Problem von Anonym - 20 Jahre

Beziehung Borderlinee

Hallo,

Ich muss einfach mal etwas loswerden.

Mein Freund und ich sind seit fast 9 Monaten zusammen und haben schon einige auf und abs erlebt.

Er hat eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung (Borderline).
Es war von Anfang an klar, aber ich habe diese Krankheit unterschätzt.
Er kann schnell ausrasten, was bei uns desöfteren (alle 2-3 Wochen) arg eskaliert ist, da wir beide sehr impulsiv sind.
Ich versuche dann immer ruhig zu bleiben.
Manchmal habe ich auch Angst etwas zu kritisieren, da er es sofort als negativ auffasst und ich nicht möchte, dass er es falsch aufnimmt.
Generell sein krankheitsbedingten schwarz weiß denken macht mir schwer zu schaffen, da auch so geplante Aktivitäten manchmal nicht stattfinden.
Ich bin ein sehr emotionaler Mensch, was ihn manchmal noch überfordert.

Wir haben zu Beginn unserer Beziehung einen sehr großen Fehler gemacht und sind nach ca. 1,5 Monaten zusammen gezogen.
Ich bin vor 2 Jahren bei meinen Eltern raus zu meiner Ur-Oma, weil ich nur Streit mit meinen Eltern hatte. Dort habe ich ebenfalls ein Jahr gelebt.
Ich hab mich nirgends zu Hause gefühlt. Erst als ich bei ihm war.
Nach gut 3 Monaten hat er mich aber rausgeschmissen (es ist davor schon ein paar mal eskaliert).
Er hat Schluss gemacht weil ich ihm zu „spontan bin“.
Später hat sich herausgestellt, dass ihm sein Freiraum fehlt.
Ich wohne jetzt nach längerem hin und her wieder bei meinen Eltern. Das veehältnis ist besser aber nicht gut.
Ich fühl mich hier nicht wohl und würde am liebsten zurück zu ihm.

Wir haben dann 2 Wochen nur geschrieben, bis ich dann wieder zu ihm gefahren bin. Soweit lief alles gut. Haben uns in der Woche und vor allem am Wochenende gesehen.
Zwischendurch gab es Komplikationen, er hatte Angst vor meiner Familie und hast sie und mich weggestoßen.
Das kenne ich aber schon von ihm, deswegen werde ich solche Situationsabhämgigen aussagen nicht.
Jetzt haben wir Ferien und er meinte es ist kein Problem, dass ich diese 4 Wochen am Stück bei ihm bleibe.
Ich hab mich natürlich gefreut.
Letzte Woche hat er mich dann abends, obwohl vorher alles gut war rausgeschmissen.
Ich bin dann kurz weg aber wieder gekommen, da ich das nicht eingesehen habe.
Ich springe immer dann wann er will und habe das Gefühl, dass meine Bedürfnisse trotz Gespräche in den Hintergrund rücken.
Ich bin dann eine Woche da geblieben und wir haben abgemacht, dass ich nach dem Wochenende (da dort Weihnachten war) fahre.
Mir fällt das schwer, aber ich akzeptiere seinen Freiraum und habe schon immer versucht ihm diesen zu geben.
Am Montag morgen sagt er dann er möchte eig nicht dass ich fahre. Das hat für mich vieles schwerer gemacht, da ich es auch nicht wollte.
Er ist da sehr rational, während ich eher mit dem Herzen denke.
Weil wenn wir beide nicht wollen, dass ich fahre wieso sollte ich es dann?
Generell nervt es mich, dass ich immer die Fahrerei (Auto oder Bahn) habe, da er nur selten hier ist.
Ich habe dann angefangen zu weinen, weil es mir immer sehr schwer fällt von ihm weg zu fahren, ihn überfordern meine Ausbrüche dann.
Ich kann‘s aber nicht zurück stecken.
Ich habe das Gefühl, dass es für ihn alles so Larifari ist.
Er meinte dann dass wir uns doch wahrscheinlich Dienstag Abend, spätestens Mittwoch morgen wieder sehen und er mir das am Montag Abend noch schreiben wird.
Hat er nicht.
Ich habe ihn dann heute, Dienstag Mittag angeschrieben was denn jetzt sei?
Er meinte ob es ok ist dass ich erst morgen komme.
In mir tat wieder alles weh, da ich so gehofft habe es wäre anders.
Ich bin verletzt, da er nicht wie versprochen mir sondern ich wieder ihm schreiben musste.
Ich wusste jedoch durch sein Zögern, dass es nicht positiv für mich ausgehen wird. Sonst hätte er mir früher geschrieben oder zumindest ein „ ich vermisse dich“.

Ich habe generell das Gefühl, dass in dieser Beziehung vieles an mir kleben bleibt.
Ja er bessert sich, ist erwachsener selbstständiger geworden, aber dennoch fehlt mir da noch ein gutes Stück.
Ich bin seine Freundin. Nicht Therapeutin, Mitter oder sonstiges.

Er sucht sich zwar Hilfe, aber ich habe das Gefühl, dass das eher so halbherzig ist.
Es belastet mich alles sehr.
Liegt es an mir? An ihm?
Forder ich zu viel? Macht er zu wenig?
Ich liebe ihn, aber ich bin auch so verletzt.

Lan Anwort von Lan

Liebe Ratsuchende,

ich danke dir für deine Nachricht und dein Vertrauen.

Eine Beziehung mit einem Menschen mit Borderline zu führen ist sicherlich eine große Herausforderung. Das hast du auch mehrmals beschrieben. Menschen mit Borderline unterliegen plötzlichen Stimmungswechsel und sie sind relativ leicht frustriert und überfordert. Nur natürlich, dass das eure Beziehung auf die Probe stellt.
Borderline bedeutet immer ein ständiges Schwanken, Stabilität fehlt, muss sehr hart erarbeitet werden. Das Leben gleicht somit einer Art Achterbahnfahrt.

Du lebst derzeit auch mit einem ständigen Wechsel an Zuneigung und Ablehnung. Mal klappt es eine Weile lang gut, dann streitet ihr wieder und wirft dich kurzerhand raus. Das ist ein ständiges Auf und Ab, was dich sehr verletzt und belastet.


Keiner ist schuld

Du fragst, ob es an dir oder an ihm liegt oder dass er zu wenig macht oder du zu viel forderst. Das kann ich nur schwer beurteilen, zumal ich auch nur deine Sichtweise kenne. Ich denke aber, dass es generell nicht der richtige Weg ist, die Schuld bei einem von euch zu suchen. Der eine macht es falsch, der andere richtig. Das ist nicht zielführend. Das trennt euch nur mehr, vergrößert die Distanz zwischen euch beiden.

Stattdessen solltest du lieber darauf schauen, wo jetzt eure Probleme liegen und wie ihr sie gemeinsam lösen könnt. Vor allem aber ist es wichtig, dass ihr beide Verständnis füreinander entwickelt, ohne Schuldzuweisungen. Ihr solltet lernen, eine gesunde Kommunikation zu entwickeln und die Gespräche zu führen, die euch weiter und näher bringen als Paar.

Ich lese stark heraus, dass dich das sehr belastet und es ist toll, dass du dir jetzt bei uns Rat suchst. Das ist ein mutiger und wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Du weißt, dass es Handlungsbedarf besteht und dass es so nicht weitergehen kann.


Bei sich selbst anfangen

Ihr seid beide sehr impulsiv, wie du schreibst. Du selbst kannst deinen Freund natürlich nicht ändern, jeder kann nur sich selbst ändern. Du hast allerdings dein eigenes Denken und Handeln in deiner Hand und kannst auch an dir selbst arbeiten. Indem du lernst, ruhiger und weniger emotional zu werden, gehst du mit einem guten Vorbild voran. Das wird er merken und vielleicht wird das auch ihn dazu motivieren, an sich zu arbeiten. Ein Versuch wäre es wert.


Über Borderline informieren

Wenn du es bisher nicht getan hast: Informiere dich so gut wie es geht über Borderline. Je mehr Informationen du hast, desto leichter fällt es dir, sein Verhalten nachzuvollziehen und zu lernen, besser damit umzugehen.
Stelle deinem Freund Fragen, versuche einfühlsam zu sein und ihn zu verstehen.

Ich kann verstehen, dass es sehr anstrengend für dich ist, dass du sehr verletzt bist, wenn er sich nicht an Versprechen hält. Da ist es nur normal, dass du enttäuscht und verletzt bist. Aber versuche dich auch in seine Lage zu versetzen. Wahrscheinlich wollte er dich damit gar nicht verletzen, hat es vielleicht vergessen, war mit eigenen Problemen beschäftigt. Versuche Nachsicht zu zeigen, mehr Verständnis.

So schwer, wie es manchmal ist: Gib deinem Freund das Gefühl, dass du ihn so nimmst wie er ist. Dass er okay ist und so sein darf. Dass du ihn auch mit seinen negativen Seiten liebst. Akzeptanz ist ein wichtiger Schritt zur Besserung. Gib ihm die Sicherheit, die er braucht bei all diesen Schwankungen.


Das Gespräch suchen - aber richtig

Nach hitzigen Diskussionen wäre es erstmal gut, eine Pause einzulegen und dann wieder miteinander zu sprechen, wenn sich die Gemüter beruhigt haben. Dann lade ihn zu einem Gespräch ein. Schildere ihm, wie es dir geht, was du gern willst und was nicht. Sprecht euch aus, was für eine Beziehung ihr haben wollt, was euch gefällt und was nicht. Wo sind eure Baustellen? Was sind die lösbaren Konflikte und welche die unlösbaren? Könnt ihr die unlösbaren akzeptieren, lernen damit umzugehen?

Vielleicht geht ihr nochmal die Situationen durch, in denen der Streit wieder eskaliert ist. Was war passiert? Was war der Auslöser? Was hat wirklich dahinter gesteckt? Welche Bedürfnisse hattet ihr und welche wurden nicht erfüllt? Was könntet ihr machen, wenn sich wieder ein Streit ankündigt?

Denk aber dran: Eure Bedürfnisse sind gleichermaßen wichtig. Es ist schön, wenn du ihm entgegenkommst und versuchst, dich an ihn anzupassen. Aber auf Dauer wird dich das nicht glücklich machen, wenn du nur tust und machst, aber deine Bedürfnisse nicht beachten werden. Du erwähnst selbst, dass du das Gefühl hast, als würden deine Bedürfnisse in den Hintergrund rücken.

In einer Beziehung sollten beide ihr Glück finden und nicht nur einer. Es wird nicht immer so sein, dass beide gleich viel geben und bekommen. Mal einer mehr, mal einer weniger. Aber im Großen und Ganzen sollte es so sein, dass ihr beide auch zufrieden seid.
Wenn du willst, dass deine Bedürfnisse beachtet werden, musst du sie ins Spiel bringen, darüber reden und ihm das sagen, was du dir wünscht. Er wird es von allein nicht wissen, weil er zu viel mit sich beschäftigt ist.
Schaut mal, dass ihr beide einen Mittelweg findet, zum Beispiel auch bei der Frage, wer wen und wie oft besucht. Das frustriert dich sehr, immer diejenige zu sein, die fährt. Das solltest du auch sagen und dann als Wunsch formulieren, dass er dich auch mal gerne besuchen könnte.

Es ist wichtig, dass du dir gegenüber und ihm ehrlich bleibst. Ich kann verstehen, dass du ihn nicht mehr kritisieren willst, aus Angst, er könnte es wieder zu negativ auffassen. Aber ihm etwas vorzuenthalten und ihn anzulügen, kann auch nicht gut sein, am Ende kommt es auch raus und du verrätst dich selbst. Achte vielleicht, wenn du Kritik äußerst, wie du es tust. Der Ton macht viel aus. Auf Vorwürfe und Schuldzuweisungen solltest du eher verzichten. Bleib bei dir, sprich nur von dir, wie du etwas empfindest beispielsweise: "Mich belastet es sehr, wenn wir uns so viel streiten..." oder "Ich bin immer sehr traurig, wenn du mich aufforderst zu gehen."

Achte trotzdem darauf, dass du auch Abstand zwischen den Gefühlen deines Freundes bekommst und vor allem wenn es wieder zum Streit kommt. Da mal einen Schritt zurück zu machen und zu reflektieren, was da gerade passiert, was er getan und gesagt, kann helfen, die Nerven zu behalten. Das ist generell auch in allen anderen Beziehungen wichtig, aber in eurer umso mehr.


Professionelle Hilfe suchen

Es ist überhaupt nicht schlimm, sich auch an Außenstehende zu wenden, wenn du allein nicht zurechtkommst.
Du könntest dich an Beratungsstellen wenden, vielleicht auch an Selbsthilfegruppen für Menschen mit Borderline? Diese sind auch für Angehörige und Partner eine gute Anlaufstelle, um sich darüber auszutauschen und welche Möglichkeiten es gibt, damit umzugehen.
Eine weitere Möglichkeit wäre auch, einen Paartherapeuten aufzusuchen. Alleine würde vorerst auch gehen, besser wäre es aber natürlich, das zusammen zu machen. Auch der Besuch eines Psychotherapeuten könnte dir weiterhelfen, besonders wenn dir das alles an die Psyche geht.


Achte auf dich selbst

Du hast es gut auf den Punkt gebracht: Du bist seine Freundin, nicht seine Therapeutin. Klar könnt ihr über vieles reden, aber du bist nicht diejenige, die für sein Wohl zuständig ist. Das hat er in seiner Hand.

Unbedingt solltest du auf dich und dein Wohlbefinden achtest und dir auch Unterstützung suchen, wenn du das nicht mehr packst. Dabei solltest du auch lernen, Grenzen zu ziehen. Viele Betroffene haben nicht gelernt, ordentliche Grenzen zu ziehen. Du kannst das aber einfordern und ihm somit auch beibringen.


Hier habe ich dir noch einige Beiträge verlinkt. Schau doch gern mal rein:
http://www.borderline-borderliner.de/beziehung/ratgeber-partner.htm
https://www.beziehungsweise-magazin.de/ratgeber/liebe-emotion/borderline-und-beziehung-was-partner-wissen-sollten/
https://mein-kummerkasten.de/243914/Zusammengezogen-und-Borderliner-deswegen-ist-meine-Beziehung-in-Gefahr.html
https://www.wunderweib.de/beziehung-mit-borderline-wie-der-gefuehlskrebs-mich-beziehungsunfaehig-macht-98844.html
https://www.liebesmeer.de/ratgeber/partnerschaft-beziehung/borderline-beziehung-der-richtige-umgang/
https://www.zeit.de/zett/liebe-sex/2017-03/wie-es-sich-fuer-mich-anfuehlt-mit-einer-borderlinerin-zusammen-zu-sein?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.de%2F


Ich wünsche euch beiden alles Liebe, Gute und Kraft.

Viel