Problem von Anonym - 30 Jahre

Warum neig ich von Männer weg?

( im vor Feld hatte ich schon oft Beziehungen gehabt zu Männer und klar hatten wir auch Sex. Nur nach einer Zeit hab ich so ne Abneigung und Eckel Gefühl entwickelt.)

Ich hab Mal so ne Frage....
Mir ist das eigentlich auch ziemlich peinlich die Frage....

Ich hab zur Zeit gemerkt das ich eine Abneigung und Eckel, fast schon Brechreiz bekomme wenn ich ein Penis von einem Mann sehe. Und die Männer interessieren mich auch gar nicht mehr so, selbst die Vorstellung das wenn die mich anfassen Eckelt mich nur an.

Da komm ich jetzt zu meiner Frage

Ist das normal oder werd ich langsam lesbisch?

Nuala Anwort von Nuala

Hallo du!

Ich verstehe, dass dir ein Anliegen peinlich ist. Es ist sehr wichtig, dass du dir diese Fragen stellst. Es ist auch klasse, dass du dich getraut und uns geschrieben hast.

Auf deine konkrete Frage im Titel deiner Zuschrift kann ich dir leider keine Antwort geben - aber du selbst kannst das! Irgendwo in dir liegt sie verborgen.

Mal ganz grundsätzlich: Nein, es ist nicht normal, sich vor etwas zu ekeln, wenn es gute Erlebnisse gegeben hat. Das wäre ja auch widersinnig. Dazu dann gleich noch mehr.
Und auch vorneweg: Du kannst nicht lesbisch "werden", wie du einen Beruf ergreifen kannst, ein Hobby für dich entdeckst oder ein neues Outfit für dich findest. Da gehört bedeutend mehr dazu, ein wichtiger Bestandteil deines Ichs. Man kann lange Zeit verdrängen, was man eigentlich sexuell und romantisch empfindet. Aber man kann nicht mit dem Kopf entscheiden, welcher Richtung man sich ab sofort zuwendet. Und schlechte Erfahrungen machen auch nicht, dass du eine neue sexuelle Ausrichtung hast.
Ekel vor etwas zu haben, bedeutet ja nicht, dass man deswegen etwas Anderes umso mehr mag. Das sind zwei verschiedene Dinge - eine sexuelle Orientierung, die entweder schon in dir vorhanden ist und sich ggf. langsam zeigt, und die Abneigung vor Penissen. Damit meine ich: Wenn du Frauen* nie anziehend gefunden hast, warum solltest du das plötzlich tun? Ich sehe da vielmehr den Ekel, den du aus bestimmten Ursachen heraus aufgebaut hast. Was Anderes wäre es natürlich, wenn du merken würdest, dass du Männer* generell sexuell nicht mehr so reizvoll fändest. Da solltest du dich ganz genau beobachten und reinspüren, was du genau empfindest.

Eventuell hast du gar nichts konkret gegen Penisse, findest sie aber nicht erotisch genug und hattest dann zu viele schlechte Erlebnisse. So ein bisschen so wie "ich habe mich überessen und nun ist mir schlecht".
Es kann ja auch sein, dass deine sexuellen Erfahrungen mit Penissen im Speziellen zu negativ waren - wundern würde es mich nicht. Wir sind allgemein noch zu wenig auf Augenhöhe in heterosexuellen Kontakten, zu viel Penisfixiertheit, zu viel Konzentration auf männliche Befriedigung. Das meine ich gar nicht im Sinne von "die mit dem Penis sind schuld", es gehören ja mindestens zwei dazu und arbeiten mitunter ungünstig zusammen.
Vielleicht hast du zu oft die Erfahrung machen müssen, dass deine eigenen Bedürfnisse auf der Strecke geblieben sind? Vielleicht dachtest du, du müssest dein Gegenüber oral am Penis befriedigen, "weil das ja so sein muss" (muss nicht!!). Das würde für mich zumindest erklären, warum sich da immer mehr Widerwillen und Ekel aufgebaut hat. Möglicherweise war sogar schon Gewalt dabei - das wäre furchtbar. Bei dem Wort Brechreiz, das du verwendet hast, muss ich an die schrecklichen Pornoszenen denken, in denen die Frauen* mehr oder weniger genötigt, werden, den Penis in den Mund zu nehmen. Das sieht einfach nur sch... aus. Als wären sie Objekte, die benutzt werden. Wo bleibt ihr freier Wille, ihre Lust, ihre Spontanität in dem Moment, Nein zu sagen?! Vielleicht findest du dich darin ja wieder...
Sollte da etwas gewesen sein, könntest du dich entsprechend beraten lassen, z.B. in einer Beratungsstelle für Betroffene von (sexualisierter) Gewalt. Es hilft auch sehr, das Erlebte genau aufzuschreiben oder mit einer nahestehenden Person zu sprechen. Das erleichtert sehr!

Ich empfehle dir außerdem, dich viel mit dir selbst auseinanderzusetzen. Was willst du, was brauchst du? Wo liegen deine persönlichen Grenzen? Was glaubst du über Sexualität, was beschränkt dich? Ich sehe Sexualität als eine wunderbare Möglichkeit an, sich vertrauensvoll nahe zu sein. Aber ohne Respekt, Ehrlich - und Offenheit und Kommunikation über das, was gewünscht wird, wird es rasch zu einer frustrierenden Angelegenheit, die einsam macht.
Wenn du dich auch körperlich entdeckst, dich selbst erkundest, Sex mit dir selbst hast, wirst du selbstsicherer und kannst deinen Sexpartner:innen genauer zeigen, was dir gefällt. Egal, welches Geschlecht die Person hat.
Und wenn du das Gefühl hast, dass du gerne andere Geschlechter sexuell kennenlernen möchtest, kannst du dich da vorsichtig herantasten. Guck' dich im Alltag um, wen du alles spannend findest - und warum. Was zieht dich an? Manchmal muss man aber auch ein wenig nachhelfen. Es gibt z.B. einige Datingplattformen, die das ermöglichen (die offen sind für verschiedene Konstellationen und sexuelle Vorlieben). Du könntest dort mal nach Frauen* schauen und gucken, wie das für dich ist. Letztendlich ist es ein weites Feld - vielleicht bist du ja offen für alle Geschlechter, was ja schon eine weitreichende Feststellung wäre. Und den Druck rausnehmen würde, dass mit dir was nicht stimmen könnte oder du lesbisch "wirst".

Wenn du dich _eigentlich_ schon als überwiegend heterosexuell einschätzt, würde ich dir raten, bewusst aufzuarbeiten, was in der Vergangenheit falsch gelaufen ist. So kannst du für neue Begegnungen mit Männern* effektiver gucken, wer mit dir harmoniert und wo du dich aufgehoben fühlst. Dazu kann gehören, sexuelle Praktiken anzusprechen, die du eventuell nicht möchtest. Also wenn du einfach Oralsex, zumindest mit Penissen, nicht magst, oder auch Penis-Vagina-Sex bzw. überhaupt penetrative Praktiken mit dem Penis ablehnst, solltest du das sagen. Es nützt ja nichts, immer wieder die gleichen negativen Erfahrungen zu produzieren, weil der Andere es nicht weiß. Es kann auch helfen, sich bewusst viel Zeit zu lassen, bis es zu eindeutigen sexuellen Handlungen kommt. Die Vertrauensbasis ist ja echt wichtig.

Vielleicht magst du Männern* schon sexuell nahe sein, aber nur auf ganz bestimmte Weise, die nicht mit den gängigen Klischees und Rollenbildern zusammenfällt. Wir haben alle etwas davon, wenn wir uns von den Erwartungen lösen, die durch die Gesellschaft, Mainstream-Pornos und Stereotype vermittelt werden.

Möglicherweise bist du eher im asexuellen Spektrum angesiedelt (was Geschlechtsverkehr und andere Arten von Sex aber nicht ausschließen muss). Das würde dann natürlich alle Geschlechter betreffen, nicht nur Männer*.
https://queer-lexikon.net/uebersichtsseiten/a_sexualitaet/

Wir sind auch sexuell immer auf der Reise. Selbst diejenigen, die meinen, sie seien absolut sicher in ihrer sexuellen Identität, werden ab - und zu Ausnahmen bzw. Einschränkungen feststellen. Denn letztlich reicht die Begegnung mit einem ganz bestimmten Menschen, mit dem es einfach passt und die Funken nur so fliegen :)

Du siehst: Es ist alles okay mit dir, denn du bist grundsätzlich IMMER okay. Du hast nur viele Fragen in dir, die Antworten brauchen. Die Reise geht für dich in eine neue und vielversprechende Richtung. Indem du dich selbst erforschst und freundlich zu dir bist, wirst du neue Erkenntnisse gewinnen und dich und dein (Sex)leben bereichern können.

Ich wünsche dir viel Freude beim Entdecken und Ausprobieren!
Nuala