Problem von Viki - 24 Jahre

Mutter nimmt meine Gefühle nicht ernst

Hallo Zusammen,
Ich bin zwar schon 24, jedoch nimmt meine Mutter, meiner Meinung nach, meine Gefühlslagen ihr gegenüber nicht ernst. Schlimm wird es wenn ich versuche ihr zu sagen, wie sehr sie mich mit manchen "Sprüchen" verletzt hat, dann hat sie früher schon angefangen, alles ins lächerliche zu ziehen. Wenn wir uns streiten und ich meine Tränen nicht zuückhalten kann, werde ich sofort belächelt uns als Drama Queen dargestellt und dass ich mich ja nur selbst bemitleide. Am schlimmsten trifft es mich wenn sie mich kritisiert und im anschluss sagt: " sei froh, dass ich nicht jedes mal meinen Mund aufmache, wenn mich etwas stört, dann würde ich gar nicht mehr fertig werden!"
Ausserdem habe ich durch gewisse Umstände kaum soziale Kontake, geschweige denn richtige Freunde, die mir nahe stehen und oft muss ich mir dann anhören, dass ich doch selbst schuld bin wenn ich so ein arschloch bin. Meine Mutter sagt diese Dinge zwar im "Spaß" wenn ich mich über jemanden aufrege, jedoch versteht sie nicht, dass mich auch solche sachen sehr verletzten und mich dazu bringen, die schuld immer bei mir zu suchen. Ich weiss langsam nicht mehr, wie ich mit ihr darüber reden kann, ohne belächelt und nicht ernst genommen zu werden.... Bitte helft mir eine Lösung zu finden!!!

Nuala Anwort von Nuala

Liebe Viki!

Ich bin sehr erschrocken darüber, was du beschreibst. Nein, das ist kein Spaß, das ist verbale Gewalt.
Du hast einen respektvollen Umgangston verdient. Außerdem ist es sehr grausam, dir noch zusätzlich Schuld zuzuweisen an den wunden Punkten, die ohnehin schon sehr schmerzlich für dich sind.

Das Mutter-Tochter-Verhältnis ist manchmal eine heikle Angelegenheit. Bestimmte Konflikte können sich häufen. Allerdings gibt es keine Ausrede, keine Entschuldigung für gezielte Angriffe!

Das Wichtigste zuerst: Nimm deine Gefühle ernst und handle entsprechend - egal wann, mit wem und wo!
Andere Menschen spüren, wenn du dich und deine Empfindungen runterspielst, ignorierst oder abwertest. Sie werden dich stets genau danach behandeln, was natürlich zu deinem Nachteil gereichen wird. Das Verhalten deiner Mutter passt da genau hinein. Wenn du dich jedoch liebst, schätzt und gut zu dir bist, entziehst du Anderen den Nährboden für jegliche Art von Angriff. Es ist keine Garantie, aber es erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass du in Ruhe gelassen wirst. Weil du zeigst: Ich stehe für mich ein! Das ist der Respekt, vor dir selbst, den du ausstrahlst. Und dann wirst du ernstgenommen. Dana hatte das einmal in der folgenden Problemantwort schön auf den Punkt gebracht: https://mein-kummerkasten.de/75562/Probleme-mit-anderen-Menschen.html

Nun ist es aber auch so, dass ihr euch schon lange kennt und die Verhaltensweisen Rollen in eurer Familie über viele Jahre gewachsen sind. Daher reicht es nicht, nur sich selbst anzuschauen und anders zu denken. Jedenfalls nicht, wenn alles Andere gleich bleibt. Grenzen setzt du eben nach außen, z.B., in dem du entschieden widersprichst oder die Situation verlässt, wenn deine Mutter wieder übergriffig wird. Das hat also viel mit einer kompletten Verhaltensänderung zutun. Es beginnt im Kopf, geht über die Gefühle und fließt in deine Handlungen. Das braucht Geduld und Übung.
Ich gebe dir dazu noch ein Beispiel: Höre auf, über anderer Leute Verhalten zu schimpfen. Das erzeugt nur eine schlechte Atmosphäre, in der es schwieriger für dich wird, konstruktive Lösungen zu finden, weil alles nur ausweglos und von Grund auf "böse" wirkt.
Ziehe lieber Konsequenzen zu deinen Gunsten. Das kann u.a. daraus bestehen, dass du jemanden sachlich auf etwas ansprichst und aus deiner Ich-Sicht beschreibst, wie du dich mit etwas gefühlt hast. So kann eine Annäherung erfolgen und letztlich viel mehr Nähe entstehen. In diesen Bereich zählt auch, nachsichtig mit der Umwelt bzw. den Mitmenschen zu werden. Wir müssen nicht alles gutheißen, aber wir müssen uns auch nicht immer wieder neu aufregen und uns dadurch aus unserer Mitte reißen lassen. Wenn du gelassener wirst im Laufe der Zeit, wirst du auch verbale Attacken ruhiger durchstehen können. Es ist zwar okay, emotional zu sein. Warum nicht weinen, wenn es verletzend ist? Doch es ist auch wohltuend, wenn man in sich ruht und sich sozusagen "den eigenen Teil denkt", während das Gegenüber Gift und Galle spuckt...
Die Steigerung davon ist, auch diejenigen, allen voran deine Mutter, mit liebenden Augen zu sehen, auch wenn sie sich aggressiv geben. Letztlich sind wir alle die gleichen Geschöpfe, die nicht von Anfang an gemein und niederträchtig sind. Wir können üben, Anderen zu vergeben, indem wir uns selbst vergeben. Wir sind alle fehlbar und gleichzeitig alle in Austausch miteinander. Man denke nur an die Geschichten von Jesus.
Ich will dir damit verdeutlichen, was potenziell alles möglich ist. Das heißt nicht, dass du das alles gut finden und umsetzen wollen musst.
Das waren einige Dinge, die in den Bereich "innere Distanz zum Geschehen schaffen", fallen - ohne die aufkommenden Gefühle zu unterdrücken.

Daneben gibt es noch einen weiteren Aspekt, der einen pragmatischen Hintergrund hat: Angriffsfläche entziehen durch räumliche Distanz.
Auch wenn es für dich vielleicht neuartig sein sollte, den Gedanken zuzulassen, empfehle ich dir, in grundsätzliche Distanz zu deiner Mutter zu treten. Denn "normales" Reden scheint hier nicht zu fruchten - ganz im Gegenteil, scheint es sie nur noch mehr anzuregen, grausam zu sein. Vielleicht wohnt ihr im gleichen Haushalt oder recht nahe beieinander. Dann wäre ein Auszug angebracht bzw. eine Kontaktreduzierung.
Deine Mutter ist sehr wahrscheinlich selbst unglücklich, was sich in diesen Gewaltakten zeigt. Ein überwiegend glücklicher Mensch wertet andere Menschen nicht dauernd ab. Daher ist es auch Quark, deine Mutter als "gefährlich" oder schuldig zu bezeichnen. Es ist tragisch und sehr schade. Und es ist änderbar. So wie du dein Leben verändern kannst, könnte sie es ebenfalls tun.

Du bist ein eigenständiger Mensch, der für sich selbst entscheiden kann und darf. Du musst nicht in diesem "Schicksal" verharren! Du kannst ein neues und freieres Leben beginnen. Das beginnt damit, dass du JA zu dir selbst sagst, was beinhaltet, dass du NEIN zu jeglicher Form von Abwertung sagst. Niemand darf dich so behandeln, auch deine Mutter nicht! Wenn sie das nicht begreifen möchte, ist das traurig, aber zu akzeptieren.
Du kannst also sehr wohl mit ihr reden - aber gleichzeitig sollte die Abnabelung von ihr erfolgen. Du kannst ankündigen, dass du dich nicht mehr länger so behandeln lassen und den Kontakt einschränken wirst. Das könnte so aussehen, dass du dich nur dann bei ihr meldest, wenn du wirklich Lust darauf hast. Und dass du steuerst, wie eure Begegnungen verlaufen (Dauer, Ort, Inhalte, Grenzen, Stopps...).

Das ist sicherlich jetzt erstmal hart, dir das vorzustellen. Ungewohnt, unrealistisch, was auch immer. Unser Kopf flüstert uns da sofort ein, warum das nicht klappen kann. Aber es kann klappen - wenn wir den festen Willen zur Veränderung haben.
Es ist ein herausfordernder Weg und gleichzeitig ein beglückender, weil er in die Autonomie führt. Diesen Weg musst du selbstverständlich nicht alleine beschreiten. Daher empfehle ich dir ausdrücklich, dich beraten zu lassen. Es gibt spezielle Familienberatungsstellen. Auch eine Frauenberatungsstelle oder eine allgemein psychologisch orientierte Beratungsstelle kommen in Frage. Dort könntest du auch gleich deine anderen privaten Themen, z.B. die soziale Isolation, ansprechen. Letztlich greifen ja viele Faktoren ineinander. Ein wichtiger Faktor ist natürlich der zwischenmenschliche. Wenn du dir neue soziale Kreise erschließen konntest, kannst du dir allein darüber mehr Hilfe holen, neue Kraft tanken und Zuversicht gewinnen.

Ich verlinke dir weiterführende Infos bzw. ähnliche Zuschriften als Ergänzung bzw. Vertiefung.
Zum Konflikt mit deiner Mutter:
- https://www.leben-und-erziehen.de/kind/erziehung-entwicklung/frauen-und-ihr-weiblicher-nachwuchs.html
(am Ende gibt es zwei Buchtipps)
- https://mein-kummerkasten.de/Soforthilfe/10/Familie-allgemeine-Familienprobleme.html
- https://mein-kummerkasten.de/333751/Angst-vor-Kontakt-mit-Familie.html
- https://mein-kummerkasten.de/237009/Eltern-glauben-nicht-an-mich.html
- https://mein-kummerkasten.de/255511/Meine-Mutter-kontrolliert-mich.html
- https://mein-kummerkasten.de/283261/Eltern-Kontakt-komplett-beenden-und-ein-neues-Leben-beginnen.html
Zu sozialen Kontakten:
- https://mein-kummerkasten.de/83380/Freunde-finden.html
- https://mein-kummerkasten.de/333781/Einsamkeit.html
- https://mein-kummerkasten.de/332958/Ich-finde-keinen-Draht-mehr-zu-anderen-Menschen.html
- https://mein-kummerkasten.de/333021/Leute-kennenlernen-ist-nicht-schwer-Freunde-haben-dagegen-sehr.html
- https://mein-kummerkasten.de/333648/Niemanden-zum-reden-Selbstzweifel-kein-Selbstwertgefuehl.html

Du siehst: Es gibt viel, was du zum Positiven verändern kannst. Auch wenn deine Mutter sich nicht grundlegend verändern wird, kannst du lernen, Frieden damit zu schließen und dich ganz auf dich zu konzentrieren.

Ich wünsche dir alles Gute und eine angenehme Sommerzeit!
Nuala