Problem von Anonym - 17 Jahre

Viel zu viel

Ich fühle mich seit Jahren nicht mehr gut.
Ich kann das so nicht beschreiben, ich hab’s schon oft versucht.
Im Endeffekt meinten alle die hören zu und haben mich in Wirklichkeit nicht einmal verstanden.
Ich weiß auch nicht was ich mir hiervon erhoffe.
Ich weiß nur das ich langsam ertrinke, ich hab mir immer wieder gesagt es würde bestimmt noch mal besser werden, das mein Leben lang genug ist und ich mich nicht für immer so fühlen würde.
Aber es ist nicht besser geworden.
Früher hatte ich noch die Kraft meine Probleme ausführlich zu beschreiben, doch das kann ich jetzt einfach nicht mehr.
Wahrscheinlich wäre das alles auch mittlerweile viel zu viel.
Ich weiß nicht warum ich das hier überhaupt versuche, wenn selbst meine besten Freunde mich nicht verstehen, wie soll es eine fremde Person tun ?

PaulG Anwort von PaulG

Liebe Anonyme,

was glaubst du, warum ich ehrenamtlich Menschen Rat gebe? Sicherlich nicht deshalb, weil ich von schönen Septembernachmittagen so angewidert bin, dass ich mich gerne im Zimmer vergrabe. Sondern weil ich durchaus weiß, wie es ist, wenn draußen schönstes Herbstwetter regiert, aber sich der Körper wie ein Eisklumpen anfühlt und das Herz wie mit Schimmel überzogen... Ich behaupte nicht, dass ich weiß, was du denkst und fühlst. Das wäre arrogant. Denn ich kenne dich nicht. Aber ich würde wenigstens versuchen wollen, ein Verständnis deiner Lage zu gewinnen - wenn du mir das ermöglichen willst. Wenn du es nicht willst, ist das dein gutes Recht. Auch für mich ist hier nicht der Platz, alles in allen Einzelheiten auszubreiten, was mich zu dem gemacht hat, was ich bin. Manchmal höre ich das Lied "Stark" von Ich & Ich und denke mir... was wohl die vielen Menschen, denen ich im Laufe der Jahre schon geraten habe, von mir denken mögen? Manche haben mich geschätzt und fanden sich in dem wieder, was ich ihnen geschrieben habe. Andere waren wohl eher irritiert oder unsicher, ob ich ihr Problem verstanden habe. Und wieder andere waren wütend - dessen bin ich sicher -; einige, weil ich ihr Problem wirklich nicht verstanden hatte (ich bin nur ein Mensch), und einige mit Sicherheit auch deshalb, weil ich ihr Problem eben genau richtig benannt habe.

Nicht immer ist es für einen Menschen angenehm, den richtigen Rat zu bekommen. Bisweilen ist das sogar schmerzhafter, als den falschen zu erhalten. Was treibt dich um, wenn du entscheidest, gar keinen zu erbitten, liebe Anonyme? Ich weiß es nicht. Aber unser Motto, wonach sich Probleme nur lösen lassen, wenn man darüber spricht, ist ernst gemeint. Und manchmal ist dafür auch Unverständnis erforderlich - Unverständnis, das einen darauf stößt, was mit Sicherheit nicht das Problem ist. Denn auch darüber ist man sich bisweilen nicht im Klaren... Also, es liegt bei dir: Gibst du mir die Chance, dir einen falschen Rat zu geben und dadurch mehr über dich selbst zu erfahren? Gibst du dir selbst die Chance, wütend auf mich zu sein, was oft besser ist, als vor sich selbst Angst zu haben? Oder tutst du es nicht? Es liegt an dir. Ich würde dich gerne richtig verstehen und dir auf dieser Grundlage helfen, wenn ich es versuchen dürfte - aber ich ziehe durchaus in Betracht, dass ich dich missverstehen muss, damit du dir selbst helfen kannst. Unsere Tür steht offen... heute und auch noch in einem Jahr.

Ich wünsche dir sonnige Momente des Aufwachens und heimelige des Einschlafens. Ich wünsche dir Arme, die dich halten, wenn du fällst, und Hände, die dich nicht loslassen, wenn du fehltrittst. Ich wünsche dir Gesichter, an die du denkst, wenn du dich fragst, warum es sich zu leben lohnt. All das kann ich nicht für dich sein, und das ist auch gar nicht meine Aufgabe. Aber versuchen, dich zu verstehen - das kann ich. Wenn du es mir erlaubst.

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul