Problem von Azubi - 20 Jahre

Job raubt Lebenslust

Vorwort: ich weiß es mag wirken als wäre es ein Alltagsproblem wie jedes andere aber bei Gott ich hasse es hier und mir hat noch nie etwas so sehr die Lebenslust geraubt.

Ich bin ein Auszubildender in einer Drecksfirma, die sich nicht für ihre Azubis interessiert. Ich bin am Anfang meines dritten Lehrjahres und möchte einfach nur wissen wie ich diesen Scheißalltag überleben soll mit einer ekelhaften Geschäftsleitung, teils unsympathische Mitarbeiter die einen runterziehen und einem Kek (der auch mein Ausbilder ist, also MUSS ich mit ihm zu tun haben; Kek weil er der größte Poser ist und nuuuuuuuuuuur labert und sich aufspielt) der direkt neben mir sitzt.Ich habe mir schon im zweiten Lehrjahr gedacht: nur noch das dritte Jahr dann hast dus geschafft aber mittlerweile denk ich mir nur noch: erschießt mich bitte, es dauert einfach noch ein verdammtes Jahr.
Abbrechen möchte ich nicht weil ich ehrlich gesagt nicht viele Alternativen sehe, also zumindest bezweifle ich, dass es viele gibt die einen Menschen mit nur Realschulabschluss annehmen würden als vollbezahlten Jobber.
Den Betrieb wechseln im letzten Jahr würde ich schon, aber ehrlich gesagt würde ich mich schlecht fühlen für meinen Mitkollegen der mit mir leiden muss.
Kurzgesagt: ich will einfach nur wissen wie ich diesen Drecksalltag überleben sollte

Lan Anwort von Lan

Lieber Azubi,

schön, dass du uns geschrieben hast und dich uns anvertraut hast.

Zunächst einmal: Du solltest dein Problem nicht runterspielen. Denn du leidest ganz offensichtlich sehr unter deiner aktuellen Arbeit und deine Gesundheit auch. Das ist etwas, was du unbedingt ernst nehmen und nicht klein reden solltest. Es ist kein bloßes Alltagsproblem, sondern raubt dir ja ganz offensichtlich deine Lebenslust, was bedenklich klingt. Das macht eindeutig viel mit dir und da solltet du unbedingt eingreifen und etwas tun, damit es nicht schlimmer wird. Uns zu schreiben, war schon einmal ein sehr wichtiger Schritt.

Du willst wissen, wie du diesen schlimmen Alltag dort überstehen kannst. Aber sei bitte ehrlich: Willst du dir das wirklich antun? Ich kann natürlich verstehen, dass du jetzt nicht abbrechen willst, wo du doch sozusagen kurz vorm Ziel bist. Du könntest es einfach auch durchziehen, auch wenn es "nur" ein Jahr ist. Aber in dem Jahr kann viel passieren. Es kann besser werden, aber auch schlechter. Und du bist jetzt schon an einem Punkt, wo du am liebsten nur erlöst werden willst.
Ist es das wirklich wert, sich weiter zu kämpfen?

Wenn jetzt alles keine Rolle spielen würde, du jetzt auch deinen Mitkollegen ausblenden würdest: Was würde dich noch in dieser Firma halten? Was würdest du dann tun? Ich vermute mal, dass du ganz sicher sofort kündigen oder wechseln würdest, was absolut in Ordnung ist.


Betrieb wechseln

Du musst nicht mal unbedingt abbrechen, du erwähnst selbst schon eine Alternative: Du könntest den Betrieb wechseln und dort einen Neustart machen. Es ist lobenswert, dass du deinen Kollegen nicht hängen lassen willst. Aber manchmal müssen wir auch einfach mal egoistisch sein und auf unsere innere Stimme hören. Was bringt es ihm, wenn du dich quälst? Das würde er nicht wollen. Ich denke mir, wenn er ein loyaler Kollege ist, würde er es verstehen, wenn er auch weiß, wie sehr du darunter leidest. Er würde sich für dich freuen, wenn du eine Stelle findest, mit der du zufriedener bist.
So toll es von dir ist, Rücksicht auf andere zu nehmen. Bitte achte auf dich, sei es dir selbst wert und entscheide dich für das, was für dich am besten wäre. Und nicht für das, was anderen gut tun würde.

Ausbildung abbrechen

Wenn aber auch der Betriebswechsel nichts bringt und du immer noch sehr darunter leidest, wäre Abbrechen ratsamer. Du musst dich selbst ernst nehmen, tue es für dich. Du musst dich da nicht durchkämpfen, du kannst immer auch noch woanders neu starten. Du sagst zwar, dass du keine Alternativen siehst, aber das heißt nicht, dass keine gibt. Eine Ausbildung abzubrechen, fällt schwer, das ist keine Frage. Aber keine Ausbildung der Welt ist es wert, dass du dafür deine Gesundheit aufs Spiel setzt und dich dauerhaft unglücklich machst. Du brauchst dich dafür dann auch nicht zu schämen, es gibt viele andere, denen es auch so wie dir ergeht oder die Ähnliches durchlebt haben. Sie haben sich für den Abbruch entschieden und sind in den meisten Fällen auch zufriedener, auch wenn die Entscheidung schwer fällt. Du bist ein junger Mensch, hast dein ganzes Leben vor dir. Dein Leben ist zu wertvoll, dass du es mit einer so schlechten Ausbildung ruinierst, finde ich. Ein Abbruch ist nicht das Ende, sondern auch immer ein Neuanfang mit vielen Chancen und Möglichkeiten.


Einstellung und Perspektive ändern, das Positive sehen

Wenn du wirklich bleiben und dich durchkämpfen willst, wäre das auch okay. Du entscheidest am Ende. Wenn du etwas nicht beenden kannst, kannst du versuchen, es zu ändern oder zumindest deine Einstellung. Du zählst viele Dinge auf, die dir nicht gefallen, wie die Geschäftsleitung, unsympathische Mitarbeiter und deinen Ausbilder. Versuche mal, eine andere Perspektive einzunehmen: Was gibt es denn positives an der Arbeit? Das wird zunächst schwer fallen, weil das Negative sehr stark im Fokus ist. Aber wir haben es in der Hand, ob wir uns mehr auf das Negative oder das Positive konzentrieren.

Und wenn du genauer hinschaust, wird es auch etwas positives geben. Zum einen, hast du eine Ausbildungsstelle, die Chance einen Beruf zu erlernen. Das haben nicht alle. Du kriegst vermutlich auch Geld für deine Arbeit. Vielleicht ist das auch nicht mal so schlecht? Der Job an sich und die Aufgaben, die du hast, machen dir vermutlich Spaß, oder? Es ist ein Job, den du gern machst. Du hast einen Mitkollegen, mit dem du da zusammen leidest. Das macht euch zu Verbündeten, was auch wichtig ist, um das alles zu überstehen. Das ist auch viel wert. Und du hast schon zwei harte Ausbildungsjahre hinter dir. Statt also zu denken: Oh Mann, noch ein verdammtes langes Jahr! Könntest du auch denken: Ich habe schon die zwei Jahre geschafft, also werde ich das letzte Jahr auch hinbekommen. Du zeigst Durchhaltewillen und das ist prima.

Vielleicht suchst du dir auch außerhalb der Arbeit einen Ausgleich. Wenn du schon auf Arbeit nicht glücklich bist, dann vielleicht in der Freizeit? Wie wäre es mit Freunde treffen, mit ihnen darüber sprechen? Du hast sicherlich auch Hobbys oder Dinge, die du gern machst. Die könnten dich ablenken und dir auch nochmal Kraft geben. Das würde es dir vielleicht leichter machen, den harten Arbeitsalltag zu überstehen. Du kannst deinen Alltag, der ja nicht nur aus Berufsleben besteht, selbst gestalten. Aber dazu musst du aktiv werden.


Vertraue dich anderen an

Vielleicht sprichst du mal mit jemandem über deine aktuelle Situation? Hast du Freunden und deiner Familie schon mal davon erzählt? Es gibt auch Beratungsstellen, die dir weiterhelfen, wenn du merkst, dass du sehr unter deiner Ausbildung leidest. Oder du wendest dich mal an Handels- und Handwerkskammern, die können dich auch unterstützen.

Wenn auch das dir zu persönlich ist, wäre die Telefonseelsorge etwas für dich:
Telefon 0800 111 0 111 (evangelisch)
oder 0800-111 0 222 (katholisch)
Internet: www.telefonseelsorge.de


Ich habe dir noch weitere Zuschriften zu ähnlichen Problemen verlinkt. Schau doch gern mal rein:
https://mein-kummerkasten.de/333403/Ausbildung.html
https://mein-kummerkasten.de/269141/Depression-Ausbildung-Angst.html
https://mein-kummerkasten.de/333365/Ich-seh-den-Abgrund.html
https://mein-kummerkasten.de/332558/Ausbildung-abbrechen.html


Ich wünsche dir alles Gute und hoffe, dass ich dir einige Anregungen geben konnte. Hör auf dein Bauchgefühl und triff für dich eine Entscheidung, mit der du gut leben kannst.

Viele Grüße,
Lan