Problem von Anonym - 15 Jahre

Wäre es sinnvoll zu einem Therapeuten zu gehen?

Ich fange erstmal von vorne an.

Ich habe aktuell ein Problem mit der sozialen Interaktion mit anderen Menschen. Anfänglich war es sehr klein und noch leicht zu umgehen. Mittlerweile ist es so, dass ich oft einfach nur "ok, cool" antworte. Egal ob es etwas positives oder negatives ist. Also natürlich ist es nicht immer der Fall, allerdings ist die Tendenz steigend. Ein Beispiel: Vor kurzem hat mir eine gute Freundin geschrieben. In der Nachricht hat sie davon erzählt, dass ihr Tag richtig beschissen war und sie schon seit 5 Minuten weint. Der Grund dafür war, dass sie etwas das sie eig. sehr gut kann nicht mehr funktionierte. Sie gab sich die Schuld, obwohl es eig. am Werkzeug lag. Ich hatte überhaupt keine Ahnung was ich antworten soll und war etwas überfordert. Da es sich um eine Gruppe handelte, wartete ich darauf, dass jemand anderes antwortet. Es passierte jedoch nichts. Schließlich habe ich mich sehr schlecht gefühlt, weil mir aufgefallen ist, dass ich nicht weiß wie man jemanden tröstet oder wie man mit so einer Situation umgeht.

Da ich sehr oft selbstreflektiere habe ich es diesmal natürlich auch getan. Ich habe darüber nachgedacht, ob ich schon öfter so empfunden habe und habe gemerkt das es eindeutig der Fall ist. Eine Sache die mir nicht erst heute sondern schon vor 2-3 Monaten auffiel ist, dass ich oft etwas Gefühlskalt bin. Das klingt erstmal schlimmer als es in wahrheit ist. Ich empfinde Freude und lache auch, habe somit nicht wirklich Schwierigkeiten Freude zu zeigen. Aber was z.B. Trauer angeht empfinde ich recht wenig. Vor kurzem hat mir meine Mutter davon erzählt, dass mein Opa Krebs hat. Meinen beiden Schwestern hat man schnell angesehen, dass es sie belastet und sie vlt. sogar gerne weinen würden. Ich habe währenddessen nichts empfunden und fragte mich warum das so ist. Schließlich kenne ich meinen Opa schon mein ganzes Leben und er hat mich auch immer gut behandelt. Daraufhin habe ich mir sogar teilweise gewünscht, dass er demnächst stirbt um zu sehen, ob ich dann Trauer oder ähnliches empfinde. Denn ich glaube nicht, dass man sich das mit reiner Vorstellungskraft beantworten kann.

Ich bin auch meistens alleine und fühle mich so auch wohler. Ich meide den Kontakt zu anderen zwar nicht direkt, versuche allerdings recht wenig zu haben. Manchmal finde ich es aber auch ganz angenehm mit anderen abzuhängen und bin glücklich. Das ist z.B. eine Sache die mich etwas verwirrt. Ich mag den Kontakt mit anderen nicht, aber manchmal schon? Das klingt finde ich so als würde ich es mir nur einreden.

Damit kommen wir zur nächsten Sache. Ich wünsche mir jetzt schon seit Monaten eine Psychische Krankheit zu haben. Ich weiß nicht genau weshalb es so ist, ich vermute einfach mal wegen Aufmerksamkeit. Das ergibt für ich aber auch nur teilweise Sinn, weil ich nie jemanden von sowas erzählen würde. Deshalb denke ich aktuell eher, dass ich es mir wünsche um vlt. anders zu sein oder um eine Erklärung für bestimmte Merkwürdigkeiten zu haben. Diese "Merkwürdigkeiten" hat ja allerdings jeder. Aus diesem Grund habe ich eine Zeit lang versucht mir gestörte Verhaltensweisen einzureden. Ich froh, dass ich das mittlerweile nicht mehr aktiv mache, sondern eher nur unterbewusst. Ich vertraue mir selber deshalb nicht mehr und versuche immer rein Objektiv zu denken. Das gelingt natürlich nur teilweise.

Ich sollte mal lieber mit dem Thema in der Überschrift anfangen. Ich würde gerne zu einem Therapeuten gehen, um zu sehen ob ich etwas habe oder nicht. Also, ob ich mir die ganzen Sachen nur einrede oder übertrieben wahrnehme, oder ob einige Sachen der Wahrheit entsprechen und ob es noch in einen "normalen" Bereich ist. Das Problem ist aber, dass ich auf gar keinen Fall meinen Eltern davon erzählen möchte, weil sie für mich die letzten Personen sind denen ich irgendetwas anvertrauen würde, vor allem mein Vater soll nichts davon wissen. Ich habe dementsprechend etwas recherchiert und herausgefunden, dass man keine Zustimmung von den Eltern benötigt. Das erleichtert die Sache schon mal für mich. Ich wollte aber eig. auch erstmal zum Schul-Sozial-Arbeiter gehen um zu hören was er denn dazu sagt. Ich muss zugeben, dass es hier so klingt als hätte ich die Idee mit dem Therapeuten erst heute gehabt, dem ist natürlich nicht so. Ich überlege schon seit einigen Tagen wenn nicht sogar Wochen ob es sinnvoll wäre einen Aufzusuchen. Eine Sache die mich ebenfalls eher daran hindert ist, dass für mich meine Gedanken ein sicherer Rückzugsort sind, dementsprechend erzähle ich niemanden darüber. Also worüber ich nachdenke oder was mich beschäftigt. Wenn ich solche Fragen bekomme, lüge ich eig. immer. Einige wissen zwar, dass ich Probleme habe und mit einer Person habe ich mal kurz darüber geschrieben, jedoch kenne ich diese Leute nicht persönlich sondern nur über einen Chat. Diese Nachricht zu schreiben ist für mich auch noch einiger maßen okay, weil ich gar keine Ahnung habe wer sie liest.

Wäre es sinnvoll für mich zu einem Therapeuten zu gehen oder wäre es nur Quatsch? Ich habe im Internet gelesen, dass man zum Therapeuten gehen sollte, wenn die Probleme einen negativ im Alltag beeinflussen und belasten. Das ist bei mir auf jeden Fall so.
Zum Beispiel sitze ich aufgrund der vorgezogenen Ferien, den ganzen Tag zu Hause. Das sorgt dafür das ich überhaupt keine Ablenkung habe und fast die ganze Zeit über meine "Probleme" nachdenke. Dazu recherchiere ich sehr viel über psychische Krankheiten und versuche mich somit automatisch selbst zu diagnostizieren. Die schizoide Persönlichkeitsstörung bekomme ich da überhaupt nicht mehr aus dem Kopf. Auch Depressionen ziehe ich sehr oft in Betracht oder vlt. auch beides.
Abschliesend kann ich sagen, dass ich so gut wie den ganzen Tag nichts mache und einfach meine Gedanken abschaltenmöchte. Es macht mich mittlerweile echt fertig vor allem wenn man noch betrachtet das ich meinen Gedanken überhaupt nicht mehr vertraue. Ich habe noch im meinem Leben geweint, weil ich mich schlecht gefühlt habe oder sonstiges. Gestern war es das erste mal.

Ich hoffe einfach, dass meine Nachricht nicht zu nervig zum Lesen ist und das ich auch nicht gelogen habe bzw. mir nichts eingeredet habe.

Liebe Grüße und danke fürs Lesen.

Anwort von Shannon

Lieber Fragesteller,

in meinen Augen reicht das Argument, dass die Probleme, die du beschreibst, dich in deinem Alltag einschränken, aus, um einen Therapeuten aufzusuchen. Dass deine Eltern davon nicht mitbekommen müssen, hast du ja selbst bereits recherchiert. Den Sozialarbeiter deiner Schule halte ich für eine gute erste Anlaufstelle.

Du beschreibst selbst, dass du dich und dein Handeln häufig selbst kritisch hinterfragst, und dir so aufgefallen ist, dass du deiner Meinung nach oft gefühlskalt, gleichgültig und teilnahmslos reagierst und auch meistens lügst, wenn dich jemand nach deinen Gedanken fragt. Der Rahmen einer Therapie setzt ein gewisses Maß an Offenheit und Vetrauen voraus, aber dessen scheinst du dir bewusst zu sein.
Wenn du dich dafür entschiedest, eine Therapie zu beginnen, kannst du in jedem Fall bei mehreren Therapeuten Sitzungen ausprobieren und dann überlegen, bei welchem du glaubst, dich öffnen zu können. Wichtig ist und bleibt aber, dass du wirklich etwas ändern willst. Dich scheint deine aktuelle Lage zu stören, aber allein davon, dass du einen Therapeuten aufsuchst, wird sie sich nicht verbessern. Dafür musst du kooperieren und aktiv mitarbeiten.
Deine Zweifel, ob du zu einem Therapeuten gehen sollst, weil du dann deine Gedanken als deinen eigenen, persönlichen Rückzugsort aufgeben und jemanden daran teilhaben lassen müsstest, halte ich für nachvollziehbar. Dennoch weiß ich auch, wie erleichternd es ist, diese Gedanken endlich ordentlich verarbeiten und einordnen zu können. Und dabei können die Ansichten und Einschätzungen eines Außenstehenden ungemein helfen. Dementsprechend kann ich dich, was das angeht, nur ermutigen, dich jemandem anzuvertrauen.

Was deinen Wunsch nach einer psychischen Störung angeht, kann ich mir vorstellen, dass du dir etwas wünschst, mit dem du vor allem dir selbst erklären kannst, warum du so handelst, wie du handelst. Vielleicht suchst du auch nach einer Art Rechtfertigung? Egal, welcher Grund dahinter steckt, dieses Refklektieren deiner selbst und die Theorien, die du über deine Gedanken und dein Verhalten aufstellst, sind genau die Dinge, die du bei einem Therapeuten thematisieren kannst.

Dass du den Kontakt anderer Menschen manchmal genießt, er dich manchmal aber auch sehr stört, halte ich an sich nicht für unnatürlich. Was hingegen aber auffällig wäre, wäre zu bemerken, das Dinge, die einem zuvor Spaß gemacht haben, plötzlich keinen Spaß mehr machen, oder auch, das Gefühl zu haben, momentan seltener Freude zu empfinden als früher.
Das kannst nur du selbst einschätzen. Genauso, wie auch du die finale Entscheidung treffen musst, ob du dich bei einem Therapeuten vorstellst oder nicht. Meiner Meinung nach, ergibt dieser Schritt Sinn, wenn du dich in deinem alltäglichen Leben belastet fühlst, und meinst, dich ohne Unterstützung nicht davon befreien zu können.

Ich hoffe, ich konnte dir helfen und wünsche dir für die Zukunft alles Gute!