Problem von Annika - 28 Jahre

Toxische Mutterbeziehung

Ist das Verhalten normal?
Aufgrund Trennung meines Freundes wohne ich übergangsweise für einige Monate bei der Mutter im Haus. Dies war eine absolute Notlösung, da nichts anderes auf die schnelle möglich war. Angeboten hatte sie es.
Das Verhältnis zwischen uns war immer schlecht. Sie ist als kühl, streitsüchtig, kontrollsüchtig und streng zu bezeichnen, ihre Art ist anstrengend und verletzend. Auf der anderen Seite sehr kümmernd, bsp. kocht sie gern für alle, nimmt viel ab etc.
Extrem widersprüchlich.
Einige Vorfälle haben mich sehr verletzt ,da ihr Verhalten empathielos erscheint, als Beispiel: Mir ist eine Tasse Kaffee aus Versehen umgekippt, unter anderem auf die Beine . Da der Kaffee frisch gebrüht war, tat dies dementsprechend weh, da ich nur eine leichte Sommerhose trug. Sie interessierte nur der Teppich und schrie mich in einer Tour an. Keine Frage, ob ich mir wehgetan habe. Als ihr dies mitteilte, ging es los. Dann ist sie eingeschnappt und redet stundenlang nicht mit einem. Zuletzt ist man dann an allem schuld und soll sich bei ihr entschuldigen... Für eine Sache, die eigentlich keiner Diskussion würdig ist.
Diese Spiele passieren wahnsinnig oft in allen möglichen Varianten und zermürben, nach diesen Attacken fühlt man sich wie Dreck. Besonders das lange ignorieren nachdem sie austeilte ist die Hölle. Als ich nach stundenlanger Auseinandersetzung einmal aus Verzweiflung und Kraftlosigkeit schon suizidale Gedanken bekam und dies mitteilte, war ihr Satz dazu: " Dann musst du es bitte tun".
Sie wertet extrem ab und streitet stundenlang, danach 2 Tage Pause und die nächste Eskalation kommt. Dazu mischt sie sich in alle Beziehungen meinerseits ein, akzeptiert keine Grenze. Was sie will, wird gnadenlos durchgezogen mit Drohungen, schlechtmachen bzw. Abwertung.
Es sind keine " normalen" Konflikte mehr, der Rahmen wird völlig überschritten.
Von selbst habe ich in meiner Tiefstimmung diese Thematik recherchiert und kam auf den Begriff Narzissmus. Alle Punkte treffen zu, jedoch bin ich mir unsicher.
Dass etwas völlig in die falsche Richtung läuft, ist mir bereits lange klar.
Ich zerbreche und habe keine Lust und Stärke mehr auf diese Machtspiele. Was ist das?

Lan Anwort von Lan

Liebe Annika,

schön, dass du uns geschrieben hast.

Das erschüttert mich sehr, was du uns beschrieben hast. Für mich klingt das definitiv nicht nach einem normalen Verhalten. Auch diese Zwischenfälle sind ja wirklich erschreckend und wie empathielos deine Mutter darauf reagiert hat, gibt mir zu Bedenken. Aus meiner Sicht klingt das definitiv nicht nach einem normalen Verhalten und auch nicht nach einer gesunden Beziehung, die ihr führt.

Allerdings kann ich dir leider nicht sagen, wie genau man das Verhalten deiner Mutter bezeichnen oder deuten sollte. Dafür bin ich leider nicht geschult und könnte daher erst recht leider keine Ferndiagnosen machen. Ich werde trotzdem im weiteren Text von Narzissmus ausgehen und reden. Ob es sich wirklich um Narzissmus handelt, müsste jedoch von einem Therapeuten geklärt werden. Ich will damit auf keinen Fall in Frage stellen, wie du deine Mutter erfährst und erlebst.

Was aber feststeht, ist, dass ihr wirklich ein schwieriges Verhältnis zueinander habt und auch das Verhalten deiner Mutter sehr widersprüchlich und schwierig erscheint.
Es tut mir sehr leid zu lesen, dass du so sehr darunter leidest. Das kann einen auch wirklich sehr belasten. Das macht ja auch viel mit dir und macht dich richtig fertig, das kann ich mir vorstellen. Lange kannst du das nicht mehr aushalten, wobei ich ich frage, wie du es überhaupt so lange mit ihr ertragen konntest. War sie schon immer so?


Gespräch suchen

Das erste was ich dir raten würde, ist, dass Gespräch nochmal zu suchen und zu schauen, ob sie mit sich reden lässt. Vielleicht eher in einer Situation, in der ihr vielleicht etwas friedlicher miteinander umgehen könnt, wenn das möglich ist. Versuche sie nochmal darauf anzusprechen in einem ruhigen und einfühlsamen Ton, dass es dich sehr belastet und du dir eigentlich vielleicht wünscht, besser mit ihr zurechtzukommen.
Bleibe vor allem bei dir, ohne ihr Schuldzuweisungen zu machen. Sprich nur über das, was du denkst und wie du dich fühlst, was du dir wünscht.

So zeigst du ihr, dass du Frieden schließen und sie auch besser verstehen lernen willst. Mit Gesprächen mag man nicht immer alle Probleme lösen können, aber es hilft, die Distanz abzubauen und sich näher zu kommen. Voraussetzung ist aber, dass sie das auch zulässt und bereit für klärende Gespräche ist.


Familientherapeuten oder Familienberatungsstelle aufsuchen

Sollte das unter vier Augen nicht klappen, könntest du überlegen, einen Familientherapeuten oder eine Familienberatungsstelle hinzuzuziehen. Du kannst erstmal vielleicht auch allein dort hin gehen und denen das schildern, wie es bei dir Zuhause ist. Die Experten dort sind geschult für solche Probleme und können sicherlich weitere Wege aufzeigen, was du tun kannst. Du bist auf alle Fälle nicht allein mit dem Problem und kannst dich denen auch anvertrauen.


Auf Abstand gehen oder Kontaktabbruch

Falls das nicht helfen sollte, wäre es vermutlich am besten, den Kontakt so gering we möglich zu halten. Sollte deine Mutter wirklich narzisstisch veranlagt sein, könnte es helfen, ihr so wenig Informationen zu geben und Emotionen zu zeigen. Das bietet ihr weniger Angriffsfläche und du wirst in ihren Augen nicht mehr interessant genug, um sich intensiver mit dir zu befassen. Halte jegliches Gespräch so kurz wie möglich. Wenn du nicht reden musst, tue es auch nicht. Gib ihr möglichst keine Aufmerksamkeit, stelle keine Fragen. Und lasse dich auf keine Diskussionen ein. Zeige wenn möglich so wenige Emotionen wie es nur geht.

Das mag zunächst sehr hart klingen, aber wenn eben jeglicher Annäherungsversuch scheitert und sie nicht mit dir reden und sich ändern will, hilft oftmals nur die harte Tour. Das ist vor allem eben für dich wichtig, um dich vor weiteren Attacken und Erniedrigungen zu schützen. Du musst dir auch kein schlechtes Gewissen machen, da du ja versucht hast, an sie ranzukommen.

Wenn das weiter so geht und du es nicht aushälst, könntest du vielleicht trotzdem versuchen, bei jemand anderem übergangsweise unterzukommen? Gibt es andere Freunde oder Bekannte? Oder wie wäre es mit einer WG oder einem günstigen Zimmer?

Wenn auch das nicht klappen sollte, hilft vermutlich nur noch der Kontaktabbruch, was wohl wirklich der letzte Ausweg ist. Ich hoffe aber natürlich, dass sich das vermeiden lässt. Aber wenn dir wirklich jeglicher Kontakt zu deiner Mutter zu viel wird und du merkst, dass sie dir eigentlich wirklich nur noch schadet und du eigentlich nichts Positives an der Beziehung zu ihr findest, dann wäre das vermutlich das beste vor allem für dich, um dich selbst zu schützen.

Am Ende musst du für dich entscheiden, wie du mit deiner Mutter umgehen willst. Willst du eine Beziehung mit ihr haben oder willst du dich lieber distanzieren?

So hart es klingen mag, aber deine Mutter wirst du vermutlich von allein nicht ändern können. Das muss sie selbst schaffen. Was du aber tun kannst, ist, zu lernen, diese Attacken nicht mehr so nah an dich heranzulassen. Als Kind warst du dem vielleicht schutzlos ausgeliefert, wolltest unbedingt geliebt werden. Vielleicht ist das heute immer noch so. Aber inzwischen bist du erwachsen geworden, kannst auf eigenen Beinen stehen, hast dein Leben und kannst dich von deiner Mutter lösen.


Du bist liebenswert

Was du nicht vergessen solltest: Du bist wertvoll und genug, so wie du bist. Deine Mutter hat dir etwas anderes eingeredet, dich ständig abgewertet, dich schlecht behandelt, nicht respektiert und wertgeschätzt. Das muss sehr hart für dich gewesen sein, mit so einer Mutter aufzuwachsen. Das hat dich sicherlich sehr verletzt und belastet. Aber das, was sie eben zu dir sagte, das war, weil sie ein Problem eher mit sich hat. Du bist nicht das Problem und du solltest dich auch nicht verantwortlich dafür sehen, wie sich deine Mutter verhält. Du bist jemand, der es verdient hat, geliebt zu werden und wertgeschätzt zu werden. Du bist ganz sicher ein toller Mensch, bitte glaub mir das. Und wenn du es selbst nicht glauben kannst, dann versuche dir das trotzdem immer wieder zu sagen: "Ich bin gut, wie ich bin, egal was meine Mutter sagt." Das mag anfangs komisch wirken, aber je öfter du es dir selbst sagst, desto mehr glaubst du es auch.
Was du dir auch bewusst sein solltest: Egal, wie sehr du dich anstrengst und versuchst, alles richtig zu machen, in den Augen deiner Mutter wird es nie erreichen. Das ist bei Menschen mit narzisstischer Veranlagung oftmals so.

Wichtig wäre für dich als Tochter einer wahrscheinlich narzisstischen Mutter, dass du Selbstliebe praktizierst. Dein Selbstbewusstsein hat vermutlich gelitten. Und vielleicht fällt es dir schwer, etwas Gutes an dir zu sehen, wenn dich deine Mutter immer so abwertet. Du hast Ecken und Kanten, machst mal was falsch, aber na und? Niemand ist perfekt. Selbstliebe bedeutet, dass du dich eben liebevoll ansiehst und annimmst auch mit deinen Ecken und Kanten. Du brauchst auch nicht immer alles zu geben und grandios zu sein. Es reicht schon, dass du bist. Genauso wie du bist.

Du könntest den Fokus auf dich selbst setzen, wenn du es früher nicht getan hast. Finde heraus, was an dir gut und liebenswert ist. Und stelle dir auch folgende Frage:

Wie viel Aufmerksamkeit schenke ich mir selbst?
Wie wichtig nehme ich mich selbst?
Wie gut sorge ich mich um mich selbst?
Wie gut denke ich über mich selbst?
Fühle ich mich liebenswert?
Bin ich mir selbst mein bester Freund?
Habe ich ein intimes Verhältnis zu mir selbst?
Wann habe ich mich das letzte Mal selbst gelobt?
Wann habe ich das letzte Mal etwas getan, was ich mir von Herzen gewünscht habe?

Du hast sehr unter deiner Mutter gelitten und tust es immer noch. Darum brauchst du vor allem Zeit für dich. Widme dich wieder mehr deinem Leben, tue dir Gutes. Höre auf deine Bedürfnisse, behandle dich gut und folge deiner inneren Stimme.


Sprich mit anderen darüber

Hast du jemanden mit dem du darüber reden kannst, vielleicht gute Freunde? Oder andere Familienmitglieder, die deine Mutter gut kennen? Vertraue dich ihnen an, lass das nicht alles bei dir. Das kann ganz schön belastend sein. Reden kann unglaublich entlastend sein. Selbst wenn es die Probleme nicht löst, kann es dir Erleichterung verschaffen, du findest Trost und Unterstützung, dass kann dir selbst viel Kraft geben, weiterzumachen und dich nicht unterkriegen zu lassen.


Professionelle Hilfe

Vielleicht wäre es auch nicht schlecht, einen Therapeuten aufzusuchen und mit ihm darüber zu sprechen. Wenn du schon so lange unter deiner Mutter leidest, kann das durchaus auch Spuren in deiner Psyche hinterlassen. Da gibt es vielleicht viel aufzuarbeiten, was du allein nicht schaffen kannst. Das ist aber total in Ordnung. Es ist keine Schande, sich an einen Therapeuten zu wenden. Es geht schließlich auch sehr um dein Wohlbefinden und eben deine Psyche. Du schreibst selbst, dass dich das unglaublich fertig macht und du sogar an Suizid gedacht hast. Das ist etwas, was du auch ernst nehmen solltest, ein Zeichen, dass du handeln und dir Hilfe suchen solltest. Ein Therapeut kann dir sicherlich auch noch mehr helfen und dir sagen, was du tun kannst, um besser mit deiner Mutter klarzukommen.
Das ist aber nur ein Vorschlag von mir, ob du das machst, liegt bei dir. Höre mal in dich hinein und schau, ob du das vielleicht brauchst oder auch nicht.

Für mich klingt das alles auch sehr nach psychischer Gewalt, die ebenso sehr belasten kann. Darum könntest du dich auch immer an das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" wenden, die du unter der Rufnummer 08000 116 016 an 365 Tagen im Jahr, zu jeder Uhrzeit, anonym und kostenlos erreichst. Oder du nutzt die Telefonseelsorge, die rund um die Uhr unter 0800 111 0111 oder 0800 111 0222 erreichbar ist.
Eine andere Anlaufstelle wären Frauenberatungsstellen in deiner Nähe: https://www.frauen-gegen-gewalt.de/de/aktuelles.html

Vielleicht gibt es bei dir auch eine Selbsthilfegruppe, in der Betroffene zusammenfinden, die selbst narzisstische Partner oder Eltern haben.

Ich habe dir noch einmal paar interessante weiterführende Links zusammengestellt. Du kannst gern mal reinschauen und weitere Anregungen finden:

https://umgang-mit-narzissten.de/hilfe-im-umgang-mit-narzissten/
https://lebeundwachse.de/narzisstische-mutter/
https://www.minimenschlein.de/gedanken/gastbeitrag-ich-bin-die-tochter-einer-narzisstischen-mutter/
https://www.gofeminin.de/mein-leben/narzisstische-mutter-s4024204.html
https://mein-kummerkasten.de/332837/Meine-Mutter-macht-mich-krank.html
https://maedchenarbeit-stuttgart.com/2019/08/27/toechter-narzistischer-muetter-meine-mutrer-hat-mir-vorenthalten-mich-zu-lieben/


Liebe Annika, ich wünsche mir für dich von Herzen, dass du die Liebe in dir selbst findest und lernst, dich von deiner Mutter zu lösen. Gib dir das, was dir deine Mutter die ganzen Jahre nicht geben konnte. Ich kann dir leider kein Patentrezept um Umgang mit deiner Mutter geben, nur Anregungen, die dir hoffentlich trotzdem helfen können. Höre auf deine innere Stimme, sie wird dir sagen, was zu tun ist. Und bitte suche dir Hilfe und nimm sie unbedingt an. Denk an dich und tue es für dich.

Liebe Grüße,
Lan