Problem von Anonym - 30 Jahre

Erschöpft, müde, antriebslos… Alles zu viel…

Liebes Kummerkasten-Team,

vielen Dank schonmal im Voraus, das ihr euch die Zeit für mich nehmt, finde ich super was ihr hier macht!
Leider bin ich niemand der viel redet und über Probleme schon 2x nicht daher weiß ich nicht ob mir schreiben leichter fallen wird, aber ich versuchs jetzt einfach mal…
Mein Problem ist das mir langsam alles zu viel wird und ich kein Ende mehr sehe… Ich bin nun fast 7 Jahre in meinem Betrieb und war vorher lange Zeit Arbeitsuchend, hunderte Bewerbungen aber niemand wollte mich einstellen. Durch ein Praktikum in meinem jetzigen Betrieb wurde ich sofort genommen und ich habe mich damals enorm darüber gefreut, auch wenn es alles andere ist als der Job den ich immer wollte, endlich aus dieser Arbeitslosigkeit draußen zu sein. Die Arbeit blieb, die Freude verging… Die ersten Jahre war alles super und ich ging jeden Tag energiegeladen in die Arbeit aber heute seh ich mich einfach nurnoch als Depp vom Dienst…
Ich versuch meine Arbeit immer noch gut zu machen und der Chef meinte vor einiger Zeit auch ich bin sein bester und fleißigster Angestellter, ist zwar natürlich schön das er meine Arbeit zu schätzen weiß (oder wusste, weiß nicht ob es heute auch noch so ist) aber zum einen übt das auf mich einen gewaltigen Druck aus immer alles möglichst perfekt zu machen und zum anderen wundert mich nicht mit fast 400 Überstunden… Überstunden aufbauen geht immer, abbauen aber ist nie drin… Ich bin nie krank, in der ganzen Zeit die ich hier arbeite war ich kein einziges mal krank und auch bestimmt 10 Jahre vorher nicht, weder Erkältet noch Corona oder sonst was… Mich macht höchstens langsam die Arbeit krank, ständig Überstunden, Stress hier, Stress da, dazu noch ständig gestrichene und oder gekürzte Urlaube… Und ich kann natürlich nicht nein sagen da ich dann auch wieder keine Ruhe hab…

Vor einiger Zeit wurde ich auch Stellvertretung, sozusagen schleichend indem ich immer öfters mit meiner Schicht alleine gelassen wurde und mit den Worten „Du machst das schon“ oder „Auf dich kann ich mich verlassen“… Wurde nie gefragt ob ich das möchte geschweige denn das ich dafür mehr Gehalt bekommen hätte oder irgendwas… Jetzt verdiene ich eh schon so wenig und dazu kommt noch das ich täglich eine Stunde im Auto sitze was noch dazu unglaublich viel Geld verschlingt, ständig was kaputt, Sprit so furchtbar teuer geworden sodass ich eigentlich inzwischen nurnoch arbeite um mir den Weg in die Arbeit leisten zu können. Vor einigen Wochen habe ich mich dann überwunden und mal nach einer Gehaltserhöhung oder sonstige Hilfe gefragt damit ich mich mit der Fahrerei auch mal leichter tu… Ich hab zwar mehr bekommen, allerdings bin ich davon doch mehr enttäuscht nur so einen mickrigen Betrag mehr zu bekommen für all das wie ich mich immer reinhänge und ausgaben habe um überhaupt jeden Tag da zu sein…

Naja inzwischen und das geht jetzt schon seit langem so das ich einfach keine Lust mehr habe, ich versuch zwar nach wie vor meine Arbeit gut zu machen aber merke selbst einfach das ich immer mehr nachlasse und vor allem davor oder danach ist überhaupt nichts mehr mit mir anzufangen, hab zu nichts wirklich Lust, ich bin immer müde und kaputt, erschöpft und antriebslos auch in meiner wenigen Freizeit, ich hab auch irgendwie keine große Lust auf Hobbys was ich immer gerne gemacht habe... Früher bin ich gerne und viel gereist, aber auch dafür fehlt einfach die Energie, zum einen denk ich mir es kostet eh nur wieder jede Menge Geld das ich mir mühsam wieder erarbeiten muss und zum anderen hab ich auch einfach keine Lust mehr irgendwas zu machen… Auch mit Freunden mache ich immer weniger, ich hab zwar eh nicht viele aber ich kann einfach nicht, letztens als ein bekannter fragte ob wir an dem und dem Sonntag was machen hab ich nein, da hab ich keine Zeit gesagt weil ich Sonntags einfach meine Ruhe will… Ich weiß nicht woher andere die Kraft und Energie haben Sonntag oder allgemein in ihrer Freizeit noch dies und das zu tun, teils extremst anstrengende Dinge, ich bin da einfach nur kaputt und hab eigentlich auf nichts Lust

Vor kurzem habe ich jetzt mal meinen Urlaub bekommen, tatsächlich mal ungekürzt aber Erholen konnte ich mich auch nicht… stattdessen sehe ich nur wie plötzlich die Zeit beginnt zu rennen, ein Tag nach dem anderen vergeht, wie kurz eine Woche sein kann und ich mich quasi schon wieder in die Arbeit quälen muss und wie weit der nächste Urlaub dann wieder entfernt ist… wie lange jede einzelne Stunde, jeder einzelne Tag, jede einzelne Woche plötzlich wieder wird… Einen Tag ganz am Anfang dieses Urlaubs habe ich mich mal aufgerafft und bin in die Berge, eine Gegend wo ich früher (noch vor wenigen Jahren) tagelang hintereinander war und 15-20km weit am Tag gewandert bin gefahren, es war schon schön, aber nach einer Weile war ich kaputt, stand dann vor einem kleineren Hügel, nichts hohes nur ziemlich steil und ich dachte echt da komm ich nicht mehr rauf… klar vllt. auch einfach nicht mehr gewohnt… Und je näher das Urlaubsende kommt desto weniger hab ich Lust irgendwas zu machen, aufstehen wird wieder von Tag zu Tag schwerer… deswegen habe ich diesen Ausflug gleich am Anfang gemacht…
Und nach dem Urlaub sehe ich auf dem Arbeitsplan… mein freier Tag in dieser Woche wurde schon wieder gestrichen… es geht wieder los…

Ich hab einfach den Eindruck dass ich in meinem Leben nichts anderes mache als Arbeiten Arbeiten Arbeiten… ich kanns nicht beschreiben aber es ist einfach wie gefangen und man kommt da nicht raus, jeden Tag der selbe Mist, jeden Tag dieser Stress, jeden Tag tut alles weh, jeden Tag Überstunden und gedankt wird es eh nicht… Ich bin da jetzt seit 7 Jahren und wenn ich daran denke wieviele Arbeitsjahre noch vor mir liegen wird mir schlecht… Ich weiß ich brauche das Geld, aber was bringt mir das Geld wenn ich dabei kaputt gehe… Ich kann auch nicht einfach wechseln da ich in den Jahren davor gesehen habe wie furchtbar schwer es für mich ist einen Job zu bekommen und da denk ich mir dann auch wieder ich kann meinen Chef nicht hängen lassen…

Vor einigen Tagen habe ich ein YouTube Video eines recht erfolgreichen YouTubers angeschaut der eines seiner Abenteuer erfolgreich abgeschlossen hat und noch einige Schlussworte hatte bei denen mir echt die Tränen kamen…
„… Ich möchte kein Zombie sein der durch sein Leben trottet und jeden Tag das gleiche macht und das Highlight ist dann das Bier am Abend und ein bisschen auf dem Sofa gammeln“ … „und wenn der Moment so weit ist, in dem mein letzter Atemzug gekommen ist, wird das Leben noch einmal an mir vorbeiziehen und ich werde jeden einzelnen Moment mit einem Lächeln genießen…“,
und bei diesem Satz hab ich an mein eigenes Leben gedacht, nur Lächeln hab ich mich dabei nicht gesehen…

Irgendwie würd ich einfach gerne was ändern, Problem ist ich weiß nicht was oder wie… ich weiß, das könnt ihr mir vermutlich auch nicht sagen und das muss ich selbst wissen aber ich weiß es einfach nicht… ich seh mich auch in keinem anderen Job… ich trau mir nichts zu… meinen Traumjob, der einzige den ich immer machen wollte, darf ich aufgrund einer Lähmung die ich schon immer habe nicht machen da ich durch den Medizinischen Check nicht durchkomme, ist zwar mittlerweile 10 Jahre her, aber daran scheiterte es damals, einzig und allein daran was für mich gesehen überhaupt kein Problem wäre, der selbe Grund warum ich allgemein große Schwierigkeiten am Arbeitsmarkt habe.

Tut mir Leid dass das ganze jetzt so lang geworden ist, eigentlich wollte ich garnicht so weit ausholen aber ich musste es mal los werden. Danke das ihr euch die Zeit dafür nehmt das hier zu lesen und evtl zu beantworten, vllt habt ihr einen Tipp für mich was ich machen kann/soll. Danke dafür.

Liebe Grüße

Lan Anwort von Lan

Lieber Ratsuchender,

danke für dein Vertrauen und dass du uns geschrieben hast.

Das klingt so, als wärst du eindeutig mit Arbeit überlastet, du kommst an deine Grenzen und merkst, dass dich der enorme Arbeitsaufwand körperlich wie auch geistig total überfordert. Das klingt auf jeden Fall sehr besorgniserregend und als würdest du kurz vorm Burnout sein.

Es ist toll, dass du so vorbildlich bist, selten krank bist und so viel schaffst. Das wird auch geschätzt, du machst eine gute Arbeit. Aber für welchen Preis?
Eindeutig leidet deine Lebensqualität und auch dein eigenes Wohlbefinden wie deine Gesundheit darunter. Ist es das wirklich wert?

Was bringt es dir, wenn du schuftest und deine Gesundheit aufs Spiel setzt? Für wen oder was? Ich kann verstehen, dass du alles geben willst und dass du auch vom Geld abhängig bist. Aber es gibt auf jeden Fall immer mehr als eine Lösung und dass du so weitermachst, ist definitiv keine gute und gesunde. Das könnte eher dazu führen, dass du dich kaputt arbeitest und am Ende einfach für längere Zeit arbeitsunfähig und kaputt bist.


Erschöpfung und Problemen erkennen und akzeptieren

Um aus diesem Tief rauszukommen, müsstest du erkennen, dass es dir nicht gut geht und dass sich etwas ändern muss, damit es dir wieder besser geht. Du musst deine eigene Erschöpfung erkennen und als solche annehmen. Das kann sehr schwer sein und lange dauern, aber wäre ein erster Schritt, damit es besser wird.


Ursachen herausfinden

Dann schau genau hin und finde die Gründe heraus, die zur hohen Belastung führen. Du hast schon einige genannt, aber vielleicht schaust dir genau an, welche sehr entscheidend sind: die hohe Arbeitsbelastung, wenig Wertschätzung (auch finanziell), hohe Ansprüche von außen und an dich selbst, fehlender Ausgleich, gekürzter oder gestrichener Urlaub, langer Arbeitsweg, ständige Pendelei usw.
Wäre es möglich, die Arbeitsbelastung noch mehr zu reduzieren? Mehr Geld scheint dauerhaft keine Lösung zu sein, um das alles auszugleichen, was dich belastet.

Und Grenzen setzen ist unbedingt notwendig. Vor allem wenn es dir so schlecht geht wie jetzt. Das bedeutet auch, dass du das Arbeitspensum unbedingt reduzieren und auch Arbeit delegieren solltest. Und auch mal Nein sagst, wenn es dir zu viel wird. Du hast geschrieben, dass du nicht gefragt wurdest. Aber damit stellst du dich selbst als Opfer dar. Du hast die Wahl, du hättest auch Nein sagen können. Ich weiß, wie schwer das ist. Aber es ist unbedingt notwendig, dass du lernst, das Nein durchzusetzen. Wenn du nicht gefragt wirst, musst du aktiv werden und von dir aus sagen, dass du es nicht willst. Es wird Zeit, dass du jetzt vor allem an dich denkst. Deine Gesundheit steht auf dem Spiel.

Versuche außerdem genügend Pausen zu schaffen und auch nach Feierabend wirklich abzuschalten. Finde in deiner Freizeit Dinge, die dich entspannen. Vielleicht hilft leichter Sport, Spazieren gehen, Musik hören, ein Buch lesen, um überhaupt runterzukommen. Finde Dinge, die dir wieder Energie und Freude geben. Fange klein an, das ist auch schon wertvoll. Tue für dich Gutes, verwöhne dich und nimm dir Zeit, um dich zu erholen. Und mach dich selbst nicht fertig, wenn du nicht die Kraft und Motivation hast, etwas zu unternehmen und dich mit Freunden zu treffen. Du bist gerade körperlich und mental sehr erschöpft, sei nachsichtig und geduldig mit dir.


Arbeitsbedingungen verändern

Meiner Ansicht nach, solltest du unbedingt etwas tun, aber auf keinen Fall so weitermachen. Such das Gespräch mit deinem Chef. Sage ihm ehrlich, wie es dir geht, dass du echt fertig bist. Das kostet Überwindung und Mut, aber du musst da unbedingt etwas tun, so kann es nicht weitergehen. Ihr könnt dann gemeinsam schauen, welche Möglichkeiten es gibt, die Arbeitssituation positiv für dich zu verändern. Weniger arbeiten oder vielleicht auch einfach eine Auszeit nehmen, wären für dich wahrscheinlich gut. Aber das solltet ihr unbedingt einmal besprechen.

Sollte dein Chef nicht einsichtig sein und sollten keine Besserungen in Sicht sein, würde ich an deiner Stelle nach anderen Jobs Ausschau halten. Das ist natürlich eine schwerer Schritt zu mal du auch lange nach einem neuen Job vor Jahren gesucht hast. Doch jetzt ist die Situation anders. Du hast jede Menge gute Arbeitserfahrungen vorzuweisen und sehr gute Referenzen als guter Mitarbeiter. Es sollte für dich wesentlich einfacher sein, einen besseren Job zu finden. Denn momentan werden deine Arbeit und du als Mitarbeiter nicht so gewürdigt, wie es sein sollte, wenn du schreibst, dass du dich selbst nur als Depp vom Dienst siehst und dir der Urlaub gekürzt oder gestrichen wird und du nicht mal deiner Arbeit entsprechend bezahlt wirst. Damit tust du dir selbst keinen Gefallen, länger für diesen Betrieb zu arbeiten und das auch noch zu unterstützen.

Also meiner Ansicht nach gibt es kaum Gründe, zu bleiben. Außer, dass du überhaupt Geld bekommst. Aber es finden sich ganz sicher noch andere bessere bezahlte Jobs und Betriebe, die dich besser behandeln und als Mitarbeiter wertschätzen.

Ich will dir das nicht aufzwingen, das musst du für dich entscheiden. Ich kann dir nur den Rat geben, dich nicht länger unter deinem Wert zu verkaufen. Denn so etwas hast du ganz sicher nicht verdient.


Hilfe suchen

Gehe bitte zum Hausarzt und schildere ihm deine Beschwerden. Dieser wird dich dann sehr wahrscheinlich erstmal krankschreiben. Das allein würde dir vermutlich jetzt auch einfach gut tun. Einfach mal Abstand von dieser Arbeit gewinnen, um alles zu durchdenken und nach neuen Jobs zu schauen.

Vielleicht sprichst du auch mit deinem Hausarzt bezüglich eines therapeutischen Angebots. Du schreibst, dass du nicht so gern über Probleme redest, aber es ist vielleicht in deinem Fall absolut wichtig, dass du dich einer professionellen Person anvertraust. Es muss nicht mal ein Therapeut sein, vielleicht hilft auch schon ein Lebensberater oder überhaupt eine Beratungsstelle, die man kostenlos aufsuchen kann und Unterstützung erhält.


Ich habe dir noch einige Beiträge verlinkt, in die du gern reinlesen kannst:
https://macht-immer-sinn.de/burnout-die-totale-erschoepfung/
https://karrierebibel.de/ausgelaugt/
https://www.stepstone.at/Karriere-Bewerbungstipps/burnout-am-arbeitsplatz/

Ich wünsche dir von Herzen ganz viel Kraft, Mut und alles alles Gute. Ich glaube fest daran, dass du alles in dir hast und dein Leben in eine positivere Richtung verändern kannst.

Liebe Grüße,
Lan