Problem von Leonie - 13 Jahre

Ich fühle mich schlecht

Hallo,
Ich hoffe es ist okay, wenn ich mehrere Dinge ansprechen. Es hat aber eigentlich alles etwas (entfernt) mit einander zu tun.
Also, ich fühle mich schlecht. Ich finde mich nicht hässlich, auch wenn ich mir vielen Dingen an mir nicht zufrieden bin.
Ich bin nicht süß wie meine Freundinnen, weil ich eher groß bin, älter aussehe und, was auch nicht gerade süß macht, eine grade und etwas große Nase habe. Ich bin generell anders vom Aussehen her. Wie gesagt, groß (mit 13 fast 1,75m), ich habe Dehnungsstreifen, größere Brüsten. Kurz ich bin in der Pubertät weiter als andere in meinem Alter. Weshalb ich mich verunsichert fühle. Deswegen bin ich auch oft eifersüchtig und neige dazu mich mit anderen zu vergleichen. Ich weiß, dass das falsch ist, kann es aber nicht "abschalten". Unter anderem vergleiche ich mich auch mit meinen Freundinnen. Was besonders Falsch ist. Vor allem, da sie entweder jünger, älter oder kleiner sind.
Vor allem mit einer Freundin vergleiche ich mich. Sie ist nämlich fast so groß wie ich. Sie ist aber viel dünner, hat eine hübscher Nase und schönere Hände z.B. wie ich finde. Sie sagt zwar das sie zu dünn ist, aber trotzdem gibt es einem ein schlechtes Gefühl, wenn man zum Spaß einen Gürtel anprobiert und alle außer dir kommen ins letzte Loch.
Durch diese Verunsicherung bin ich schüchterner als meine Freundinnen. Und ich habe manchmal das Gefühl, sie finden mich langweilig, was mich noch mehr verunsichert und mich mehr an mir selbst zweifeln lässt.
Das Gefühl bekomme ich nach unbeachtet Sätzen wie.B.
Ich: (aus irgendeinem Grund) Why?
Meine Freundinnen: Wow, Leonie! Du hast Why (also ein Englisches Wort ohne Grund) gesagt. Ich bin stolz auf dich!
Oder
Ich: (lerne noch Vokabeln, weil wir einen Test schreiben)
Meine Freundinnen: Streber!

Das ist zwar nicht böse gemeint, verletzt mich aber trotzdem.

Ich hoffe dieser Text war so in Ordnung. Ich würde mich nämlich sehr über eine Antwort freuen!

LG Leonie

Nuala Anwort von Nuala

Liebe Leonie!

Du hast schon etwas Tolles erkannt: Du solltest dich nicht vergleichen. Dass du es trotzdem tust, kann ich nachvollziehen. Dazu komme ich gleich nochmal. Aber zuerst dieses Lob an dich. Du kannst du diese erste Erkenntnis nach und nach lernen, auf dich zu blicken und die Vergleiche immer mehr auszuschleichen.

Was ich so gar nicht verstehe: Warum willst du "süß" aussehen?! Du bist doch kein Kuscheltier! Du bist ein Mensch, der erwachsen wird. Dass die Anderen ihr eigenes Tempo haben und du dein eigenes, dafür kann niemand etwas. Doch eines ist gewiss: Ihr alle legt nach und nach das Kindliche ab und werdet erwachsen. Vielleicht sehen manche deiner Freundinnen und Mitschüler:innen noch recht niedlich aus, sind psychisch dafür schon recht gereift. Die Entwicklungen auf den verschiedenen Ebenen laufen nicht alle gleichzeitig ab.

Wenn man sich ab - und zu mit Anderen vergleicht, ist das nicht von vornherein zu verurteilen. Geeignet für Vergleiche sind alle messbaren, objektiven Dinge, die nicht naturgegeben sind. Man kann schon mal den Vergleich in einer Leistung vollziehen - beispielsweise gucken, wie der Sitznachbar in der Prüfung auf Frage 4 geantwortet hat und warum er dafür fast die volle Punktzahl bekommen hat. Das ist dann ein Vergleichen in einer einmaligen Situation, um Erfahrung zu sammeln, eine Erkenntnis zu gewinnen. So nach dem Motto "Ah, so hätte ich das formulieren können, das merke ich mir für eine ähnliche Aufgabe in der Zukunft!" Nicht so gut wäre hingegen, dann permanent den Vergleich mit dieser Person zu suchen und sich gleichzeitig minderwertig zu fühlen. Also ja, etwas Wettbewerbsdenken ist manchmal sogar nützlich, aber es artet leider schnell aus und schafft häufig mehr Frustration als einen Mehrwert. Besser ist es, sich selbst Ziele zu setzen und konsequent auf diese zuzusteuern, ohne andere Personen als "Messlatte" zu nehmen.
Und die Körper anderer Menschen sind da umso schlechter geeignet. Wir sind halt alle verschieden gebaut, haben verschiedene Größen, Gewichte, Veränderungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Den anderen Jugendlichen geht es oftmals auch nicht anders als dir - nur sehen sie wiederum ganz andere Merkmale, die angeblich so abweichend, merkwürdig und "schämenswert" sind. Es stellen sich aber nicht alle hin und reden darüber. Vor allem aber wird zu wenig darüber gerdet, was wir an uns mögen und dass wir uns gegenseitig mögen - nicht im Neid, sondern in Liebe.
Und in den Anfängen der Pubertät wärst du zu 99% mit genau den gegenteiligen Körpermerkmalen genauso verunsichert. Stelle dir doch vor, du wärst so groß wie deine Mitschülerinnen und hättest kleine Brüste und eine andere Nasenform. Du kannst dir bestimmt vorstellen, was dann deine Unsicherheit anfeuern würde (ich bin zu klein, ich habe zu kleine Brüste, meine Nase sieht so kindlich aus.... weiß der Geier - hier könnten beliebig viele Unzufriedenheiten stehen! ;)).
Je mehr wir die Andersartigkeit als die wahre Norm akzeptieren, desto zufriedener können wir sein! Wenn wir alle so angeglichen herumlaufen würden - es wäre sooo öde.

Ich verstehe, dass du dich durch das Vergleichen schlecht fühlst. Weil es auch nicht unser glücklicher Zustand ist, uns wie ein "gammeliger Apfel" zu fühlen, obwohl wir als strahlender Leckerbissen daherkommen wollen. Das Verrückte an dem Ganzen ist eigentlich, dass wir total in Ordnung und nicht verbesserungsbedürftig sind. Unser Aussehen ist in Ordnung und der Rest auch. Weniger in Ordnung sind die dauernden Vergleiche und Einflüsterungen, dass wir angeblich so schlecht und benachteiligt seien. Es ist eine große Kunst, sich selbst als gut genug zu erkennen. Darin liegt großes Glück! Viele Erwachsene haben das auch im fortgeschrittenen Lebensalter noch nicht geschafft. Sie rennen lieber unerreichbaren Idealen und falschen Versprechen hinterher, als sich so anzunehmen, wie sie eigentlich sind.
Als heranwachsender Mensch ist es durch die vielen körperlichen, geistigen und seelischen Veränderungen noch verzwickter. Weil du ganz am Anfang einer großartigen Reise stehst und keine Erfahrungen damit hast. Leute, die die Pubertät schon hinter sich gelassen haben, können da entspannter sein. Sie kennen das Gefühl schon, sich anders und "komisch" zu fühlen. Im besten Fall haben sie schon als junge Erwachsene kapiert, dass Einzigartigkeit genau das bedeutet: Anders zu sein, aber nicht komisch.

Was dir auch helfen kann: Gedankenspiele mit verschiedenen Blickwinkeln. Nicht mit dem Ziel, dass du dann "besser" abschneidest, sondern um zu erkennen, dass es Körper mit ihren verschiedenen Entwicklungen und Ausprägungen auch verschiedene Vorteile mit sich bringen. Es ist z.B. ein klarer Vorteil in manchen Momenten, größer zu sein als Andere. Du hast ja einen besseren Überblick und musst dich höchstens noch auf die Zehen stellen, um etwas sehen zu können - während kleinere Menschen vielleicht sogar hochgehoben werden müssten, um überhaupt etwas zu sehen. Und diesen Vorteil kannst du echt genießen! Wahrscheinlich wirst du bei den 1,75 m bleiben (oder nur noch ganz wenig weiterwachsen), doch je eher du deine Größe als Vorteil siehst, desto mehr kannst du sie für dich nutzen. Du kannst dir auf natürliche Weise Respekt allein durch dein Auftreten verschaffen, wenn du dich aufrecht bewegst und eine offene Körperhaltung hast.
Auf der anderen Seite haben kleinere Personen in wiederum anderen Situationen Vorteile - sie können vielleicht leichter durch ein Loch kriechen oder sich besser wegducken im Sport.

Was zusätzlich hilfreich sein kann, ist sich klarzumachen, dass der Körper halt eine "Hülle" ist. Zwar eine sehr kostbare, die wir durch Achtsamkeit schützen sollten, aber keine die durch ihr Aussehen alles bestimmt.

Du machst einen recht unsicheren Eindruck auf mich, weil du z.B. fragst, ob dein Text okay ist. Gerne ermutige ich dich, da auf dich zu vertrauen. Du bist mit Verstand und Herz ausgestattet. Beides brauchst du, um dich erfolgreich in der Umwelt zurechtzufinden. Du musst dich nicht immer vergewissern, ob das, was du vorhast oder schon getan hast, so passt. Du kannst dir auch einfach sagen: "Hey, wenn jemand Kritik üben möchte, wird das schon passieren, ansonsten ist es nicht mein Problem!"
Ich glaube dir daher nicht so ganz, dass es erst durch die Körpervergleiche bzw. die Pubertät aufgekommen bist, dass du so unsicher bist. Also ja, vielleicht ist es so, dann wird sich das jedoch auch wieder verändern, wie so vieles Weitere auch. Das erste Beispiel mit den Textnachrichten passt da ebenfalls dazu: Ich finde, du wurdest nur geneckt. Ich kann jedenfalls nichts Gemeines in den Aussagen finden. Man kann aber etwas Gemeines hinein interpretieren - aus Unsicherheit ;) Beim Streber-Kommentar verstehe ich dich noch eher. Da kannst du dir einfach deinen Teil denken und es abhaken. Es ist belangloses Geschwätz, mehr nicht. Sollten dich diese Sprüche immer wieder treffen, ist natürlich etwas Anderes gefragt. Ich finde es gut, zu eröffnen: "Das hat mich jetzt gekränkt (ggf. mit Begründung). Bitte versuche, sowas nicht mehr zu schreiben/zu sagen."
Allgemein: Wenn du einen Kommentar bekommst, der dich verunsichert, kannst du damit auf verschiedene Weise umgehen. Du kannst z.B. nachfragen, warum das gesagt oder geschrieben wurde. Du kannst kontern lernen. Du kannst den Kommentar nicht so wichtig nehmen und zum eigentlichen Thema zurückkehren. Oder du vermittelst, dass dich die Aussage verletzt/verunsichert/nervt, was eben gerade zutrifft.
--> Du kannst mit deinen Freundinnen eine tiefere Verbindung bekommen, wenn du ehrlich und echt bist - und eben auch zeigst, dass dich etwas irritiert oder stört. Nur Mut! Du kannst da sehr viel gewinnen :)
Wir haben auch zwei passende Soforthilfen:
- https://mein-kummerkasten.de/Soforthilfe/50/Kommunikation.html
- https://mein-kummerkasten.de/Soforthilfe/34/Selbstzweifel.html


Ich wünsche dir alles Liebe zum Ende des Jahres!
Nuala