Problem von Anonym - 17 Jahre

Meine Zukunft und Wünsche

Hey,
ich bin weiblich 17 und hab 2021 meinen Realschulabschluss gemacht. Ich wollte schon immer in einem sozialen Beruf arbeiten. Also fing ich im September 2021 meine Ausbildung zur Pflegefachfrau an. Ich kam auf den Beruf durch meinen Opa der unter Demenz litt. Im ersten Praxiseinsatz habe ich schon gemerkt das es mir viel zu nah geht. Ich hatte nicht den Punkt wo ich sagen konnte das ist Arbeit und das mein privat Leben. Ich hatte zu viel Mitgefühl das hätte mich auf Dauer kaputt gemacht. Also hab ich am 15. Gekündigt. Danach hatte ich Nachts eine Panikattacke. Es war wirklich schlimm. Ich habe angefangen mich über neue Berufe zu informieren. Und kam auf Ergotherapie und Logopädie. In der Zeit vom 3.1.22-31.7.22 hab ich ein FSJ in der Pädagogik. Es sind tolle Berufe die mir bestimmt auch Spaß machen würden aber ich hab schon seit ca. 4 Jahren einen anderen Traum. Ich möchte in einem Cafe in Prerow das ist auf dem Darß arbeiten. Ich liebe es zu backen und den Kontakt mit Menschen. Es ist keine große Kette es ist nur dieses Cafe. Sie backen jeden Tag frisch Torten und Kuchen und ich liebe das es macht mich so glücklich. Der Ort, die Menschen einfach alles. Ich werde nächstes Jahr im Mai 18 also wäre das kein Problem ich hab auch viel gespart. Das Problem sind meine Eltern sie wollen bevor ich meinem Traum nachgehe das ich erst einen Ausbildung mache. Was ich verstehe weil man hat wenn etwas passiert immer etwas mit was man weiter machen kann. Aber ich will nicht weitere 3 Jahre eine Ausbildung machen. Ich will endlich glücklich sein. Es ist klar ich könnte mit 18 Tschüss sagen und einfach gehen. Aber dafür liebe ich mein Eltern zu sehr und sie mich. Ich habe Angst mit ihnen darüber zu reden. Das Leben kann so kurz sein. Ich hatte immer alles schon geplant. Aber es läuft nie so wie man das will. Es gibt so viele Hürden im Leben. Ich kann nicht immer alles planen ich will mal ein Risiko eingehen. Meinen Träumen und Wünschen folgen. Sie meinen es nur gut und ich liebe sie aber ich muss meinen Weg selber entscheiden. Ich bräuchte mal eine neutrale Meinung zu diesem Thema.

Liebe Grüße

Nuala Anwort von Nuala

Hallo du!

Gerne gebe ich dir meine Einschätzung zu deinem Anliegen.

Das Soziale gibt es in sehr vielen Berufen - und auch backen kann man in der Freizeit - auch ehrenamtlich beispielsweise oder mit Freund:innen, der Familie. Nicht alles muss man zum "Broterwerb" umsetzen...
Warum du das ausgerechnet in diesem einen Café umsetzen möchtest, erschließt sich mir nicht so ganz. Hast du denn auch Freude am Einzelhandel, an der Orga, am Service - oder siehst du nur die beiden Faktoren und blendest den Rest aus? Verstehe mich nicht falsch: Es ist wundervoll, Träume zu haben. Aber da muss echt viel stimmen, damit sie in Erfüllung gehen können. Du müsstest generell Freude an der Kombi Soziales + Backen haben - denn einzig allein auf ein Café bezogen ist das absolut unrealistisch (das Café könnte z.B. in einigen Tage pleite gehen und dann wäre es Geschichte, was zu Coronazeiten ja bittere Realität für viele Gastros ist!). Und die anderen Aspekte wie Service generell, Auslieferung, Bestellung, Instandhaltung (und weiß der Geier, was noch alles) sollten dir zumindest halbwegs liegen und nicht zu schwerfallen. Es kann immer Passionen geben - aber diese müssen auch dem "Realitätscheck" standhalten können. Beispiel: Angenommen, du kannst nicht gut früh aufstehen oder hasst Überstunden, kann das ein Problem sein. Oder angenommen (rein spekulativ), du kannst zwar gut mit Menschen, bist aber sehr lärmempfindlich nach einigen Stunden im Trubel, kann das zur Belastung werden. Und manche Dinge kommen erst nach und nach ans Licht. Daher solltest du im Vorfeld schon möglichst gut eingrenzen, was die meisten Voraussetzungen bei dir erfüllt bzw. was du zu leisten, zu geben bereit bist. Deswegen rate ich dir vor allem, dass du deine Wünsche in einer Berufsberatung diesem Realitätscheck unterziehst. Du kannst dich auch schon selbst checken, indem du beispielsweise hier guckst: https://www.konditoren.de/ausbildung/konfach/konditor/voraus.html --> Denn egal ob du gerade keine Ausbildung machen möchtest oder nicht: Bestimmte Voraussetzungen sind essentiell für den Erfolg und dauerhaften Spaß an der Arbeit. Was wiederum für eine Ausbildung spricht, weil du da deine Fertigkeiten verbessern und ausbauen kannst!

Zum Thema Eltern.
Nun, ich kann den Wunsch deiner Eltern nachvollziehen. Eltern wünschen sich sehr oft etwas "Solides, Substantielles" für ihre Kinder. Dabei übersehen sie aber gerne, dass diese ihre eigenen Erfahrungen machen und sich ausprobieren müssen.
Es ist ja schon ein guter Ansatz zu sagen: Erst die Ausbildung, dann das Arbeiten in dem Bereich.
Andererseits verstehe ich auch dich. Es ist schon sinnvoll, das zu tun, was Leidenschaft und Freude weckt. Allerdings kann es leider sein, dass du gar nicht für diesen Bereich "gemacht" bist - Interesse und Spaß an einem beruflichen Zweig reichen einfach nicht. Es braucht Können und eine gewisse Neigung/Begabung. Sonst wird es hakelig. Kompetenz und Liebe für den Beruf sollten also zusammenkommen.
Gleichzeitig kannst du es so sehen: Du solltest deinem Herzen folgen, aber deinen Verstand einsetzen. Den brauchst du, um z.B. zielführende Pläne zu schmieden und deinem Traumjob Stück für Stück näher zu kommen. Es ist durchaus normal, dass es auch viele Jahre dauern kann, bis man genau da angekommen ist, wo man sich genau passend fühlt. Es kann auch sein, dass du nicht nur viele berufliche Etappen meistern und unterschiedliche Erfahrungen machen musst, sondern auch noch eisern sparen musst. Gerade was eine mögliche Selbstständigkeit betrifft (was aber in so jungen Jahren seltener ein Thema ist).

Daher empfehle ich dir folgendes Vorgehen, das viele andere vor dir auch vollzogen haben und sich damit gleich mehrere Vorteile auf einmal geschaffen haben: Sie haben erst eine passende Ausbildung absolviert und dann gezielt ihren Wunschbereich anvisiert. Bei dir wäre das dann eine gastronomische bzw. konditorische Ausbildung. Im besten Fall könntest du deine Ausbildung sogar dort im Café machen - oder zumindest für ein Praktikum da arbeiten und Erfahrungen sammeln.
Warum ist das so klug? Einfach allein deswegen, weil es gut sein könnte, dass genau dieses Café gar nicht so traumhaft ist, wie es von außen scheint. Jedenfalls könnte es sich in mehreren Hinsichten herauskristallisieren, dass du dort unglücklicher bist als angenommen. Wir wissen es schlichtweg nicht. Gerade schaust du von außen darauf und stellst es dir rosarot vor. Den Arbeitsalltag kennst du nicht und weißt nicht, wie du dich in dem aktuellen Team fühlen würdest, wie du mit der Vergabe der Aufgaben zurechtkämst, ob die Vergütung fair ist, usw. Du würdest dann kostbare Zeit vertun. Generell würde ich mich an deiner Stelle niemals auf einen einzigen Ort/Job fixieren, sondern immer breitgefächerter bzw. grundsätzlicher schauen. Schicke Cafés z.B. gibt es nicht nur dort - du kennst sie nur noch nicht...
Auf der anderen Seite ist es eine wertvolle Erfahrung und kann eben genau das Gegenteil von Zeitverschwendung sein - selbst wenn es dir dort nicht sonderlich gut ergehen würde. Wenn du angemessen entlohnt werden würdest, wäre das ja schick. Eine Ausbildung könnte auch später erfolgen.

Alles in allem würde ich dir zu einer Ausbildung im Gastro-Bereich raten. Du kannst ja gucken, ob das genau dort gehen würde oder zumindest in der Nähe. Vielleicht könntest du dort auch noch ein wenig jobben. Also so ein bisschen wie "um einen attraktiven Planeten kreisen und mit einem Auge das Geschehen dort beobachten". ;)
Es ist okay, erstmal "nur" zu jobben. Du musst dir aber der sämtlichen Vor- und Nachteile bewusst sein. Ich kann dir versichern, dass es sich lohnt, frühzeitig mit der Ausbildung zu beginnen. Sonst lebst du sehr wahrscheinlich ziemlich lange mit eher schlecht bezahlten Gastro-Jobs und hangelst dich so durch. Das ist keine sonderlich schöne Aussicht - besonders, was das Armutsrisiko betrifft.

Also: Du kannst deine Träume leben - ja. Doch bitte mit einem durchdachten Konzept, das den Faktor Sicherheit bzw. Absicherung einschließt. Das kann phasenweise auch weniger sein, aber dafür lohnt sich das konsequente Sparen. So würdest du im Fall der Fälle einige Wochen oder Monate überstehen können, ohne nachts vor Finanzsorgen nicht schlafen zu können. Es kann sehr erfüllend sein zu wissen: Eines Tages kann ich meinen Traum verwirklichen, weil ich gerade alles dafür vorbereite und einen langen Atem beweise!

Wenn du allerdings partout keine Ausbildung machen möchtest, dann solltest du auch dazu stehen und deinen Eltern die Stirn bieten.
Beziehe sie doch einfach in deine Überlegungen mit ein und nutze ihr Wissen, um einen tragfähigen Plan zu erarbeiten! Dann verringerst du auch die Wahrscheinlichkeit, dass sie dir mit Unverständnis und Angst den Weg verbauen wollen.
Selbstverständlich kannst du ihnen auch immer ein STOPP signalisieren, wenn du etwas alleine entscheiden möchtest.

Du hast jetzt erstmal dein FSJ vor dir, was dir bestimmt noch einige spannende Impulse bescheren wird. Dort kannst du dich auch mit den verschiedenen Persönlichkeiten austauschen, die dir begegnen werden. Solltet ihr FSJ-Seminare haben, ist das auch eine tolle Zeit der Inspiration und zum Dazulernen. Auch über dich und deine Fähigkeiten bzw. Fertigkeiten. Alles Weitere wird sich noch finden, da bin ich ganz zuversichtlich.

Ich wünsche dir eine tolle FSJ-Zeit und alles Liebe für das neue Jahr!
Nuala