Problem von Andreas - 21 Jahre

Zukunftsangst

Hallo,

Ich weiß nicht genau was ich als Antwort erwarte oder was ich mir hiervon erhoffe, dennoch will ich vielleicht einfach meine Geschichte teilen. Und wenn der ein oder andere eine Ratschlag für mich hat werde ich ihm mit Sicherheit nicht böse sein.

Vielleicht das wichtigste zuerst:
Ich bin der einzige Sohn eines Landwirts, arbeite seit ich denken kann auf dem Hof mit und studiere Maschinenbau mit Schwerpunkt auf Landtechnik. In diesem Studium befinde ich mich im Moment in einem Praxis Semester in einem Konstruktionsbüro. Und ich weiß irgendwie nicht mehr wirklich weiter.

Meine Begeisterung für die Landwirtschaft fand ich als mein Vater erkrankte und ich 6 Monate in dem Alter von 17 den Hof leitete. Ich liebe es alleine zu sein, unbeobachtet und irgendwie auch frei. Dies alles schien mir die Landwirtschaft zu geben. Dann ein zwei Jahre später, war es das exakte Gegenteil. Verpflichtungen zum aufstehen, keine freie Tage keine Freizeit, und auch keine Partnerin (die soetwas mitmacht) und noch viele andere Gründe trieben mich dazu mein Studium nach dem Schulabschluss zu machen. Damit war ich glücklich den es Verband was ich liebte, Landwirtschaft und Technik. Bis jetzt. Jetzt da ich einige Praktika in entsprechenden betrieben gemacht habe und Erfahrung gesammelt habe, verbringe ich mein Praxis Semester damit die Tage zu zählen bis es endlich vorbei ist. Eine gesamte Woche im Büro oder vor dem PC zu sitzen zermürbt mich mehr als ein Tag voller körperlicher Arbeit. Mit jedem weiteren Tag wird mir klarer das ich das nicht mein Leben lang machen kann und freue mich auf die Wochenenden wenn ich daheim arbeiten kann...
Mein Studium endet in einem Jahr und ich weiß nicht ob vor oder zurück. Meine Freundin (das hat sich dann doch irgendwie entwickelt während des Studiums) duldet zwar die Landwirtschaft und hilft auch und ich bin ihr für alles sehr dankbar, aber bei dem Gespräch meine leben damit zu verbringen war sie nicht gerade erfreut. Und so stellt sich einfach die Frage weiter hin in eine Richtung zu fahren an dessen Ende ich eine Sackgasse bereits sehe oder umzukehren und erneut den alten weg begehen, obwohl man weiß das man damit schon einmal in eine Sackgasse gelaufen ist.
Zumal die Landwirtschaft alles andere als ein angesehener Beruf in Deutschland ist und die Zukunft dieser in dieser Zeit mehr als ungewiss ist.

Ich weiß das sich das irgendwie banal anhört, aber nachdem in der letzten Zeit eine fünffach Belastung aus 40 Stunden Woche, Arbeiten auf dem elterlichen Betrieb, meine Freundin wenigstens ein zwei Mal die Woche zu sehen (wir wohnen Moment mehrere 100km entfernt), familiäre Probleme da man förmlich beobachten kann wie mein Vater auf einen Burnout zu steuert und gewisse zufallsgeschuldeten finanziellen Problemen, habe ich mich nun schon des öfteren dabei "ertappt" wie ich beim Einschlafen gedacht habe wie "schön" es doch wäre einfach nicht mehr aufzuwachen. Mir ist wichtig hierbei das dies kein Suizid Gedanke ist, es geht mir mehr darum, dass der einzige Ort an dem ich momentan die Freiheit und Leichtigkeit spüre die ich so liebe mein Schlaf ist. Irgendwie weiß ich nicht mehr auf was ich mich freuen soll, egal was ich beginne es endet immer in dem Gefühl Augen zu und durch. Und so bin ich hier her gekommen und schreibe gerade diesen Beitrag.

Wie anfangs bereits gesagt erwarte ich nicht wirklich die Lösung all meiner Probleme hier zufinden. Vielleicht hab ich es einfach Mal gebraucht ein kleinen Teil von dem was ich erlebt habe zu teilen oder jemand anderen als Gesprächspartner gebraucht als die Menschen um mich welche alle schon ihre festgefahrenen Positionen haben.

Lan Anwort von Lan

Lieber Andreas,

ich danke dir für dein Vertrauen. Ich wünsche dir erst einmal ein frohes neues Jahr und hoffe, dass es für dich ein gutes Jahr werden wird. :)

Du bist hin- und her gerissen und hast momentan das Gefühl, nicht zu wissen, was das Richtige für dich ist. Schlimmer noch: Du bist aktuell mit deinem Leben sehr überfordert, so sehr, dass du scheinbar gar keine Freude mehr für irgendetwas empfindest. Bei soviel Arbeit und Belastung kann ich das nur nachvollziehen, dass du gerade nicht mehr kannst.

Meine Gedanken zu deiner aktuellen Situation:
Mit deinem Praxissemester und vielleicht auch mit deinem Studium scheinst du nicht so zufrieden zu sein. War die Unzufriedenheit auch bei anderen Praktika zu spüren? Oder ist es nur die aktuelle Praktikumsstelle, bei der du nicht gern arbeitest?

Es scheint so, als würde dir die Büroarbeit nicht liegen. Für mich klingt es so, als wäre es doch besser für dich, etwas mit körperlicher Arbeit zu machen, wo du draußen und in Freiheit bist.


Auszeit nehmen´

Du bist ganz eindeutig überfordert mit so vielen Problemen, das hälst du wahrscheinlich auf Dauer nicht durch und das tut dir eben nicht gut. Du brauchst Abstand von allem, um dich zu erholen. Sonst droht bei dir möglicherweise auch noch ein Burnout.

Eine Auszeit wäre für dich auch gut, um zu dir zu finden, herauszufinden, was du wirklich willst. Klar, könntest du das jetzt durchziehen, aber wäre das nicht vergebliche Mühe, wenn du in die Richtung nicht weitergehen willst? Was nützt es, sich noch mehr zu quälen?


Im Laufe des Lebens ändern wir uns und auch unsere Vorlieben. Was wir früher gemocht haben, muss in Zukunft nicht so bleiben. Das trifft auch auf deine beruflichen Präferenzen zu. Anfangs mochtest du die Landwirtschaft. Aber nach zwei Jahren hat sich das geändert. Das ist vollkommen normal, dass sich das im Laufe unseres Lebens ändert. Das ist nichts, weswegen du dich schlecht fühlen solltest. Du warst damals an einem Punkt, wo du dich selbst finden musstest und was du in der Zukunft machen willst. Dass man da mit sich und seiner Berufswahl hadert, ist normal. Selbst wenn man denkt, man wäre gefestigt, was das Leben betrifft, kann sich das auch ändern. Viele merken vielleicht auch in der Lebensmitte, dass sie sich beruflich etwas ganz anderes wünschen. Egal, wohin es dich zieht, nimm es an, drücke es nicht weg, sondern schau es dir an und gehe dem auf die Spur.


Reflexion und Umorientierung

Wie sieht es denn nun mit der Arbeit in der Landwirtschaft aus? Macht es dir denn noch Spaß, bei deinen Eltern auszuhelfen? Oder eher nicht? Wenn Letzteres zutrifft, hast du deine Antwort: Dass du da nicht weitermachen willst.

Du bist gerade nicht zufrieden, wie es jetzt ist. Und wahrscheinlich ist das Studium auch nicht so, wie du es dir erhofft hast. Wenn das so ist, wäre es Zeit darüber nachzudenken, dich doch wieder umzuorientieren. Ich weiß natürlich nicht, wie weit du bist. Aber je früher du das Studium abbrichst, weil es dir keinen Spaß macht, desto besser ist es. Du bist noch jung, hast dein ganzes Leben vor dir. Aber du musst dich nicht zu etwas zwingen, was dich unglücklich macht. Etwas abzubrechen, fällt schwer, weil es sich anfühlt, als ob man gescheitert wäre. Aber so ist es nicht. Du suchst gerade das, was dich beruflich erfüllt. Du sammelst Erfahrungen, die allesamt wertvoll sind, egal ob positiv oder negativ. Und indem du herausfindest, dass dir etwas nicht liegt, bringt dich nur weiter. Und wenn du merkst, das ist es nicht, ist es auch vollkommen okay, etwas anderes anzufangen. Die Hauptsache ist, dass es dir Spaß macht und du dir dabei treu bleibst.


Es gibt mehr als nur zwei Möglichkeiten:

Du siehst momentan nur zwei Möglichkeiten: Entweder weiter studieren oder in Richtung Landwirtschaft gehen. Aber es gibt doch noch mehr Möglichkeiten, als diese. Es gibt sicherlich noch andere Berufe, die etwas für dich wären. Vielleicht erinnerst du dich an deine Kindheit und Jugend zurück: Was hat dir damals Spaß gemacht? Oder was macht dir jetzt noch Spaß? Was magst du gerne? Worin bist du gut?
Du schreibst, dass du es liebst, alleine zu sein, unbeobachtet und frei. Das sind Dinge, die sicherlich auch noch auf andere Berufe zutreffen, wo du für dich und in Ruhe arbeiten kannst, wie wäre es beispielsweise mit Gärtner oder auch als Bahnschaffner?
Das sind nur einige Vorschläge. Ich lege dir ans Herz, darüber mal nachzudenken, welche beruflichen Alternativen für dich in Frage kämen.

Vielleicht hilft es dir, auch mal über deinen Traumjob nachzudenken. Was würdest du machen wollen? In welchem Bereich könntest du dich sehen? Was wären erfüllende Aufgaben für dich? Welche Bedingungen sollten erfüllt sein? Was willst du nicht? Wie würdest du deine Arbeit gestalten wollen? Wie wäre das Arbeitszeitmodell? Vollzeit oder Teilzeit? Oder wärst du angestellt oder selbstständig? Wie viel Freiraum brauchst du? Wo und mit wem willst du arbeiten? Wie sollte die Balance zwischen Freizeit und Arbeit sein? All das sind Dinge, die du bei deiner Berufswahl beachten und abwägen solltest. Die Antworten auf diese Fragen helfen dir, den passenderen Job zu finden.

Im nächsten Schritt könntest du es erstmal mit einem Praktikum versuchen. Und wenn du dir sicherer bist, auch ein Studium oder gar eine Ausbildung anfangen.


Angst annehmen und damit auseinandersetzen

So sehr du Angst vor der Zukunft hast, du solltest diese Angst nicht verdrängen, sondern dich mit ihr befassen. Frage dich: Warum hast du so eine Angst? Wovor hast du genau Angst? Was wäre das schlimmste, was passieren könnte? Wie wahrscheinlich ist das?
Welche Schritte gäbe es, um besser mit der Angst klarzukommen?

Dass die Zukunft Angst macht, verstehe ich. So geht es vermutlich jedem, der gerade nicht weiß, wohin er gehen soll. Es gibt vieles, worauf wir keinen Einfluss haben. Doch du kannst dir selbst das Gefühl geben, Kontrolle zu haben. Das geht, indem du aktiv wirst und etwas gegen die Angst macht. Du könntest Pläne schmieden. Verschiedene Szenarien durchdenken, was in der Zukunft möglich wäre. Schreib dir das gern mal auf, so gewinnst du einen besseren Überblick.


Entspannung suchen

Wenn du dir ständig Sorgen um die Zukunft machst, stehst du natürlich ständig unter Strom. Was helfen könnte, wäre, mal Auszeiten zu nehmen und für Entspannung zu sorgen. Suche dir Inseln im Alltag, wo du nicht über die Zukunft nachdenkst. Vielleicht helfen dir Methoden wie Yoga, Meditation oder Qi Gong, um mal zur Ruhe zu kommen.

Du erwähnst, dass du nichts hast, worauf du dich freuen sollst. Das klingt besorgniserregend. Es fällt dir aktuell sehr schwer, positiv zu denken und dich an etwas zu erfreuen. Aber da wird es sicherlich auch Dinge geben, die dich glücklich machen. Oder für die du zumindest dankbar bist. Gehe nochmal in dich und schreibe dir die Dinge auf, die dich freuen. Wie wäre es mit deiner Freundin oder deinem Vater? Oder andere Hobbys?


Gespräche können helfen

Vielleicht brauchst du auch einfach jemanden, dem du das alles anvertrauen kannst und der aber auch die professionelle Distanz wahren kann, um dir weiterzuhelfen. Das könnte dir auch weitere Möglichkeiten eröffnen, die du noch nicht gesehen hast.
Wie wäre es mit einem Gespräch mit einem Lebensberater oder auch einem Psychotherapeuten? Oder du besuchst eine Beratungsstelle oder den Sozialpsychiatrischen Dienst? Das ist nichts schlimmes und nichts wofür man sich schämen sollte.

Wichtig ist, dass du überhaupt mit jemandem darüber redest. Du könntest dich deiner Freundin, anderen Freunden und deiner Familie anvertrauen. Das könnte dich auch schon mal entlasten. Du solltest auf jeden Fall nicht allein mit deinen Sorgen bleiben, sondern es mit anderen teilen.

Hier sind noch einige Beiträge, die du dir gern durchlesen kannst:
https://mein-kummerkasten.de/index.php/333301/Zukunftsplaene-und-aengste.html
https://www.blueprints.de/zufrieden-sein/zukunftsaengste-was-tun.html

Ich wünsche dir alles Gute!

Liebe Grüße,
Lan