Problem von Anonym - 22 Jahre

Depression

Hallo zusammen..
ich bin mittlerweile echt verzweifelt und weiß nicht mehr an wen ich mich wenden soll um irgendwie hilfreiche Tipps zu bekommen. Das hier ist sozusagen mein letzter Ausweg in der Sache weil ich nicht mehr weiter weiß, deshalb probiere ich es jetzt auf diesem Weg.. Es geht um meine beste Freundin, ihr geht es schon seit einiger Zeit einfach ganz miserabel. Sie ist ganz besessen darauf jemanden kennen zulernen und einen Freund zu haben dass es schon krankhaft ist. Sie ist mittlerweile 4 Jahre single und hat in der Zeit diverse schlechte Erfahrungen gesammelt, Typen die sie regelrecht angelogen und verarscht haben, ihr schöne Dinge versprochen haben und anschließend schlecht über sie gesprochen haben. Jedoch geht das Ganze jetzt schon so weit dass sie in eine Art Depression fällt. Sie hat wieder jemanden kennen gelernt mit dem sie sich ein Mal getroffen hat und sich direkt so viel verhofft.. wahrscheinlich entwickelt sie auch viel zu schnell Gefühle aber sie verfängt sich dann sehr stark in etwas. Sie macht sich Sorgen wenn er 3 Stunden nicht schreibt, allein bei einer halben Stunde dreht Sie durch, sie fragt mich ständig wie sie auf Nachrichten antworten soll, weil sie angst hat dass die Konversation sonst endet, an sich stört es mich nicht aber es ist nicht normal. Ich bin einfach zu verzweifelt, weil ich merke wie schlecht es ihr damit geht und ich kann nichts dagegen tun, ich kann ihr sagen was ich möchte es ändert nichts. Sie weint oft am Tag und ich möchte einfach, dass es ihr wieder besser geht, weiß aber nicht wie ich das dauerhaft schaffe.

Braucht sie vielleicht professionelle Hilfe?

Grüße und Danke im Voraus

Nuala Anwort von Nuala

Hallo du,

bitte verzeih die späte Antwort, wir kommen oft einfach nicht hinterher mit dem zeitnahen Beantworten aller Zuschriften.

Prinzipiell ist es wundervoll, wie sehr du für deine Freundin da bist. Du bist ein wahrer Goldschatz! :)

Aber: Beste Freundin hin - oder her, hier ist dein gesunder Abstand gefragt. Du hast sehr viel Engagement bewiesen und eigentlich müsste deiner Freundin klar sein, dass sie stets auf dich zählen kann. Dies bedeutet aber nicht, dass du jedes Leid mittragen musst. Du schreibst sehr verzweifelt und das klingt echt alarmierend! Hier ist ein Punkt überschritten, der noch okay wäre. Es ist in Ordnung, phasenweise mal sehr intensiv für die Freundin, den Freund da zu sein und selbst mal nicht so viel freundschaftlich zu "bekommen". Aber sobald es energiezehrend wird und du merkst, wie überfordert du in Wahrheit bist, kann es so nicht weitergehen. Daher lautet mein Rat, deiner Freundin auf sanfte, aber bestimmte Weise mitzuteilen, dass du ihr nur noch bedingt weiterhelfen kannst. Beispielhaft kannst du ihr sagen (natürlich auch in abgewandelter Form): "Ich habe dich sehr lieb und möchte, dass es dir bald besser geht. Ich merke aber, wie sehr mich das Ganze belastet. Daher möchte ich einen gewissen Abstand gewinnen. Das heißt nicht, dass du mir egal bist oder ich nicht mehr mit dir befreundet sein möchte. Aber ich glaube, dass ich mit meinem Latein am Ende bin und du Hilfe von Profis gut gebrauchen kannst. Gerne unterstütze ich dich noch bei der Suche..."

Wie du schon vermutet hast, könnte eine therapeutische oder zumindest beratende Hilfe das Richtige für sie sein (es kommen z.B. Beratungsstellen, Seelsorger:innen, Coaches, Therapeut:innen und Seminaranbieter:innen in Frage). Sie scheint sich in der Tat in eine dunkle Sackgasse manövriert zu haben, aus der sich allein wohl schlecht herausfindet. Allerdings muss eines gegeben sein: Ihr Wille zur Veränderung. Einem psychologisches Beratungstermin könnte sie vielleicht dann zustimmen, wenn du dich als Begleitung anbieten würdest, sofern du dir das vorstellen kannst. Dies hätte auch den Vorteil, dass du bestimmte Informationen beisteuern und das Reden übernehmen könntest, falls deine Freundin das möchte und vor Weinen nicht in der Lage wäre. Eventuell käme ja auch noch eine andere Person als Begleitung in Frage.

Ich mutmaße jetzt einmal, dass sie kein sonderlich ausgeprägtes Selbstwertgefühl bzw. nur wenig Selbstliebe hat - das ist nämlich der ideale Nährboden für schädigende, flüchtige und letztlich enttäuschende Beziehungen und Begegnungen, wie du sie bei ihr wahrnimmst.
Wenn sie nämlich tief in sich schlecht über sich denkt und schon die Erwartung hat, dass sie immer wieder neu verschaukelt wird, wird das im Außen so lange bestätigt, bis sie sich geheilt hat und einen neuen Glauben, eine neue Liebe zu sich selbst in sich verankert hat. Erst dann können tragende Beziehungen entstehen, die auf wahrer Nähe und Gemeinsamkeit beruhen. Vielleicht kennst du den Spruch "Wie im Innen, so im Außen"; und den könntest du deiner Freundin vorsichtig näherbringen. Du kannst ihr auch gerne ein paar Links hier zeigen, ich habe dir etwas zum Weiterlesen herausgesucht.
* https://mein-kummerkasten.de/331843/Kann-man-die-Liebe-satt-haben.html
* https://mein-kummerkasten.de/332025/Ungluecklich-verliebt-seit-Langem.html
* https://mein-kummerkasten.de/331900/Bin-ich-liebessuechtig.html

Mehr als das Ermutigen, sich professionelle Hilfe zu suchen (dabei kannst du ihr ja auch etwas beistehen, wenn dir danach ist) und gleichzeitig auf umsichtige Weise deine Grenzen des Beistandes aufzuzeigen, wirst du nicht tun können. Und das ist schon mehr als genug! Denn sie hat im Endeffekt ja auch nichts davon, wenn du ebenfalls psychisch auf dem Zahnfleisch kriechst und irgendwann gar keine Kraft mehr für Treffen und Austausch hast.

Das Tolle ist, dass du als ihre Freundin auch andere Richtungen einschlagen kannst: Eine Möglichkeit bestünde darin, ihre gewohnten Muster zu durchbrechen, indem du z.B. nicht auf ihr Klagen eingehst, sondern mal plötzlich sagst: "Mensch, du bist ein so klasse. Wow!" Ohne dabei weiter auf den Kontext und ihre möglichen Einwände einzugehen. Du könntest sie auch überraschen, indem du sie irgendwohin mitnimmst, wo ihr schon lange nicht mehr wart, einen Überraschungsausflug o.ä. planen. Dabei geht es also darum, das Schöne, Spaßige, Lustvolle zwischen euch zu betonen und für Abwechslung und Ablenkung zu sorgen. Denn sie scheint sehr tief in einem Loch zu stecken, das sie selbst immer weiter vertieft. Wenn du da aussteigst und ihr sozusagen am Rand des Lochs die Hand reichst, kann sie wieder in Richtung Tageslicht klettern. Natürlich ist das keine Garantie, dass es klappt oder dass sich alles ändert. Es geht letztlich ja sehr um die Ursachen für ihre Misere. Doch auf eurer freundschaftlichen Ebene kann es sehr wohltuend sein, wenn du bewusst aus der Rolle der immer verständnisvollen und zuhörenden Freundin aussteigst und die anderen Seiten eurer Beziehung betonst. Allzu oft wird die Freundinnenschaft strapaziert, indem die eine Person als "Seelenmülleimer" benutzt wird, ohne dass es reell helfen würde. Von daher: Probiere das ruhig einmal aus. Ihr habt euch ja sicherlich unter anderen Umständen kennengelernt und teilt bestimmt auch gewisse Interessen und Erlebnisse. Das alles kannst du nun als Ressource anzapfen! Somit könntest du auf angenehme Weise Freundin sein, ohne dich selbst energetisch ausräubern zu lassen.

Noch eine Anmerkung: Bitte sei vorsichtig mit dem Begriff der Depression. Dieser sollte nur benutzt werden, wenn es faktisch eine ärztlich-therapeutische Diagnose gegeben hat.

Dann habe ich noch einen letzten Tipp für dich: Sei es dir wert, dir eine freundschaftliche Auszeit zu gönnen. Du darfst. Sei es, dass du sie mal nicht treffen willst, keine Lust auf Telefonieren hast, dich erst später im Chat meldest, etc. All das kannst du ihr freundlich mitteilen. Du kannst ihr signalisieren, dass du gerade nicht möchtest oder keine Kraft hast, aber dafür gerne am nächsten Tag z.B. mit ihr etwas Schönes unternimmst.
Vergiss bitte nicht: Jeder Mensch ist für sich selbst verantwortlich, so auch für die aufkommenden Gefühle. Selbst wenn es deiner Freundin nicht schmecken würde - du bist in allererster Linie deine eigene beste Freundin. Erst dann kommen die anderen Menschen (und falls du jetzt erschrickst, wäre es sinnvoll, das mal gründlich zu durchfühlen..., warum du das nicht [direkt] für dich annehmen kannst...).

Ich wünsche dir alles Liebe und Gute!
Nuala