Problem von Kathi - 17 Jahre

Das ständige Gefühl "nicht erwünscht zu sein"

Hallo, mein Name ist Kathi und ich bin 17 Jahre alt.

Meine Mama ist am Anfang des Jahres an ihrer Krebserkrankung gestorben, nachdem ich sie circa ein Jahr lang trotz Schule Zuhause so gut ich konnte gepflegt habe.
Seitdem lebe ich bei meinem Vater, den ich sonst nur an den Wochenenden besucht habe (da meine Eltern seit 8 Jahren getrennt lebten).
Nachdem meine Mama so plötzlich verstorben war (Wir mussten sie an Silvester ins Krankenhaus einweisen lassen, weil ihr Zustand sich vom einen auf den anderen Tag extrem verschlechterte und am nächsten Morgen kam dann der Anruf), fühlte ich mich wie im falschen Film und versuchte alles so gut wie möglich zu verdrängen. Jedoch holte es mich bald schon wieder ein, als die Beerdigung und alles andere an uns vorübergezogen waren. Wir mussten die gemeinsame Wohnung meiner Mutter und mir aufgeben und schließlich zog ich dann von der Stadt aufs Land zu meinem Vater. Ich bin in ein tiefes Loch gefallen und fühle mich sehr oft einsam, da die einzige Person, mit der ich immer über alles reden konnte und die für mich da war wenn es mir schlecht ging, nicht mehr da ist. Ich hatte mir also erhofft, dass mein Vater mir etwas zuhören würde und wir uns gegebenenfalls gegenseitig etwas Trost spenden könnten.

Jedoch funktioniert diese ganze Vater-Tochter-Beziehung nicht so wie geplant. Anstatt Verständnis zu zeigen und sich wenigstens ein bisschen für mich und mein Leben zu interessieren, ernte ich immer öfter missbilligende Kommtare von ihm und werde mit Vorhaben wie endlich meinen Autoführerschein anzufangen auf die Ersatzbank geschoben. Ich tue mich momentan sehr schwer mit meinem neuen Umfeld und fühle mich irgendwie fehl am Platz. Versuche ich jedoch mit ihm darüber zu reden, so wird er agressiv mir gegenüber und fängt an darüber zu schimpfen wie unerwachsen und verzogen ich doch sei. Als kleines Beispiel: Ich habe momentan kein wirkliches Zimmer. Ich schlafe immernoch in demselben Kinderzimmer mit derselben Einrichtung, wie ich es damals vor 8 Jahren verlassen habe. Meine eigentlichen Möbel und Sachen befinden sich unaufgebaut in unserer Garage und jedes Mal, wenn ich den geringsten Versuch unternehme, irgendetwas aufzubauen oder umzustellen, artet es in einen riesigen Streit aus.

Ebenfalls erkennt er kaum an was ich tue und stempelt die von mir erledigte Hausarbeit oder meine Schulbesuche als niedere Tätigkeiten ab, die mich zu einer "faulen Sau" machen. Ich bin momentan in meinem letzten Jahr an der Realschule und konzentriere mich einfach nur darauf, trotz aller Widrigkeiten der letzten Monate, meine Mittlere Reife zu schaffen.

Diese ganzen Dinge führen schließlich dazu dass wir fast schon jeden zweiten Tag streiten und ich mich immer unerwünschter bei ihm fühle. Er hat mir gegenüber einen sehr rauen Tonfall und aufgrund der Tatsache, dass wir schon so lange auseinander leben, scheint er mich nicht wirklich zu kennen. Interessiert an mir scheint er auch nicht besonders zu sein, da er im Gegensatz zu mir nie nach meinem Tag fragt oder irgendwelche Sachen mit mir unternehmen möchte.

Ich hoffe, dass es bald besser wird und würde gerne wissen, was ich dazu beitragen könnte. Ich möchte unbedingt das Verhältnis zu meinem Vater verbessern, weiß aber nicht mehr wirklich weiter.

Nuala Anwort von Nuala

Liebe Kathi,

hier nocheinmal meine Antwort, welche du ja bereits per Mail erhalten hattest (für alle, die sich schon gewundert haben, warum sich hier so lange nichts getan hat: Wir haben aktuell leider enorme technische Herausforderungen!).

Du scheinst sehr tapfer und aufopferungsvoll zu sein. Das ist sehr anerkennenswert und beeindruckend!
Pass hier aber bitte auf, dass du dich nicht in deiner Außenwelt „verlierst“, sondern dich als wichtigsten Menschen deines Lebens begreifst, der Grenzen setzen und damit auch NEIN sagen darf.
Ich spreche dir hiermit noch mein tiefes Mitgefühl wegen des Todes deiner Mutter aus. Einen so wichtigen Menschen nicht mehr im Alltag sehen, sprechen und erleben zu können, ist eine sehr harte Erfahrung.
Ich möchte dich ermutigen, dir sehr viel Zeit und Raum zum Trauern zu geben. Denn so wie du deine Situation beschrieben hast, „funktionierst“ du gerade irgendwie. Doch deine Gefühle müssen raus, sonst macht es dich eines Tages krank. Verdrängen ist da eine sehr ungeeignete Strategie! Du darfst dir immer erlauben, um deine Mutter zu weinen und auch mit Anderen darüber zu sprechen! Niemand sollte erwarten, dass jetzt alles so weitergeht wie zuvor.

Stichwort Erwartungen: Ich lese aus deinen Zeilen heraus, dass du eine recht konkrete Vorstellung und Hoffnung gehabt hast, was die Beziehung zu deinem Vater betrifft. Ich denke, hier liegt schon etwas im Argen. Weil wir uns selbst ein Bein stellen, wenn wir zu sehr in eine Erwartungshaltung gehen. Zum Einen können und wollen unsere Mitmenschen vielleicht ganz andere Dinge, als es uns in den Kram passt. Zum Anderen üben wir mit Erwartungen, auch wenn sie unausgesprochen bleiben, Druck aus. Und das wiederum kann den „Beziehungsfluss“ hemmen und Blockaden schaffen.

Vielleicht geht es auch deinem Vater sehr schlecht wegen des Todes deiner Mutter – oder es gibt andere Ursachen, die dafür sorgen, dass er sich eventuell missmutig und überfordert fühlt. Oftmals kommen ja auch mehrere Aspekte zusammen, worüber er aber mit dir auch nicht so einfach sprechen kann?! Eltern erzählen ihren Kindern bei Weitem nicht alles, wollen diese auf gewisse Weise schonen und schützen. Vielleicht warten sie auch auf einen passenderen Zeitpunkt oder eine neue Lebensphase, in der es weniger turbulent zugeht. Ich will damit nicht ausdrücken, dass es okay ist, wenn er dich blöd behandelt. Du musst das auch nicht verstehen. Aber es anzuerkennen, dass er momentan ggf. überfordert ist oder es schlicht gerade so ist, hilft dir selbst am ehesten, deinen Frieden damit zu finden und nicht dauernd dagegen anzukämpfen.

Du kannst ja mal überlegen, wie euer Verhältnis früher gewesen ist. Hattet ihr denn schon einmal eine enge Bindung? - Wenn ja, dann gibt es bestimmt über kurz oder lang Möglichkeiten, diese wieder zu reaktivieren. Dann gibt es vermutlich andere Einflüsse, die sich störend auswirken. Das würde aber auch bedeuten, dass du als Tochter dich nicht „abrackern“ musst. Musst du sowieso nicht, weil das gar nicht deine Aufgabe ist. Du kannst in erster Linie für dein persönliches Wohlergehen sorgen und zu deinem Vater freundlich sein. Der Rest muss von ihm kommen, wenn er dazu bereit ist. Hier sind also auch Akzeptanz der aktuellen Situation gefragt. Versuche am besten nicht, ihm verzweifelt alles recht zu machen oder deine Wut an ihm auszulassen. Schau auf dich, was du gerade brauchst und versuche es dir losgelöst von deinem Vater zu geben. Wenn er möchte, wird er sich dir wieder mehr zuwenden und öffnen.

Es kann auch sein, dass ihr noch nie einen wirklich guten Draht zueinander gehabt habt. Dann wäre es umso wichtiger, dass du nicht in Aktionismus verfällst, sondern deine Rechte und Bedürfnisse umsetzt. Lass dich z.B. nicht abhalten, dir dein Zimmer nach deinen Vorstellungen zu gestalten. Bitte ggf. andere Personen um Mithilfe, wenn du etwas nicht alleine schaffst. Ansonsten:

Sollte es jetzt sehr gravierende Schwierigkeiten geben, empfehle ich dir einen Termin in einer Familienberatungsstelle. Dort könnte detailliert geguckt werden, wie ihr miteinander kommuniziert und was alles getan werden kann, um euren Alltag freundlicher zu machen.

Ich habe dir auch noch ein paar Zuschriften rund um Tod und Trauer herausgesucht sowie zum Thema Familie und familiäre Beziehungen. Selbstverständlich gibt es noch viele weitere Zuschriften, die du dir im Archiv ansehen kannst.

* Trauer wegen dem Tod - Mein-Kummerkasten.de
* https://mein-kummerkasten.de/332444/Tod-meiner-Uroma-und-Katzen.html
* https://mein-kummerkasten.de/332355/Sterbefall.html
* Komme nicht Über den Tod hinweg - Mein-Kummerkasten.de

- https://mein-kummerkasten.de/332419/Schlechte-Muttertochterbeziehung.html
- https://mein-kummerkasten.de/332272/Abgrenzung-vom-Vater.html
- https://mein-kummerkasten.de/332269/Meine-Oma-kann-mich-nicht-leiden.html

Ich wünsche dir alles Liebe!
Nuala