Problem von Anonym - 29 Jahre

Panik vor Arztbesuch

Hallo,

Ich weiß nicht, ob der Kummerkasten überhaupt der richtige Platz hierfür ist - aber möchte dennoch eine Frage stellen.

Hintergrund: Es ist etwas passiert. Viel sogar. Als ich noch Kind war - aber eben vor allem auch vor ein paar Monaten. Ansprechpartner habe ich nicht - und ist auch erstmal nicht möglich, da ich noch in der Probezeit bin. Ist nur in dem Sinne problematisch gerade, weil Flashbacks, Albträume, etc. Und wirklich darüber reden/schreiben schaffe ich nicht - als Kontext hier nur Stichwort sexuelle Übergriffe ...

Und jetzt bin ich umgezogen - und habe das eh schon wegen Kindheitssachen ewig aufgeschoben - aber mir ist schon klar, ich werde einen Frauenarztbesuch nicht ewig umgehen können. Nur - wie kann ich da durchkommen? Wie kann das funktionieren - ohne Panikattacke oder Hyperventilieren? Bzw - wahrscheinlich sollte ich etwas sagen, vorher, aber ist gleichzeitig auch ein mir komplett fremder Mensch - ich weiß einfach nicht, wie das funktionieren soll. Wie ich den Mut finden kann.

Und je näher der Termin rückt, desto größer wird die Angst.

Wie kann ich damit umgehen - wie kann ich es schaffen, da hinzugehen... und wie kann ich Bescheid sagen, dass was war - ohne dass ich es konkret aussprechen kann?

Danke schonmal...

Lan Anwort von Lan

Liebe Ratsuchende,

ich danke dir für deine Nachricht.

Es ist vollkommen normal, das du nach diesen Erlebnissen Angst hast und dich vor einem Besuch beim Frauenarzt scheust.
Ich finde es wirklich stark und toll von dir, dass du diesen mutigen Schritt gewagt und dich uns anvertraut hast. Das ist echt toll, weiter so!


Besuch beim Frauenarzt

Du musst nicht sofort ins kalte Wasser springen und wirst auch nicht sofort beim Frauenarzt untersucht, wenn du das nicht willst. Überhaupt wird es erstmal ein Gespräch geben, bei dem der Frauenarzt erstmal erfährt, warum du gekommen bist und er wird vielleicht auch Hintergründe erfahren. Außerdem wird er dich auch aufklären, was bei der Untersuchung passiert. Das ist insofern für dich gut und wichtig, weil dir das ein Stück Sicherheit gibt. Du gehst da nicht ahnungslos rein, du erfährst, was passiert und kannst auch sagen, ob und wie viel du davon willst.
Besonders auch bei Frauenärzten ist es wichtig, überhaupt Vertrauen zu schaffen.

Bei dem Gespräch solltest du auch über deine Ängste reden, damit überhaupt auch Vertrauen entstehen kann. Nur so kann sich der Arzt darauf einstellen und besonders sensibel und vorsichtig mit dir umgehen. Dann kann er sich darauf vorbereiten und entsprechend auf dich und deine Bedürfnisse eingehen. Der Arzt ist für dich da, um dir zu helfen und offene Fragen zu klären.

Du fragst, wie du es schaffst, zu sagen, was vorgefallen ist, ohne es konkret zu machen. Das geht durchaus. Du musst, wenn du nicht willst, nicht alles erzählen. Es reicht tatsächlich vielleicht schon, wenn du sagst, dass in deiner Kindheit etwas vorgefallen ist, was deine körperlichen Grenzen überschritten hast, dass du daher Angst vor einer Untersuchung hast. Die Ärzte können sicherlich verstehen, dass du ungern darüber reden willst und werden keine weiteren Fragen stellen, wenn dir das unangenehm ist.

Wenn du merkst, dass allein das Ansprechen schon schwer ist, solltest du dich dazu nicht zwingen. Dann ist das alles zu viel für dich.
Vielleicht würde es dir leichter fallen, das alles aufzuschreiben, was die Frauenärztin konkret wissen sollte. Du schreibst das Nötigste, damit sie Bescheid weiß und gibst ihr den Zettel oder Brief. Das sollte aber wirklich nur die letzte Lösung sein.
Denn auf Dauer nicht darüber zu sprechen, kann das alles auch das Vermeidungsverhalten schlimmer machen. Auch wenn es dir schwer fällt und dich belastet, irgendwann wird der Zeitpunkt kommen, an dem du darüber sprechen solltest. Dir zuliebe vor allem, um dich zu entlasten. Je öfter man darüber redet, desto leichter kann es auch fallen. Manchmal hilft es nichts, man muss sich seiner Angst dann doch stellen, damit es besser wird. Und vielleicht merkst du selbst, dass es gar nicht so schlimm ist, sondern eher eine Erleichterung. Nur wenn du darüber sprichst, kannst du lernen, wieder Kontrolle über das, was passiert ist, erlangen. Nur so kannst du das auch aufarbeiten.


Wenn du merkst, dass dir der Arzt sympathisch ist und vertrauenswürdig erscheint, könntest du es mit der Untersuchung probieren. Wenn nicht, nicht schlimm, dann suchst du dir eben einen anderen heraus, wo die Chemie besser passt und du dich besser aufgehoben fühlst.

Sobald du dich bereit fühlst, dich untersuchen zu lassen, könnt ihr ja ganz langsam vorgehen. Du solltest auf jeden Fall auf dein Gefühl achten. Fühlst du dich sicher oder hast du Angst? Sobald du merkst, dass dir das zu viel wird, sage auch rechtzeitig Stopp und breche das ab. Das ist dein gutes Recht, schließlich arbeitet da auch sehr viel in dir, was dich belastet. Deine Frauenärztin wird einfühlsam sein und das verstehen, wenn du nur schrittweise weiter machen kannst. Das ist okay, mache das in deinem Tempo und wie du dich sicher fühlst.

Vielleicht hilft es dir auch, eher eine Frauenärztin aufzusuchen. Ich kenne viele Frauen, denen das lieber ist, als von einem Mann untersucht zu werden.

Hast du vielleicht eine Freundin, die dich begleiten könnte und mit dabei sein könnte? Das kann dich auch stärken und dir Sicherheit geben, weil du da jemanden dabei hast, dem du vertraust.


Hilfe bei der Ausbildung finden

Wie ich aus deinen Worten herauslesen kann, scheint es so, als wärst du entweder in der Ausbildung oder bei einer neuen Arbeitsstelle in der Probezeit und es scheint etwas passiert zu sein, worüber du nicht reden kannst? Was sich mir nicht erschließt, ist, dass du keinen Ansprechpartner haben kannst, weil du in der Probezeit bist. Gerade in der Probezeit sollte man doch jemanden haben, an den man sich bei Problemen jeglicher Art wenden kann. Gibt es da keine Vertrauensperson, keinen Betreuer, jemand, der dich einarbeitet oder dein direkter Vorgesetzter oder Abteilungsleiter? Du hast als Person, die die Probezeit absolviert, auf jeden Fall meiner Ansicht nach das Recht, dich bei Fragen und Hilfesuche an jemanden zu wenden. Es ist ja vollkommen normal, dass es Fragen gibt und vor allem, wenn es so etwas ist, was dich sehr belastet und was dein Wohlbefinden gefährdet, dann erst recht.


Professionelle Hilfe suchen

Du hast das Stichwort "sexuelle Übergriffe" in der Kindheit und auch in jüngerer Vergangenheit erwähnt. Damit sind traumatische Erlebnisse verbunden, die dich immer noch sehr belasten. Womöglich brauchst du eine Aufarbeitung, alleine wird ist es oftmals schwierig, mit diesen Erfahrungen zurecht zu kommen. Aber das musst du eben auch nicht, du kannst dir helfen lassen. Ich kann gut verstehen, dass es dir sehr schwer fällt, darüber zu sprechen. Damit kommen diese schlimmen Erfahrungen als Flashbacks vermutlich wieder zurück, du wirst davon überwältigt. Aber diese Erfahrungen zu verdrängen, kann auch nicht der Weg sein. So schmerzhaft sie sind, sind sie leider doch ein Teil deines Lebens. Das was dir passiert ist, das ist schrecklich und sollte niemandem passieren. Dafür kannst du auch nichts, du darfst dich deswegen nicht schämen oder schuldig fühlen. Es wurde dir Leid zugefügt, dafür gibt es keine Worte.

Doch du hast ganz sicher tief in dir die Kraft, damit zu lernen, umzugehen. Du kannst dir Hilfe suchen, so wie viele andere Frauen in ähnlichen Situationen auch. Es gibt verschiedene Anlaufstellen und Hilfsangebote wie das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen".

Unter der Nummer 0800 22 55 530 ist das Hilfe-Telefon Sexueller Missbrauch montags, mittwochs und freitags von 9 bis 14 Uhr sowie dienstags und donnerstags von 15 bis 20 Uhr bundesweit, kostenfrei und anonym erreichbar. (Auch unter https://www.anrufen-hilft.de)

Ich verlinke dir weitere Hilfsangebote und Links, die dir weiterhelfen können:

https://www.hilfe-portal-missbrauch.de/startseite
Dort kannst du jederzeit anonym anrufen, schreiben oder auch Hilfsangebote in deiner Nähe finden.

https://weisser-ring.de/hilfe-fuer-opfer/wissenswertes/fonds-sexueller-missbrauch
https://nina-info.de
https://www.frauenaerzte-im-netz.de/frauengesundheit/gewalt-gegen-frauen/medizinische-massnahmen-nach-vergewaltigung/
https://mein-kummerkasten.de/71551/Missbraucht-jetzt-Angst-vorm-Frauenarzt.html
https://www.angst-verstehen.de/angst-vorm-frauenarzt/


Es mag sein, dass du noch nicht bereit bist, darüber zu reden, was ich sehr gut verstehen kann. Wichtig ist, dass du in dich hineinhörst und schaust, was dir gut tut und was nicht. Dich zum Reden zu zwingen, kann auch nicht gut sein. Wenn es dir jetzt schwer fällt, darüber zu reden, dann ist das in Ordnung. Du musst dich nicht zwingen, wenn du weißt, dass es dich überfordert. Es gibt keine Patentlösung, du solltest auf jeden Fall schauen, was zu dir und deiner Situation gerade passt. Aber vielleicht kannst du dich Schritt für Schritt daran wagen, diese Erlebnisse aufzuarbeiten.

Ich wünsche dir von Herzen alles Gute und ganz viel Kraft für deinen weiteren Lebensweg. Du kannst uns jederzeit gerne wieder schreiben, wenn du Rat und Hilfe brauchst.

Viele Grüße,
Lan