Problem von Laura - 26 Jahre

Ich bin immer das Problem

Hallo Zusammen. Seit nun fast 2 Jahren bin ich mit meiner Partnerin in einer Beziehung und im letzten Jahr zu ihr gezogen. Sie war stets Verständnisvoll dem gegenüber, dass ich kaum sozialen Aktivitäten ausübe, da sich mein Freundeskreis auf 1 Person beschränkt, welche nicht in der Umgebung wohnt. Neue Stadt, neuer Arbeitgeber - da denkt man viele neue Kontakte. Leider wurde ich bitter enttäuscht, da es sich in dieser Umgebung als eher schwierig darstellt, als "Die Neue" Freundschaften zu finden. Meine Freundin und ich verbringen aber sowieso gerne Zeit zu weit, oder mit ihrer Familie. Es kommt aber nun immer öfter vor, dass sie geplante Unternehmungen absagt (meist aus wirklich verständlichen Gründen). Meine Enttäuschung kann ich ihr gegenüber aber selten verbergen, immerhin freut man sich ja auch darauf, wenn man etwas geplant hatte und nun plötzlich nicht mehr. Seit neuem ist sie aber sauer auf mich, wenn ich enttäuscht bin. Ich solle dann mit jemanden anderes gehen und mich nicht immer verkriechen. Letzteres verstehe ich, aber auf mich wütend zu sein, weil ich enttäuscht bin? Das verletzt mich, immerhin hatte ich mich ja darauf gefreut. Und das ich für sie hier her gezogen bin und dadurch keine wirklichen Freunde hier habe, ist kein Thema, das ich ansprechen möchte, da es mir unfair erscheint, ihr das vorzuwerfen.
Da wir nur noch am Wochenende etwas gemeinsames planen können, betrübt es mich umso mehr, dann doch wieder nur auf der Couch zu sitzen. Alleine traue ich mich nicht viel zu unternehmen, meist komme ich mir dumm dabei vor und bekomme Angstzustände.

Aufgrund meiner Denkweise, sehe ich inzwischen nicht mehr, ob es eine Banalität ist, oder sich zu einem wirklichen Problem entwickelt. Und da ich für diese Beziehung natürlich auch arbeiten möchte, ist es mir wichtig andere Meinungen einholen.
Mir ist bewusst, dass ich nicht jede freie Minute mit ihr verbringen muss. Die Vorwürfe meiner Gefühle gegenüber verletzten mich aber immer wieder und ich weiß nicht, wie ich das wirklich abstellen kann.

Ist es wirklich ein reines "Ich-Problem", oder ist meine Enttäuschung angebracht?

Lan Anwort von Lan

Liebe Laura,

ich danke dir für deine Zuschrift und dass du dich uns anvertraut hast.

Ich bitte dich: Rede dir nicht ein, dass du das Problem seist. Das bist du ganz sicher nicht. Ich lese heraus, dass du dich sehr nach Nähe sehnst, dich sozial isoliert fühlst und deine Freundin deine einzige wirkliche Bezugsperson in der Nähe ist. Da liegt dein Fokus natürlich umso mehr auf ihr. Du hängst dann umso mehr an ihr, da dir andere soziale Kontakte fehlen. Das kann natürlich dann auch einen gewissen Erwartungsdruck erzeugen. Und wenn sie absagt, fühlst du dich natürlich enttäuscht, weil du dich so darauf gefreut hast. Deine einzige Bezugsperson momentan kann dann keine Zeit mit dir verbringen.
Aber dass du das Problem bist, stimmt so nicht. Das Problem ist momentan eher, dass du sonst keine anderen Menschen hast, mit denen du Zeit verbringen kannst. Aber daran kannst du arbeiten.

Du fragst dich, ob das nur eine Banalität oder ein wirkliches Problem ist. Das kommt darauf an. Belastet es dich? Wenn ja, dann ist es schon ein Problem, das du angehen solltest.

Es ist total verständlich, dass du enttäuscht bist, wenn deine Freundin Unternehmungen absagt. Paar mal kann schon vorkommen, aber ständig? Da verstehe ich auch deine Unzufriedenheit. Ihr habt schließlich etwas ausgemacht, du hast dich darauf vorbereitet, darauf eingestellt, dass ihr Zeit miteinander verbringt.

Vielleicht horchst du mal in dich hinein, warum du so enttäuscht bist. Steckt dahinter wirklich nur die Freude, die dann wiederum zunichte gemacht wird? Oder etwas anderes?

Du schreibst, dass sie die Unternehmungen aus verständlichen Gründen absagt. Was sind das für Gründe?

Ich würde an deiner Stelle nochmal mit deiner Partnerin reden und ihr mitteilen, wie du dich damit fühlst und dich vielleicht auch vernachlässigt fühlst, weil sie öfter die Verabredungen absagt. Es geht dabei nur darum, ihr zu schildern, wie du dich fühlst, und wie du das alles wahrnimmst, ohne ihr Vorwürfe zu machen oder ihr Verhalten zu werten. Und dass es dich auch nochmal verletzt, dass sie wütend auf dich ist. Du kannst nichts gegen die Enttäuschung machen, die stellt sich automatisch ein. Und wenn man immer und immer wieder enttäuscht wird, dann lässt das einen ja auch nicht kalt, das ist verständlich.

Aber versuche dennoch auch Verständnis ihr gegenüber zu zeigen und ihre Perspektive einzunehmen.
Frage sie, warum sie so wütend ist. Und ob sie es nicht ein wenig versteht, warum du enttäuscht bist?
Möglicherweise wird es ihr aber zu viel mit der Zeit. Vielleicht lastet zu viel Erwartungsdruck auf ihr, dass ihr immer etwas zusammen macht? Vielleicht braucht sie auch mehr Zeit für sich?
Der offene und ehrliche Dialog zwischen euch, bringt euch hoffentlich wieder näher zusammen.

Korrigiere mich, wenn ich falsch liege, aber kann es sein, dass du indirekt doch erwartest, dass deine Freundin immer für dich da ist und Zeit mit dir verbringt, sie verantwortlich für dein Glück ist? Denn solange ihr zusammen seid, bist du sehr wahrscheinlich auch nicht einsam und unglücklich. Doch sollte sie keine Zeit haben, fällst du in ein Loch und machst sie vielleicht unbewusst dafür verantwortlich. Doch Partner sind nicht dafür da, unsere Bedürfnisse zu befriedigen oder unsere Erwartungen zu erfüllen. Sie können auf Wünsche eingehen, müssen es nicht.
Darum würde ich mich an deiner Stelle von dieser Erwartungshaltung "Meine Freundin soll immer Zeit haben und mich glücklich machen" befreien. Nur wir selbst sind in der Lage uns glücklich zu machen, so sollte es sein. Du solltest dich nicht von anderen abhängig machen. Denn dann passiert genau das: Du bist enttäuscht und ziehst dich mehr zurück und unternimmst nichts. Du brauchst aber nicht zwingend jemanden, um etwas zu unternehmen und eine schöne Zeit zu haben. Klar ist es ungewohnt, aber du wirst merken, dass das Alleinsein auch Vorteile mit sich bringen kann. Wenn du auch zulässt, auf die positiven Seiten zu schauen.

Ich kann mir vorstellen, dass es nicht einfach für dich ist, jemanden in dieser neuen Stadt zu finden. Und da ist es schön, wenn du eine Partnerin hast, mit der du viel Zeit verbringst.

Allerdings denke ich, dass es dich auf Dauer auch vielleicht unglücklich macht, wenn du nur sie als Bezugsperson hast. Das macht dich abhängig und führt eben dazu, dass du erwartest, dass ihr immer Zeit zusammen verbringt. Und du dann eben nichts tun kannst, wenn sie mal nicht kann.

Darum lege ich dir ans Herz: Versuche trotzdem rauszukommen. Wenn man mit der Partnerin zusammenwohnt, schleicht sich auch eine gewisse Bequemlichkeit bei vielen ein. Man muss sich ja eigentlich nicht mehr um soziale Interaktionen bemühen, wenn die Partnerin immer verfügbar ist. Aber wenn sie es nicht ist, was dann? Musst du das hinnehmen und dann dich einsam und enttäuscht fühlen?

Ich denke, dass du so langsam ins Handeln kommen solltest und es trotzdem versuchen solltest, noch andere Kontakte zu finden. Das nimmt den Druck auch von deiner Freundin. Es ist leichter gesagt als getan, aber ich glaube, wenn du wirklich willst und aktiv wirst, kann es klappen.
Dazu müsstest du natürlich aus der Komfortzone rausgehen, die ja gemütlich und geborgen ist. Und ja, es setzt voraus, sich zu überwinden und aktiv zu werden.

Ich weiß, wovon ich spreche. Auch ich bin mal in eine fremde Stadt gezogen und hatte nur meinen Partner, sonst keine Freunde. Anfangs habe ich mich noch an ihn geklammert, dachte, dass es ausreicht. Aber ich habe gemerkt, dass es nicht weitergehen kann, sich zu sehr auf eine Person zu fixieren, mit der man eben auch nicht alles machen kann. Also bin ich aktiv geworden, bin zu Sportkursen gegangen, habe mich ehrenamtlich engagiert, im Internet nach neuen Kontakten gesucht, neue Hobbys für mich entdeckt. Klar, war es nicht immer leicht, aber am Ende hat es sich gelohnt. Dafür müsstest du aus deiner Komfortzone raus, aktiver werden und auch mal Neues ausprobieren. Mag sein, dass es ein wenig dauert, bis du Menschen findest, mit denen du dich verstehst. Aber ich bin mir sicher, dass es da draußen Leute gibt, mit denen du auf einer Wellenlänge bist.

Vielleicht überlegst du auch mal, was dich so interessiert und welche Aktivitäten du gut findest. Und dann schaust du mal, ob es solche Sachen in deiner Stadt gibt, bei der du andere kennenlernen kannst.

Es ist verständlich, dass du dich davor fürchtest, alleine etwas zu unternehmen. Wir sind es oftmals einfach nicht mehr gewohnt. Es fordert den Mut sehr heraus, es doch mal zu wagen. Und wenn du einfach mal etwas allein unternimmst, was dir generell viel Freude bereitet? Vielleicht ist da die Hemmung nicht ganz so groß?

Ich hoffe, dass ich dir einige Anregungen geben konnte und wünsche dir alles Gute!

Liebe Grüße,
Lan