Problem von Anonym - 18 Jahre

Brauche ich einen Psychologen?

Hallo,
Ich weiß nicht an wenn ich mich mit folgendem wenden soll daher schreibe ich an Sie.
Zuerst einmal:
Ich bin 18 Jahre alt, werde Ende August 19
Habe 2019 das Fachabi gemacht, und wollte dann eigentlich Pflege dual studieren habe das dann aber abgebrochen. Dann ein Jahr BFD in der Verwaltung eines Altenheimes und habe jetzt gerade eine Ausbildung als Sozialversicherungsfachangestellte angefangen.
Ich habe eine jüngere Schwester, meine Eltern betreiben einen Landwirtschaftlichen Betrieb den ich gemeine am mit meinem Freund einmal gerne weiterführen wollen würde.
Soviel zu mir.

In den letzten 3-4 Monaten habe ich meine Ernährung umgestellt und sehr viel Sport gemacht, dadurch auch 10kg abgenommen. Ich wiege jetzt 60kg möchte aber noch 5kg abnehmen also ein Gewicht von 55kg erreichen. Häufig werde ich mit Magersucht Vorwürfen konfrontiert, bin 1.67 groß un wiege 60kg also totales normal Gewicht auch wenn ich noch 5kg abnehme. Dies ist zum einen momentan eine große Belastung für mich außerdem ist die Ernährungsumstellung und der viele Sport einfach auch anstrengend und schwer durchzuhalten. Ich will aber unbedingt noch etwas abnehmen.

Am 6.Juli ist mein Opa gestorben. Er war über ein Jahr lange sehr krank und wurde zuhause von meiner Oma gepflegt. Durch meine Erfahrungen in der Pflege habe ich ihr natürlich sehr viel geholfen und war fats jeden Tag bei meinen Großeltern. Den Tot meines Opas kann ich irgendwie nicht so richtig verarbeiten.

Am 1. August habe ich jetzt mit der Ausbildung bei der sbk begonnen. Ich habe Angst das ich die Ausbildung nicht schaffe oder das sie nicht zu mir passt. Ich habe Angst eine Aussenseiterin bei den Kollegen zu werden. Außerdem habe ich erfahren das man als Kundenberater bei der sbk x viele neue Kunden anwerben muss und wenn man das nicht schafft viel druck von den Chefs bekommt. Davor habe ich Angst. Am liebsten würde ich aufhören und sofort die Landwirtschaftsschule machen aber ich brauche doch eine Grundlage eine andere Ausbildung für das alles.

Ich weiß nicht ob ich mich an einen Psychologen wenden soll oder nicht. In meinem Leben gibt es in letzter Zeit häufiger Phasen, manchmal Tage oder nur ein paar Stunden manchmal ganze Wochen an denen ich an liebesten nur im Bett liegen würde und nichts machen würde. Alles ist dann anstrengend und ich bekomme nichts auf die Reihe. Ich weiß nicht was nur los mit mir ist. Diese Phasen vergehen meistens so schnell und plötzlich wie sie gekommen sind aber ich habe das Gefühl total hilflos zu sein und da alleine nicht raus zu kommen. Ich hab eine tolle Familie und einen guten Freund aber sonst nicht viele Freunde mit denen ich über soetwas reden kann. Mir ist es peinlich weil mich sowieso keiner verstehen würde.

Was soll ich tun? Muss ich mir Hilfe suchen? Oder schaff ich das alleine? Vielen Dank für Ihre Mühe und Hilfe!
Ich bitte um einen schnelle Rückmeldung.

Mit freundlichen Grüßen
Steffi

Anna Anwort von Anna

Hallo liebe Steffi,

vielen Dank für Deinen langen Text und Dein Vertrauen uns gegenüber.

Puh, das klingt ja nach einigen Dingen in Deinem Leben, die Dich momentan belasten und ich kann gut verstehen, dass Du Dich zuweilen überfordert fühlst. Deine berufliche Zukunft, an der Du gerade am arbeiten bist, der traurige Verlust von Deinem Opa, der noch nicht lange her ist und dazu auch noch sozialer Druck und eine große Gewichtsabnahme. Am besten versuche ich erstmal auf jeden Punkt einzeln einzugehen.

Dazu möchte ich Dir gleich mal zum bestandenen Fachabitur gratulieren! Auch, wenn es schon mehr als ein Jahr her ist, ist das trotzdem eine tolle Leistung, die echt gewürdigt werden muss und die Dir Tür und Tor zu ganz vielen Ausbildungsberufen und auch Studiengängen ermöglicht. Dass man da auch erstmal etwas überfordert ist und überhaupt nicht weiß, was eigentlich zu einem passt, ist ganz normal. Ich wette, dass das vielen jungen Menschen so geht, die sich gerade nach dem Abi erstmal fragen, wohin sie eigentlich wollen. Und woher soll man das auch sicher wissen, wenn man noch nicht viel bis gar keine berufliche Erfahrung gesammelt hat?
Mein erster Ratschlag lautet dabei immer: Höre auf Dein Herz. Das klingt komisch, soll aber heißen, dass Dich Deine Interessen schon leiten werden. Die Themen und Tätigkeiten, die Dir Spaß machen, wo Dir sprichwörtlich das Herz aufgeht, ich denke, die sollte man verfolgen, unabhängig davon was andere von einem wollen oder was das meiste Geld einbringt.
Wie fühlst Du Dich denn zur Zeit während Deiner Ausbildung? Macht Dir die Tätigkeit denn abgesehen von dem Druck, der da vielleicht auf Dich zukommt, Spaß? Warum hast Du Dich für genau diese Ausbildung entschieden? Gab es da einen Moment, der für Dich entscheidend war? Eine Ausbildung kann eine lange Zeit sein, wenn man das Gefühl hat, am falschen Fleck zu sein. Natürlich sind die Kollegen und Kolleginnen dabei auch sehr entscheidend und es ist immer toll, wenn es da den einen oder die andere gibt, mit denen man sich gut versteht. Gib der Ausbildung doch noch ein wenig Zeit und schnupper erstmal in die verschiedenen Bereiche hinein. Oft entfaltet sich ein Beruf erst mit der Zeit und mit der Zeit entdeckt man auch die eigenen Talente dabei, wird besser in dem, was man tut. Ich glaube, dass aller Anfang schwer ist. Sollte sich die Ausbildung nach einer Zeit aber immer noch total falsch für Dich anfühlen, solltest Du vielleicht schon näher darüber nachdenken, Dir etwas anderes zu suchen; vielleicht schon mal bei der Landwirtschaftsschule anfragen - wieso nicht?
Ich bin mir sicher, dass Du viele tolle Talente und Fähigkeiten hast, die nur darauf warten, richtig eingesetzt zu werden. Am besten sind wir in dem, was uns Freude bereitet und motiviert, was Spaß macht, was uns interessiert und worin wir einen Sinn sehen. Diesen Tätigkeiten so früh wie möglich nachzugehen, erscheint mir als eine gute Sache. Und die, die eben noch nicht wissen, was das Richtige für sie ist, brauchen eben etwas mehr Zeit in alle möglichen Bereiche reinzuschnuppern. Ich bin mir sicher, dass sich an der Stelle Dein Herz als Kompass erweisen kann.

Und jetzt möchte ich Dir gerne noch mein aufrichtiges Beileid zu Deinem Verlust von Deinem Opa aussprechen! Das muss sehr schwer für Dich gewesen sein und ich finde es sehr beeindruckend, dass Du Deine Oma dabei unterstützt hast, ihn zu pflegen. Ich kann mir vorstellen, dass das oft nicht einfach war, wenn man einen geliebten Menschen so hilflos und krank sehen musste und dazu auch noch mitgepflegt hat. Dein Opa und auch Deine Oma können sich sehr glücklich schätzen, so eine liebe Enkelin zu haben. Trotz all der Mühen und auch unschönen Momente bin ich mir sicher, hat es Deine Beziehung zu Deinem Opa sicher auch sehr intensiviert. Du bist ihm sicher nahe gekommen wie sonst nie, er hat erlebt, wie sehr er sich auf Dich verlassen konnte, das muss ein unglaublicher Schatz für ihn gewesen sein. Diese intensive Zeit war auch für Dich sicher sehr bedeutsam und kann als Schatz mit in die Zukunft ohne ihn getragen werden, als eine Erinnerung, die euch beide noch einmal sehr nahe gebracht hat.
So einen tiefen Verlist verarbeitet man auch nicht mal eben so, vor allem nicht, wenn man so nah beteiligt war. Und ich bitte Dich, sei nachsichtig mit Dir und Deinen Gefühlen, Deiner Trauer und nimm Dir Zeit für sie. Sie hat ihre Berechtigung und sollte nicht übergangen werden. Es gibt einige schöne Rituale, die helfen können, sich in der Trauer liebevoll an einen Menschen zu erinnern, mit ihm in Dialog zu treten, vielleicht seinen Frieden mit manchen Erinnerungen zu schließen. Ich finde es zum Beispiel sehr beruhigend und schön, Steine zu sammeln von Orten, die ich mit meinen Lieben verbinde, wo ich schon mal war. Die Steine kann man dann bemalen mit was auch immer einem gerade in den Sinn kommt und wenn man möchte, sie dann auch auf das Grab legen. Es kann auch gut tun, einen Brief an Deinen Opa zu schreiben und ihm zu erzählen, wie Du Dich fühlst, welche Dinge Dich gerade beschäftigen, was auch immer Dir gerade in den Sinn kommt, was Du gerne loswerden möchtest. Schau da einfach danach, was sich für Dich richtig anfühlt. Vielleicht kann es auch helfen, mit Deiner Oma oder anderen Familienmitgliedern über Deine Trauer und was Dich belastet zu sprechen. Oft merkt man, dass man vielleicht ganz ähnliche Gedanken hat oder dass das Gegenüber noch ein paar schöne Worte hat, die Dich trösten können.

Was sich alleine für Dich richtig anfühlt, darauf solltest Du auch achten, wenn es um Deine Ernährung, Deinen Sport, Deinen Körper geht. Auch hier gibt es kein Richtig und kein Falsch, solange Du Dich gut fühlst. Wenn Du noch 5kg abnehmen möchtest und Du merkst, dass Dir der Sport gut tut und Deine neue Ernährung sich auch richtig anfühlt für Deinen Körper, dann mach das so. Die anderen Menschen in Deinem Umfeld machen sich vielleicht Gedanken und wissen nicht genau, wie sie das ausdrücken sollen. Ein starkes Untergewicht hast Du mit Deinem Gewicht dann noch nicht. Aber auch hier: achte auf die Signale Deines Körpers und wie Du Dich fühlst. Aktiv abnehmen kann sehr anstrengend sein, wie Du ja auch schon geschrieben hast. Und ab und zu tut es sicher auch mal gut, sich etwas zu gönnen, etwas Leckeres und etwas mit nicht zu wenig Kalorien. ;-) Wenn Du Deine 5kg langsam abnimmst, ist das ja auch ok, setz Dich nicht unter Druck, denn davon hast Du glaube ich schon genug. Aktiv abnehmen kann manchmal als Prozess eine Stütze sein in Zeiten in denen wir das Gefühl haben die Kontrolle zu verlieren. Das kannst Du ja vielleicht im Hinterkopf behalten und dann immer wieder in Dich reinhorchen: Was geht gerade in mir vor? Was brauche ich eigentlich? Wie fühle ich mich? Was fehlt mir?

Wie Du das beschreibst, hast Du wohl ab und an Deine Tiefpunkte, Deine depressiven Stunden und Tage. Solange diese Phasen wieder vorbei gehen und Du auch nochmal unbeschwert lachen kannst, ist das schon mal gut. Du steckst im Moment an einem Punkt in Deinem Leben, in dem viel zusammenkommt, in dem es Neuanfänge gibt und Du viel entscheiden musst. Die alte Welt geht ein wenig verloren, zum Beispiel durch das Beenden der Schule, durch den Tod der Großeltern und gleichzeitig bist Du aber noch nicht da angekommen, wo Du hin willst. Dass es Dir da manchmal nicht gut geht und Du Dich dann auch ganz unspezigisch schlecht fühlst, ist glaube ich ganz normal. Auch diese Zeit geht vorbei und es braucht viel Mut, neue Entscheidungen zu treffen und das Alte loszulassen. Und viel Hoffnung auf eine schöne Zukunft, die Dir auf jeden Fall offen steht! Ich persönlich würde jetzt noch nicht dazu raten, Dich an einen Psychotherapeuten zu wenden. Das heißt aber nicht, dass Dir Gespräche, Beratungsgespräche mit Außenstehenden nicht trotzdem gut tun würden. Ein erster Schritt war es ja schon mal uns zu schreiben und ich hoffe auch sehr, dass ich Dir da schon mal ein bisschen weiter helfen konnte. :-)

Ich wünsche Dir alles Gute und wenn Du schreiben möchtest, dann schreibe uns doch einfach wieder!

Viele Grüße,

Anna