Problem von Anonym - 37 Jahre

Rhetorische Niveau Differenzen / Schwierigkeiten mit Intellekt

Liebes KUKA Team,
bevor ich Euch mit meinem Anliegen vertraut mache ein Lob an Euch. Ihr macht eine sehr gute Arbeit. Weiter so! über mein Problem" Gewissensbisse wegen Knutscherei am Arbeitsplatz" bin ich drüber weg. Die Situation entwickelte sich dahingehend, dass die Dame schon eine ganze ganze Weile mit dem Erzeuger ihres Kindes zusammen lebt. In einer anderen Stadt. Somit habe ich keinen Kontakt mehr zu ihr und genug Abstand. Aus den Augen aus dem Sinn, sozusagen

Nun aber zu meinem aktuellen Problem.
Ich habe Schwierigkeiten mit dem Intellekt in meinem Freundeskreis. Also der Stufe auf der kommuniziert wird. Ich habe mir im Laufe der Jahre angewöhnt mich gewählt auszudrücken, ihr merkt es wahrscheinlich daran wie ich schreibe, ich bemühe mich um eine reife und sachliche Ausdrucksweise, mit etwas Weitblick und Verständlichkeit. Nun ist es so, dass ich mich hiermit im Freundeskreis nicht wohlfühle. Da die Leute im selben Jargon oder Wortwahl mit mir sprechen wie damals in der 9. Klasse , also genau auf diesem Niveau. Wenn ich ihnen etwas erzähle, dann bin ich gezwungen die Dinge bildlich oder anschaulich zu erklären, in einem Jargon der in ihren Augen nicht abgehoben und " Neunmalklug" erscheint und auch in ihren Horizont passt. Die Leute in meinem Freundeskreis haben sich im Vergleich zu mir weiter entwickelt in ihrem Lebensweg als ich seither. (Beruflich, Privat, im Wesen) eigentlich müssten sie es auch in ihrer persönlichen Sprachkultur. Aber dem ist nicht so.

Andererseits habe ich das Glück zum Teil auch im Freundeskreis meines Bruders integriert zu sein. Im selbigen fühle ich mich wohler. Denn dort bin ich, den Intellekt angehend mit dem Umfeld beinahe auf einer Stufe. Die Leute besitzen einen anderen weiteren, geistigen und rhetorischen Horizont mit dem ich besser und leichter Umgehe und mich darauf einlasse. ( Sie haben eine andere Schulbildung, viele sind akademisch gebildet, Emphatischer, so mein empfinden). Es sind tiefgründige Gespräche möglich Also um es einfacher auszudrücken, ich kann mit ihnen besser als mit meinem Freundeskreis.

Wenige Wochen vor Corona merkte ich mal wieder den " Niveau-Unterschied" quasi am eigenen Leib. Einen Abend war ich zu einer Feier im Freundeskreis meines Bruders eingeladen. Ein paar Tage Später zu einer Feierlichkeit in meinem Freundeskreis. Es war für mich ein Unterschied wie Tag und Nacht.
Also ich langweilte mich bei der Feier in meinem Freundeskreis, weil sich zwischen den übrigen Anwesenden und mir nicht mal von mir aus gehender Smalltalk (weiter)entwickelte. Während der spärlichen Unterhaltungen fühlte ich mich dann gezwungen meine Ausdrucksweise auf"Stammtisch-Niveau" herunter zu schmälern, damit man mich verstand und ich nicht als Hochnäsig oder Intelligenzbolzen abgestempelt werde und man mich meidet.

Was kann ich tun damit damit ich zwischen den Niveaus nicht hin und her switchen muss sondern meine Linie beibehalte ?

Nuala Anwort von Nuala

Hallo du!

Ich wollte deine Zuschrift eigentlich sehr viel früher beantworten, entschuldige bitte diese Verspätung!

Ich könnte meine Antwort folgendermaßen zusammenfassen: Reflektiere, was wahre Freund:innenschaft für dich bedeutet, ob du wirklich echte Freund:innen im aktuellen "Freundes"kreis hast und wenn Nein, warum du nicht schon längst zu neuen Ufern aufgebrochen bist.

Ich möchte aber schon ein paar Worte mehr verlieren.
Zunächst: Bildungsstand, Empathie und Ausdrucksvermögen hängen nicht notwendigerweise zusammen. Das fest anzunehmen ist leider im Bereich der Vorurteile anzusiedeln.
In deiner Situation nimmst du eben genau diesen "Dreiklang" wahr, was aber nicht bedeutet, dass du dich in einem anderen Kreis von z.B. nichtstudierten Personen nicht sehr wohlfühlen könntest. Ein Mensch kann hochgebildet, aber ohne akademischen Abschluss sein. Eine Person kann ein abgeschlossenes Studium haben und sich verbal/sozial/emotional wie die Axt im Wald benehmen. Eine Person kann wie die "letzte Kartoffel" daherreden und gleichzeitig einen hohen IQ haben. Die Kombinationsmöglichkeiten sind vielgestaltig.

Die Frage ist ja, warum sollte man sich stets gewählt ausdrücken (wollen)? Du kannst ich einmal fragen, ob dir dein Ego nicht auch reinpfuscht.
Ein gewählter Ausdruck ist nicht pauschal aussagekräftig!
(Ich habe z.B. schon alles erlebt - Leute, die ihre privaten Nachrichten innerhalb sozialer Netzwerke super eloquent geschrieben hatten, jedoch beim Treffen dann plump und derb auf mich wirkten - aber das so Schwarz-Weiß gegenüberzustellen finde ich seltsam. Da kommen definitiv einige Aspekte und Ebenen zusammen.)

Ich sehe den Knackpunkt vor allem darin, dass du dich offenbar ganz grundlegend fremd in diesem Menschenkreis fühlst - es scheint dir an verbindlichen Bindungen und Vertrautheiten zu mangeln. Solltest du diese haben, dann wäre die Qualität zu prüfen, also wie erfüllt, aufgehoben und verstanden du dich fühlst. Und laut deiner Beschreibung trifft das alles kaum zu.
Wir suchen uns ja die Menschen auch aus, mit denen wir gerne Freizeit verbringen wollen. Demzufolge solltest du lernen, dich von deinen alten Bekanntschaften zu emanzipieren und gezielt Kontakt mit Personen zu knüpfen, mit denen du dich aufgrund bestimmter Merkmale gut verstehst. Ob du das am rhetorischen Niveau festmachen solltest, wage ich eher zu bezweifeln, aber das kannst du ja für dich herausfinden.
Wichtig ist ja, dass du schon einen Kreis erlebt hast, in dem es anders zugeht. Folglich solltest du dich dahin orientieren und nach und nach mehr mit diesen Leuten unternehmen. So können echte Freund:innenschaften entstehen (müssen aber nicht - solche Prozesse sind sehr komplex und eben nicht auf bestimmte Größen zu reduzieren).

Du musst dem "alten" Freundeskreis ja nicht komplett den Rücken zukehren. Du kannst dir sehr wohl überlegen, was dir an (ausgewählten) Treffen und Aktivitäten zusagt und diese dann einfach genießen, ohne eine "Bewertungsschablone" über die jeweiligen Menschen zu legen. Es geht ja darum, ob man sich grundsätzlich wohlgesonnen ist und z.B. zusammen bestimmten Interessen nachgehen kann!

Genauso wesentlich finde ich es, dass du dir selbst treu bleibst und so sprichst, wie es zu dir passt. Damit meine ich, dass du nicht aus einer Verstandesvorstellung heraus redest, sondern so, wie es "aus dir herausmöchte". Das ist ein bedeutender Unterschied! Also ob du ein natürliches (und lange Zeit unterdrücktes) Bedürfnis nach bedachter und gewählter Artikulation hast oder meinst, du seist - jetzt einmal sehr hart formuliert - etwas Besseres, nur weil du anders sprichst. Und ja, vielleicht pieksen dich da die Leute an, weil ihnen so etwas auffällt. Tu' das bitte nicht ab als Diffamierung, sondern sieh' es als Einladung, dich selbst und deine inneren Bilder, Werte und Glaubenssätze zu erforschen.

Freund:innenschaft ist in meinen Augen etwas, was jenseits von einer bestimmten Art von Sprache funktioniert. Was nicht meint, dass es nebensächlich sei oder du nicht darauf achten solltest, wenn dir das so wichtig ist. Doch sollte es niemals den Zugang zu deiner "Herzenswahrheit" verstellen und somit den Blick trüben, mit wem du wirklich harmonierst und warum. Denn letztlich kannst du auch eine innige Freund:innenschaft mit jemandem pflegen, der:die ganz anders spricht als du. Genauso kann eine "geteilte" Sprache der Anfang einer ganzen Entdeckungsreihe von Gemeinsamkeiten und ersten Anknüpfungspunkten bilden.
Wir haben ja auch selten einen Menschen für alles - es ist gut und richtig, bestimmte Persönlichkeitsanteile, Hobbies, Einstellungen und Freizeitbeschäftigungen mit unterschiedlichen Personen zu teilen. Folglich ist es auch normal, dass diese auf verschiedene Weise zu deinen Bedürfnissen passen werden. Manche lassen dich vielleicht in puncto Ausdrucksvermögen verzückt sein, teilen aber kaum deine Werte im Bereich X.
Du kannst im Freundeskreis deines Bruders ja fokussiert herausfinden, mit wem sich engere Kontaktoptionen herauskristallisieren. Vieles ergibt sich auch einfach - und dann solltest du nicht danach gehen, wie jemand etwas formuliert. Jedenfalls nicht kategorisch nach dem Motto: Mit dir will ich nicht befreundet sein.

Nimm dieses Thema gerne auch zum Anlass, mit den Menschen - vielleicht aus beiden Freundeskreisen - in den Dialog zu treten. Vielleicht wirst du überrascht sein, wie bodenständig es sich über bestimmte Wahrnehmungen reden lässt, wenn bestimmte Erwartungen, Filter und Vorurteile wegfallen bzw. als solche erkannt werden konnten.

Und zu guter Letzt möchte ich dir noch den Impuls mitgeben, dich auch abseits der schon vorhandenen Bekanntenkreise nach zu dir passenden Leuten umzusehen. Sei es durch geteilte Interessen, ein Ehrenamt, ein Projekt, etc.

Ich grüße dich herzlich!
Nuala