Das Gegenteil ist: An sich glauben, sich immer mehr von den Ängsten lösen, die eigenen Begabungen und Leidenschaften pflegen usw. :)

Vielleicht könnte sich deine Mutter eines Tages ein wenig dafür öffnen, ihre eigene Vergangenheit aufzuarbeiten. Vielleicht sogar therapeutisch. Sie würde sicherlich davon profitieren, damit nicht mehr allein zu bleiben! Doch ob es so kommen wird, können wir nicht wissen. Es geht an dieser Stelle ja auch besonders um DICH!

Es kann sein, dass nichts davon so recht fruchten mag. Dass es viele Auseinandersetzungen geben wird. Doch dann muss es so sein. Deine Mutter bekommt dadurch Chancen, sich zu verändern, ihren Horizont zu erweitern. Und du lernst, für deine Rechte und Bedürfnisse einzustehen. Manchmal muss das im Streit erfolgen. Oder in der Funkstille. Nimm das dann nicht als schlimmes Unheil, sondern als Dynamik, die euch reifen lassen kann. Du kannst für dich entscheiden, was dir gut bekommt - völlig unabhängig vom Urteil deiner Mutter oder anderen Personen. Nur musst du dann auch die innerliche Distanz aufbauen, bzw. die Akzeptanz, das Annehmen, dass es auch einmal unüberbrückbare Differenzen in einer an sich harmonischen menschlichen Beziehung geben kann.

Ich wünsche dir, dass du deinen Weg in Selbstbestimmung und möglichst viel Freiheit gehen wirst - mit den Menschen, die dich unterstützen und dich so annehmen, wie du bist.

Alles Liebe!
Nuala