Problem von Anonym - 17 Jahre

Soll ich wirklich ausziehen?

Hallo, ich habe seit längerer Zeit Probleme mit meiner Mutter. Sie kritisiert mich ständig und plant mich ungefragt in IHREN Alltag mit ein. Ich habe damals mehr von alleine im Haushalt mitgeholfen, jedoch musste ich mir sowas anhören wie: "Was ist denn mit dir los? Das hast du ja noch nie gemacht" oder "ordentlich ist das aber nicht", weshalb ich es irgendwann abgelegt habe. Ein Danke kam damals von ihr, jetzt nicht mehr.
Letztes Jahr habe ich meine Mittlere Reife erfolgreich beendet und fing dann eine Lehre als Notarfachangestellte an. Die Anforderungen waren jedoch nicht so, dass ich sie erfüllen konnte. Anschluss in der Berufsschule habe ich auch nicht gefunden, trotz Bemühungen.. Daraufhin habe ich gesundheitliche Probleme bekommen. Magenkrämpfe, Kopfschmerzen, Anzeichen für eine Depression. Ich musste diese dann abbrechen. Meiner Mutter gefiel dies überhaupt nicht und ich musste mir Sachen anhören wie: "faule Sau", "Schlampe", "du bist eingebildet und denkst nur an dich", und so weiter.. Jedoch kamen diese Dinge nicht in einer angenehmen Lautstärke aus ihrem Mund. Sie hat mich wortwörtlich angeschrien. Ich suchte mir dann eine Arbeit als Servicekraft und arbeitete dort für ein halbes Jahr und kümmerte mich um eine Ausbildung. In dieser Zeit war es die Hölle zuhause. Ich habe seit August diesen Jahres einen Platz auf einer Gymnasialen Oberstufe bekommen mit dem Schwerpunkt Psychologie und dem Leistungskurs Mathe. Eigentlich wollte ich eine Ausbildung machen, aber meine Mutter meinte, dass ich in die Schule gehen SOLL. Nun bin ich dort und meine Noten sind grottenschlecht (4-6). Ich fühle mich nicht mehr zuhause sowie in der Schule wohl und überlege nun, ob ich zu meinem Freund (seit 2,6jahren) ziehe in ein anderes Bundesland. Dies soll nächstes Jahr passieren, wenn ich 18 bin und die 11. Klasse vorbei ist.

Wie ich es meiner Mutter sagen soll, weiß ich nicht.. Ich habe Angst, dass sie mich wieder runter macht, kein einziges Wort mit mir redet und schlecht hinter meinem Rücken redet. Ich bin wirklich nicht mehr glücklich hier und kann es nicht mehr mein Zuhause nennen.

Anwort von Shannon

Hallo liebe Fragestellerin,

vielen Dank für dein Vertrauen, dich hier zu öffnen. Nach dem, was du beschreibst, kann ich sehr gut nachvollziehen, dass du dich bei deiner Mutter zu Hause nicht wohl fühlst.
Die Entscheidung, ob du wirklich ausziehen solltest, kann ich dir zwar leider nicht abnehmen, aber ich kann dir ein paar Tipps für die Entscheidungsfindung geben:

Wichtig ist zunächst vor allem, dass du bedenkst, dass es dein Leben ist, und du selbst die Entscheidungen treffen kannst. Dazu gehört aber auch, die Konsequenzen dieser Entscheidungen mit zu berücksichtigen. In deinem Fall solltest du dir also vor dem eventuellen Auszug überlegen, wie du die neue Wohnung (und die weitere Lebenshaltung wie Lebensmittel, ÖPNV-Tickets etc.) finanzierst und wie du dein Leben in der neuen Stadt gestaltest: Willst du die Schule beenden, welche Möglichkeiten und Schulen gäbe es da? In welcher Klasse würdest du in dem neuen Bundesland einsteigen? Willst du eine Ausbildung anfangen, wenn ja, welche Bereiche und welche Betriebe kämen infrage? Bist du bereit, dir ein neues soziales Umfeld aufzubauen?
Außerdem gilt es auch, den Fall zu bedenken, dass du eventuell nicht ewig bei deinem Freund wohnen kannst und dich dann nach einer Alternative umschauen musst. Bezüglich Alternativen gibt es auch die Möglichkeit, dass du zwar ausziehst, aber in der Stadt wohnen bleibst, in der du momentan wohnst. Somit könntest du beispielsweise auf der Schule bleiben, auf die du gerade gehst, und den Abschluss machen, solltest du das wollen.

Wichtig ist, dass du die Fragen konkret beantworten kannst, also nicht nach dem Motto "Das werde ich mir dann überlegen, wenn ich dann umgezogen bin.". Unabhängig davon, ob du dich am Ende für einen Umzug entscheidest oder nicht, kann ich dir aber hier noch ein paar Tipps mit auf den Weg geben, die den Kontakt zu deiner Mutter vereinfachen könnten.

Du hast beschrieben, dass es dir bei deiner Mutter momentan nicht gut geht und wie schwierig du es findest, mit ihr zu kommunizieren, weil du dich nicht respektvoll behandelt fühlst. Genau das könnte ein erster Ansatz sein. Überlege dir, bei welchem Verhalten von ihr genau du dich gekränkt oder nicht ernst genommen fühlst und auf der anderen Seite auch welches Verhalten du dir von ihr wünschst. Sprich sie in einer ruhigen Minute an, also wenn du das Gefühl hast, dass ihr beide gerade nicht gestresst seid.
Auch sie sollte in dem Gespräch die Möglichkeit haben, zu sagen, was sie sich wünscht und wie sie sich euer weiteres Zusammenleben vorstellt. Ich kann verstehen, dass sie will, dass du im Haushalt behilflich bist. Meiner Meinung nach kannst du ihr aber dennoch sagen, dass du dich nicht willst, dass sie dich einfach in ihren Alltag einplant. Wenn ihr einen Kompromiss findet, in dem ihr klar regelt, was deine Aufgaben sind, und wann sie wie mit dir rechnen kann, besteht hier schon weniger Konfliktpotential. Du kannst ihr außerdem mitteilen, dass man normal mit dir sprechen kann, und du nicht von ihr beleidigt werden willst.

Außerdem hast du geschrieben, dass sich im Laufe deiner Ausbildung als Notarfachangestellte körperliche und psychische Symptome entwickelt haben, die dazu geführt haben, dass du die Ausbildung abbrechen musstest. Hast du mit einer Vertrauensperson darüber gesprochen, was genau die Magenkrämpfe, Kopfschmerzen und Anzeichen einer Depression ausgelöst hat? Hattest du Angst vor bestimmten Aufgaben oder davor, die Ausbildung nicht zu schaffen? Lag es an den Kollegen oder Mit-Azubis? Ich kann dich nur ermutigen, dich jemandem anzuvertrauen. Das kann zum Beispiel dein Freund sein, aber auch jemand anderes, dem du vertraust. Es gibt auch Menschen, die sich professionell mit solchen Dingen beschäftigen. Im Rahmen einer Psychotherapie kannst du mit einem Therapeuten die Dinge aufarbeiten, die dich belasten oder belastet haben, was auch dazu führen kann, dass sich die Symptome in Zukunft nicht wiederholen, falls du nochmal in eine ähnliche Situation gerätst. Eine solche Therapie zu beginnen, ist kein Zeichen von Schwäche, sondern zeigt im Gegenteil, dass du eine Herausforderung erkannt hast, und sie angehst. Du kannst dich online selbst nach Therapeuten umsehen, oder du gehst zu einem Haus- oder Kinderarzt. Du kannst ihm entweder schon schildern, welches Problem du hast, oder ihn direkt nach einer Überweisung zum Therapeuten fragen. Sowohl der Arzt als auch der Therapeut stehen selbstverständlich unter der Schweigepflicht, sie müssen deine Äußerungen also für sich behalten, das gilt auch deiner Mutter gegenüber. Falls du dir da unsicher bist oder dir genauere Details wünschst, kannst du diese aber auch im Gespräch erfragen.

ich hoffe, ich konnte dir ein wenig helfen und wünsche dir für die Zukunft alles Gute!