Problem von ALI-Chan - 21 Jahre

Depressive Freundin

Hallo liebes Kummerkasten Team,

Ich habe ein Problem mit meiner besten Freundin. Sie ist ein wenig.... uf wie soll ich das beschreiben?
Nun, sie hängt sehr stark an mir. Beinahe schon wie ein anhänglicher Ehepartner. Wirklich sehr anhänglich. Ihre Eltern sind geschieden und geizig, kümmern sich nicht wirklich um sie. Ihre Schwester macht viel Scheiße aber ist das Vorzeigekind, während meine beste Freundin immer angeschissen wird.
Jetzt wehrt sie sich gegen Ihre Mutter, will ein Auslandsjahr machen und ausziehen. Aber sie sagte mir, sie würde nicht gehen, wenn ich nicht wollte. Sie sieht mich ziemlich oft als Lösung ihrer Probleme, ihrer Einsamkeit. Wenn ich einkaufen gehe oder mit Freunden ausgehe, muss ich online bleiben und ihr schreiben. Dabei finde ich es ...dezent sehr nervig wenn man nicht auch etwas Abstand voneinander hat. Wir schreiben pausenlos. Selbst im Unterricht damals schrieb sie mir und sagte, dass ich es für sie nicht tun würde. Einst war sie sogar sehr traurig, als ich sagte, dass ich eines Tages heiraten möchte. (War ja nur ein Gedanke.) Es gab ebenso eine Phase, da war sie sauer auf mich, als ich mit meiner anderen Freundin (die sie nicht mag) mich traf. Sie insistierte ebenfalls, dass ich sie beste Freundin nenne. Dabei finde ich es kindisch. Ich kann doch drei Freunde haben ohne eine von ihnen Beste Freundin zu nennen.
Sie ist ein halbes Jahr für mich früher aufgestanden, um mich zur Uni zur begleiten, sie begleitet mich zu Klausuren und sie ist immer traurig, wenn ich in schlaflosen Nächten sie nicht wecke.
Außer mir hat sie auch keine Freunde. sie sagt auch, dass sie keine Energie für andere verschwenden will,sondern all ihre Kraft für mich aufsparen will. Dass ich alles bin was sie braucht. Aber ich sehe es nicht so. Ich sage ihr, dass sie soziale Kontakte braucht. Mehr Ausgang mit anderen, nicht nur mit mir. Doch sie hört nicht. Sofort hyperventiliert sie.
Selbst die kleinste Sache: Geschenke oder Ausflüge. Die Geschenke, die ich ihr mache, darf ich keinem anderen ebenso schenken. Die Ausflüge, die ich mit ihr machte, darf ich mit keinem anderen tun. Vorher war sie nicht so. Sie...ist die letzten zwei Jahre so geworden.
Sie ist auch ziemlich paradox. Wenn wir uns streiten, sagt sie, dass sie mir bei alles hilft und ich dann dennoch sage, dass sie nichts alleine schafft. Frage ich aber jemanden anderen, ob dieser mir hilft, ist sie beleidigt und fragt wieso ich sie nicht gefragt hätte.
Sie hat Angst vor dem Alleinsein, das kann ich verstehen. Irgendwie fürchtet man sich doch vor der Einsamkeit. Aber auch davor, dass sie nicht gebraucht wird. Ihre Mutter ist keine gute Stütze. Sie sagt, dass meine Freundin nichts hinbekommen würde und auch nie es alleine im Leben schaffen wird. Das alles, was sie an geld und zum leben braucht, von der Mutter ist weil sie es bezahlt. Dabei kocht, putzt, Arbeitet meine Freundin und wenn sie kocht, ist es nicht gut genug und wird nicht gegessen von der Mutter. Zudem die Mutter das Zimmer meiner Freundin durchsucht und ihr letztens eine Tüte Chips geklaut aus dem Zimmer, das sie aus eigener Tasche bezahlt hat. Sie muss alles alleine machen und ihr Vater ist jetzt auch nicht gerade ....ja ...der Beste.

Ich habe versucht es ihr zu erklären. Dass ich nicht die Lösung ihrer Probleme bin, sie hyperventiliert dann. Wird sauer und ja. Holt Sachen aus der Mottenkiste. Vorher war sie depressiv vor...einigen Jahren. Es müssten....puh fünf sein. Jetzt ist sie wenigstens was Selbstbewusster und geht raus, redet mit Menschen. Schlüge ich ihr vor zum Psychologen zu gehen, so würde sie denke ich sauer werden.
Sie sagt auch: Für dich würde ich mein letztes Geld geben. Und kauft mir immer so viel. Naja, ich finde es ok, wenn sie mir hier und da Mal tolles zu Weihnachten oder Geburtstag schenkt. Aber...uff....sie würde mir am liebsten die ganze Welt kaufen.
Wir stellten uns vor eine eigene Firma zu haben und sagte, ich kann ja meine zwei Freundr noch einstellen dann, weil sie sich damit auskennen. Ich sah die Abneigung in ihrem Gesicht.

Ich weiß weder ein noch aus. Vor oder zurück. Aus oder nicht aus. Mein Kopf platzt vor Denken.
Bitte! Ich brauche einen Rat!

Danke!

Lan Anwort von Lan

Liebe ALI-Chan,

danke, dass du uns geschrieben und uns dein Problem anvertraut hast.
Das klingt wirklich nach einer anspruchsvollen und schwierigen Freundschaft, von der du schreibst. Hut ab, dass du trotz aller Widrigkeiten zu deiner besten Freundin hälst, für sie da bist und trotzdem auch so viel Verständnis für sie zeigst. Es ist toll, was du machst und für sie da bist. Das würde vermutlich nicht jeder tun.

Deine beste Freundin scheint einige Baustellen in ihrem Leben und auch Schwierigkeiten mit sich selbst zu haben. Aber das darf und sollte kein Grund sein, dass du du weiter deine eigenen Bedürfnisse verdrängst und nur für sie da bist.
Auf Dauer kann das nicht gut gehen, wenn deine Freundin so anhänglich ist und sich nur auf dich fokussierst, während du dich auch nach Abstand und Freiraum und anderen Freunden sehnst.


Was steckt hinter dieser Abhängigkeit?

Du schreibst, dass sie ihre ganze Energie nur auf dich aufwenden willst. Vielleicht kannst du sie noch einmal darauf ansprechen und fragen, warum das so ist. Ergründet gemeinsam, was die Ursache für dieses Verhalten ist und mit welchen Ängsten sie zu kämpfen und warum sie so sehr klammert. Wenn du das sehr sensible Thema mit ihr besprichst, versuch ruhig und gelassen zu sein und auch Verständnis für sie zu zeigen. Mache ihr aber auch gleichzeitig bewusst, welchem Druck du ausgesetzt bist und dass du dir wünscht, dass sich das verändert, weil du sonst darunter leiden würdest.

So wie du es beschreibst, denke ich, dass sie einfach gebraucht werden will und sie daher auch so viel Bestätigung sucht. Sie hat mit Einsamkeit zu kämpfen und versucht dies zu mit dir zu kompensieren. Dabei macht sie vermutlich ihr eigenes Glück von dir abhängig, was ich bedenklich finde. Sie versucht aber auch keine anderen Wege, um die Einsamkeit zu überwinden.
Vermutlich hat es etwas mit ihrer Familie zu tun, von der sie eben nicht das Gefühl bekommt, gebraucht und gewollt zu werden. Und wahrscheinlich überträgt sie eben diese Sehnsucht und das Bedürfnis auf dich. Wäre es vielleicht möglich, wenn du mit ihr darüber sprichst und sie dazu motivierst, mit ihrer Familie darüber zu sprechen?

Du schreibst, dass sie nicht immer so war, sondern erst seit zwei Jahren. Weißt du vielleicht, was in den letzten zwei Jahren passiert ist? Gab es da etwas, weswegen sie sich so verändert hat?


Über Freundschaft und Bedürfnisse reden

Ihr beide habt vermutlich ein ganz unterschiedliches Bedürfnis nach Nähe und Distanz, was erst einmal nichts schlimmes bedeutet. Ihr seid eben unterschiedlich und das solltest du deiner Freundin auch deutlich machen. Ich denke auch, dass es in jeder Beziehung oder Freundschaft wichtig ist, einen Kompromiss zu finden und eine gesunde Balance zwischen Nähe und Distanz. Bei euch beiden sehe ich eher ein gestörtes Verhältnis und deine Unzufriedenheit, weil du Abstand brauchst. Sie vereinnahmt dich sehr, du scheinst kaum Zeit für dich und andere Dinge und Menschen zu haben. Das geht auch in einer besten Freundschaft nicht. Sie hat dazu kein Recht, schließlich werden da deine Bedürfnisse und Grenzen übergangen, finde ich. Eine Freundschaft sollte ausgeglichen sein und dass man sich gegenseitig bereichert und Spaß zusammen hat. Ich denke aber, dass dich die Freundschaft sehr beansprucht, viel Zeit und Energie kostet und dich das womöglich auch auslaugt? Eine sehr besitzergreifende Freundin will viel Aufmerksamkeit und Liebe und das kann bei dir zu großem Druck und großen Erwartungen führen. Das bedrückt dich vermutlich auch.

Ich denke, dass du das schon ganz richtig machst, ihr deine Sicht erklärst und ihr Möglichkeiten aufzeigst, wie eure Freundschaft besser verlaufen kann. Dass sie dann immer hyperventiliert ist nicht gut, aber du darfst dich davon nicht abschrecken lassen. Das ist vermutlich eine Art Schutzmechanismus. Sie will das nicht hören, sie will vermutlich, dass es so bleibt, wie es ist. Aber das kannst und solltest du nicht zulassen, wenn du mit der Situation unzufrieden bist. Auch wenn es dir schwer fällt, versuche sie weiter darauf anzusprechen, dass du mit ihrer Anhänglichkeit nicht mehr leben willst und sich eure Freundschaft ändern sollte, weil dir das ansonsten zu viel wird.

Bitte mach ihr deutlich, dass du sie sehr gern hast, sie deine beste Freundin ist, auch wenn du mal Zeit für dich brauchst oder dich mit anderen triffst. Sage ihr, dass sie keine Angst haben braucht, dass sie dich verliert.
Ich kann nur sagen, dass es wichtig ist, dass du das Gespräch zu ihr suchst und ihr so ruhig und sanft wie möglich erklärst, wie es sich für dich anfühlt, wenn sie so eifersüchtig ist und sie so klammert.

Habe ich das richtig verstanden, dass du ihr noch nicht direkt vorgeschlagen hast, einen Psychologen aufzusuchen? Ich denke, dass du das ruhig ansprechen und ihr die Vorteile aufzeigen kannst. Vielleicht kannst du sie ja auch dorthin begleiten, um ihr die Angst zu nehmen.


Für Freiräume einstehen

Mache dir deutlich, dass du immer noch mit ihr befreundet sein willst, aber auf Dauer einfach auch Zeit für dich brauchst und Freiräume. Was aber nicht bedeutet, dass sie dir eben nicht wichtig ist. Es wäre gut, wenn du da vor allem bei dir bleibst und so sprichst, wie du dich fühlst, was das alles mit dir macht und sie fragst, wie sie darüber denkt und fühlt. Was für eine Freundschaft willst du führen? Was ist dir wichtig? Was stellt sie sich unter einer guten besten Freundschaft vor? Welche Bedürfnisse hat sie? Wie könnt ihr einen Kompromiss finden, mit dem ihr beide gut leben könnt?

Ich denke, dass du da schon in einer richtigen Richtung bist, die Freundschaft reflektierst und sie auch dazu ermutigst, andere Kontakte zu suchen. Da kann ich nur sagen: Weiter so! Bleib dran und mache ihr deutlich, welche Vorteile es für euch beide haben kann, wenn der Druck nicht nur auf dir lastet.


Grenzen setzen und Nein sagen

Auch wenn du für deine beste Freundin da sein willst, musst du auch lernen mal "nein" zu sagen, um deine Grenzen zu wahren. Wenn du etwas nicht willst oder etwas anders haben willst, kommuniziere das klar und deutlich und bitte um ihr Verständnis. Eine Freundschaft, die dich emotional unter Druck setzt, tut dir nicht gut. Wenn sie also die Abhängigkeit nicht vermindern willst, musst du es für dich selbst tun, indem du ab und zu mal eben auch mal nein sagst. Ihr seid zwar beste Freundinnen, aber mach dir trotzdem bewusst, dass du nicht für sie verantwortlich bist und sie ihr Leben selbst auf die Reihe kriegen muss. Du kannst nicht die Lösung für all ihre Probleme sein und du sollst auch nicht ihre Probleme lösen, bitte mach dir das bewusst. Du kannst ihr beratend zur Seite stehen und sie unterstützen, aber am Ende muss sie ihre Probleme lösen.

Du solltest offen und ehrlich mit ihr darüber sprechen, was du nicht akzeptieren und womit du nicht leben willst, unter anderem, dass du ständig mit ihr schreiben musst. Eine Freundschaft sollte nicht aus Zwängen oder Pflichten bestehen, ihr seid freiwillig miteinander befreundet. Oder das ihr ständig miteinander schreibt, wenn du mal woanders bist.

Es tut dir nicht gut, wenn du sozusagen "gezwungen" wirst, ständig mit ihr im Kontakt zu sein. Auch wenn sie deine beste Freundin ist, musst du ihr da Grenzen setzen. Denn so kannst du dich weder richtig auf deine eigenen Freunde und Aktivitäten konzentrieren noch auf sie. Vielleicht könnt ihr darüber sprechen, dass dich das belastet und du aber trotzdem eben Zeit für sie aber auch für anderes finden willst. Ihr könntet vielleicht andere Zeiten vereinbaren, wo du komplett für sie da bist, ob online oder eben persönlich.


Neue soziale Kontakte knüpfen

Ich denke, dass du als beste Freundin einiges tun kannst, um sie von der Abhängigkeit ein wenig loszubekommen. Schlag ihr doch mal vor, dass ihr mal gemeinsam einem Hobby nachgeht. Vielleicht geht ihr mal in einen Verein, unternehmt etwas, was euch Spaß macht und wo man vielleicht noch andere Mädels in eurem Alter kennenlernen kann. Oder du triffst dich mit ihr und noch einigen anderen, so könnte sie auch deine Freundinnen kennenlernen und vielleicht jemanden, mit dem sie sich auch besser versteht.

Ich denke, dass es ihr vielleicht auch gut tun könnte, sich ehrenamtlich im sozialen Bereich zu engagieren. Das würde ihr Selbstwertgefühl steigern, sie hätte das Gefühl gebraucht zu werden, würde etwas tun, was ihr Leben Sinn stiften könnte. Vielleicht könntet ihr das ja auch zuerst mal zu zweit in Angriff nehmen, wenn sie sich davor scheut, etwas allein zu machen.


Auslandsjahr als Chance

Vielleicht wäre es gar nicht mal so schlecht, wenn sie ein Auslandsjahr macht und ihr damit auch einen gesunden Abstand gewinnt. Ich sehe das als große Chance für sie an, eigenständig zu werden, von ihrer Abhängigkeit von dir etwas loszukommen und ihren eigenen Weg zu gehen. Dort ist sie auf sich allein gestellt, wird aber auch neue Leute kennenlernen und vielleicht auch Freundschaften schließen. Wenn du das auch so siehst und damit leben kannst, wenn sie ein Auslandsjahr macht, dann ermutige sie doch ruhig, dies auch zu machen.


Du kannst dir Hilfe suchen

Du sollst wissen, dass du nicht allein mit dem Problem zurecht kommen musst. Hast du vielleicht auch andere Freunde, mit denen du damit reden kannst? Das könnte dir auch helfen. Du kannst dir außerdem, wenn du nicht mehr weiter weißt und auch selbst unter der Freundschaft leidest, Hilfe suchen. Bitte achte auf dein Wohlbefinden und dass es dir auch gut damit geht. Wenn das nicht so ist, kannst du auch nicht für deine Freundin da sein.

So empfehle ich dir als Akut-Ratgeber die Nummer gegen Kummer (116 111 oder unter https://www.nummergegenkummer.de/und die Telefonseelsorge (0800.1110111 oder 0800.110222 oder unter der Webseite https://www.telefonseelsorge.de). Diese wahren Anonymität, wodurch es leichter werden kann, die Hilfe zu suchen. Die Berater können gut einschätzen, welche Hilfe notwendig ist.

Wenn dir das alles wirklich zu viel werden sollte und sie einfach nichts ändern will, obwohl ihr miteinander darüber gesprochen habt, sehe ich nur einen Weg: Distanziere dich von ihr, nimm Abstand, dir zuliebe! Denn was nützt es, wenn du unter der Freundschaft leidest, weil du eingeengt und vielleicht unterdrückt wirst. Darunter leidet dein Wohlbefinden und deine Gesundheit. Vielleicht wirst du denken, dass es egoistisch wäre, wenn du sie dann im Stich lässt. Aber das tust du nicht, du hast versucht ihr zu helfen, aber wenn sie sich nicht selbst helfen lässt, kannst du da leider nichts machen. Auch wenn ihr beste Freundinnen zeigt, bedeutet das nicht, dass sie einfach tun kann, was sie will und sie darf auch nicht deine Bedürfnisse einfach so ignorieren und etwas gegen deinen Willen tun. Auch wenn sie Probleme mit sich und ihrem Leben hat und auch depressiv war. Das ist alles sehr traurig und schwer zu ertragen, aber du darfst und solltest dich für sie nicht so aufopfern und musst auch auf deine Bedürfnisse achten. Du hast das vermutlich lange genug mitgemacht und deine Bedürfnisse hinten an gestellt, um für sie da zu sein. Das ist wunderbar von dir, sie kann dankbar sein, eine solche beste Freundin zu machen. Aber irgendwann muss damit auch Schluss sein, wenn du zu sehr darunter leidest und keine Besserung siehst.

Ich wünsche mir von Herzen, dass ihr beide einen Kompromiss findet und an eurer Freundschaft arbeiten könnt, damit sie auch weiterhin bestehen bleibt. Du kannst mir wann immer du willst schreiben, wenn du Hilfe brauchst, Fragen hast oder einfach nur schreiben möchtest. Ich bin für dich da.

Viele Grüße,
Lan