Problem von Rikki - 21 Jahre

Er will Erfahrungen sammeln, ich nicht 3

Liebe Nuala,

In letzter Zeit ist noch einiges zwischen mir und meinem Ex-Freund passiert.
Ich habe ihn um ein Gespräch gebeten, da ich einfach etwas konkretes von ihm brauchte und wissen wollte inwiefern meine Hoffnungen auf ein Comeback gerechtfertigt sind...
Am 10. September ist er dann da gewesen und wir haben geredet, eben über uns aber auch was sonst in der Zwischenzeit passiert ist, wir haben zusammen geweint, uns gegenseitig die Tränen aus dem Gesicht gewischt, zum Sex ist es ebenfalls gekommen und übernachtet hat er auch. Das Kuscheln, seine süßen Blicke und die zutraulichen Bussis waren aber eigentlich das schönste. Aus dem Gespräch bin ich aber leider auch nicht wirklich schlau geworden, aber ich wollte ein bisschen mehr Sicherheit von seiner Seite.... deswegen habe ich am nächsten Tag am Abend telefonisch nach einer Beziehungspause fragen wollen, was ich dann doch auch ein bisschen abgetan habe. Er hat sowieso gesagt, dass es wahrscheinlich keine gute Idee wäre eine Beziehungspause einzugehen... wir haben dann noch 4 Stunden telefoniert und über alles mögliche geredet, uns anvertraut, Witze gemacht, wie in den alten Zeiten.
Am nächsten Tag habe ich mich dann aber dazu entschieden Silvester abzusagen... aus welchen Grund? Ich konnte mit der sehr groß gewordenen Hoffnung nicht mehr umgehen, auch wenn ich es mir gewünscht hätte. Aber die Hoffnung hat mich ganz langsam zerfressen. Ich habe einen Schlussstrich gebraucht.
Das hat ihn sehr hart getroffen, denn wie gesagt, ich weiß, dass er auch die Hoffnung hatte, dass wir wieder zusammen kommen, auch wenn es jetzt nicht direkt an Silvester sein sollte. Er antwortete auf mein Absagen so ungefähr mit: "Tut mir Leid, wenn ich beim Telefonat kalt rüber gekommen bin. Aber du kennst mich ja, wie sonst kein anderer Mensch. Du bedeutest mir eine Menge und ich liebe dich auch. Für den Menschen der du bist. Vielleicht tut mir die Hoffnung mit dir zusammen zu kommen auch nicht gut. Keine Ahnung. Zumindest erkenne ich, dass sie dir nicht gut tut, deswegen akzeptiere ich deine Entscheidung. Ich würde alle deine Entschuldigungen akzeptieren, wenn du denkst, dass es das Beste für dich ist. Es tut gerade nur unheimlich weh und es fühlt sich so an als wäre ein Teil von meinem Leben entrissen worden."
Wir haben noch einiges hin und her geschrieben, ich brachte ihn dazu sich nochmal ganz genau mit seinen Gedanken und Gefühlen auseinanderzusetzen und mit den Konsequenzen seines Handelns zu rechnen. Als er das dann getan hat, teilte er mir dann ungefähr folgendes mit: "Erstmal danke ich dir, dass du mich dazu gebracht hast mich mit meinen Gedanken auseinandersetzen. Ich habe einfach erkannt, dass wir in unserer Beziehung zu festgefahren waren. Ich möchte einfach Erfahrungen mit anderen Frauen machen, welche mich nicht so gut kennen. Denn in einer Beziehung kann ich quasi auch was falsch machen, auch mal schlechten Sex haben und trotzdem wissen, dass man bald wieder Sex haben wird. Ich möchte einfach gerne auch in andere Rollen schlüpfen, schauen wie die Frau auf meine Bewegungen und Handlungen reagiert und vielleicht dabei auch mal Fehler machen." Schließlich hat er auch gesagt, dass er froh ist, dass ich Schluss gemacht habe, denn er hätte es nicht geschafft, aber er ist glücklich damit. Ich habe ihm auch nochmal erklärt weswegen ich keine offene Beziehung eingehen wollen würde, dass ich einfach nicht der Typ dafür bin und dass mich sein Bedürfnis schlussendlich einfach verletzt.

Nun ja, ich nehme das alles so hin. Ich habe ihm aber gesagt, dass er sich nicht bei mir melden darf, niemals, sondern dass wenn dann ich auf ihn zukomme, falls ich wieder Kontakt haben möchte. Denn ich kenne mich gut, ich würde wahrscheinlich monatelang warten bis er sich mal meldet. Also würde ich wieder hoffen und das Hoffen ist auf lange Sicht einfach nicht gut für mich. Er hofft, dass wir vielleicht irgendwann befreundet sein könnten und falls ich mich nicht melde, das auch kein Problem sei, da er bis dahin auch sicherlich neue Leute kennenlernen wird. Die Aussage hat mich hart getroffen aber ich denke ich musste sowas vielleicht auch einfach hören. Eine Freundschaft kann ich mir aber schwer vorstellen. Keine Ahnung, ob ich ihm doch erlauben soll mich zu kontaktieren, denn für meinen Part ist alles gesagt, was zu sagen ist und meinen Standpunkt habe ich klar gemacht. Ich weiß nicht was ich in der Hinsicht tun soll, also bitte ich hier um einen Ratschlag.

Wie es mir geht? Ziemlich beschissen. Ich bin etwas depressiv und nehme auch Medikamente, bin auf der Suche nach Therapeuten, aber mir geht es von Tag zu Tag ein ganz klein wenig besser, leider aber auch mit Rückschlägen. Ich bin einfach niedergeschlagen auch wenn es auf lange Sicht besser so ist wie es ist. Ich versuche mich auf mich zu fokussieren und zu schauen was für ein Mensch ich werden möchte. Auf Dates habe ich gar keine Lust auch wenn es oft im Internet als Rat mitgegeben wird, um sein Ego etwas zu pushen. Aber das brauche ich nicht, ich weiß, dass ich gut ankomme und ich es wert bin begehrt und geliebt zu werden. Ich möchte glücklich mit mir alleine sein.

Das beschissenste ist aber, dass ich ihn zwar nicht in meinem Leben brauche, ihn aber eigentlich in meinem Leben haben will. Immer noch. Ich will ihn ergänzend zu meinem Glück. Aber nicht mit seinem Bedürfnis zum Ausleben, ganz sicher nicht. Ich habe mich mit dem Thema offene Beziehung schon viel zu sehr auseinandergesetzt um zu wissen, dass es einfach nichts für mich ist, wenn ich auf mein Innerstes höre. Momentan versuche ich ihn einfach zu entlieben, auch wenn es hart ist und ein kleiner Teil von mir es nicht ganz einsehen will. Es wird dauern, da ich ihn wirklich wahrhaftig geliebt habe und das sage ich nicht weil ich naiv bin.

Nuala Anwort von Nuala

zu https://mein-kummerkasten.de/333434/Er-will-Erfahrungen-sammeln-ich-nicht-2.html



Liebe Rikki,

Danke dir für dein erneutes Feedback!
Ich merke dir aus deinem Text heraus an, wieviel Arbeit das alles ist - emotional und organisatorisch. Es ist sehr nervenaufreibend, so viele und "harte" Bälle zugleich jonglieren zu müssen. Denn eigentlich ist schon die Aufgabe, die du am Ende deiner Ausführung benennst, groß genug: Die Konzentration auf dich selbst.

Es ist eine beknackte Phase, doch zum Glück wird sie früher oder später abgelöst werden von einer neuen Phase mit neuen Aufgaben, Herausforderungen und Begegnungen. Es lohnt sich sehr, dass du den festen Vorsatz hast, dass du dich auf deine eigene Entwicklung besinnen willst. Auch wenn es sich vielleicht holperig und unzureichend anfühlen mag: Letztlich ist es konsequent und das Liebevollste für dich selbst.
Eine Sache gehört da noch mit rein: "Entlieben" ist - pardon - für die Tonne. Du fühlst tief für deinen Ex-Freund. Das darfst du einfach so stehenlassen. Du darfst die Liebe fühlen und dich gleichzeitig auf dich konzentrieren. Das ist kein Widerspruch, sondern gehört zu einem offenen Herzen dazu. Sich zu verschließen und die Gefühle "abschneiden" zu wollen schadet viel eher als dass es nützt. Du kannst lernen, die Liebe als etwas Schönes, als Wert an sich zu sehen, auch wenn du keine Beziehung mehr mit ihm führst. Wünsche ihm doch aus deiner Liebe heraus alles Gute - und lerne immer ein bisschen mehr, ihn ziehen zu lassen. Alles Andere ist im Bereich des Egos anzusiedeln. Und das wolltest du ja offenbar genau nicht, solche Ego-Touren.

Es wird eine ganze Weile dauern, bis du dich besser fühlen wirst, aber du kannst dir Mut zusprechen und dich daran erinnern, dass es nicht nur ein "Abwärts" gibt. Du tust schon viel für dich, beispielsweise kümmerst du dich um deine Therapie. Vieles wird folgen. Teile dir alles in kleine Etappen ein, versuche dir kleine Ziele zu setzen, welche dich ermutigen. Kalkuliere Rückschläge mit ein, egal wie diese aussehen mögen. Auch, dass du deinen Ex-Partner nicht stetig loslassen können wirst. Dafür ist eure Verbindung zu innig, als dass sie nach dem "Schnipp schnapp-Prinzip" gekappt werden könnte.

Du darfst dir erlauben, auch mal emotional stark "bei ihm" zu sein und ihn zu vermissen. Wehre dich nicht dagegen, sondern nimm es als gegeben an.
Gerade als Mensch, der recht frisch aus einer Beziehung gekommen ist, kann es sehr herausfordernd sein, sich neu zu orientieren und vor allem sich selbst als erste Ansprechperson zu haben. Es ist ein stetiges Lernen: Lernen, es auszuhalten, dass nicht dauernd jemand zum Reden, Kuscheln und Sex haben da ist. Lernen, sich selbst Halt zu geben, alleine Entscheidungen zu treffen oder sich genau zu überlegen, welche andere Bezugsperson für ein Thema/einen Bereich geeignet wäre.

Ja, sicherlich lernt ihr beide immer neue Menschen kennen und es kommen für euch gleichermaßen neue Erfahrungen auf. Das Vergangene wird dadurch nicht weggewischt und darf zu Recht Bestand haben - ohne die Gegenwart nennenswert zu beeinflussen. Dein "Lebensportrait" bekommt einfach noch neue Tupfer, neue Akzente.

Tief durchatmen und inne halten, das ist noch so etwas, was sehr hilfreich ist. Pausieren, zurückschauen, auf das Aktuelle schauen. Und vor allem fühlen! Wie fühlt sich etwas an? Wie sieht der Moment aus? Was nehme ich wahr? :)

Das sind meine Tipps für dich.
Ich wünsche dir weiterhin alles erdenklich Gute und grüße dich herzlich!
Nuala