Problem von Anonym - 33 Jahre

Kein Vater, nur Erzeuger

Hallo,
ich habe ein Problem mit meinem "Vater", auch wenn ich ihn so gar nicht mehr nennen möchte, weil er es nie wirklich zu mir war. Ich möchte mich einfach nur mal "auskotzen", in der Familie das zu bringen würde nicht gehen, da man das sooo schlimm auch nicht wieder findet und ich übertreibe ja auch...

Nein, Übertreibung ist es nicht. Nur so manches wird einem erst in späterem Alter bewußt und man lernt Zusammenhänge kennen, die man als Kind nicht verstehen konnte. Mein Vater schwängerte meine Mutter (damals 18) - ein Skandal! Folge: es mußte geheiratet werden, weil ich unerwünscht unterwegs war. So kam ich dann auch und meine Mama sagte, ich sei damals ein schwieriges Kind gewesen. Andererseits denke ich, daß sie mit ihren 19 Jahren auch überfordert gewesen war und mein Vater wollte mich nicht. Schon gar kein Mädchen. Erinnerungen als Kind habe ich nicht viele Gute, die meinen Vater betreffen. Es gab immer Streit zwischen den Eltern, sie schrieen sich in meinem Beisein an, es flogen verbale Kraftausdrücke, die Ehe war nicht sehr glücklich. Ich erinnere mich als Kleinkind im Alter von etwa 4 Jahren - ich wurde gemaßregelt von meinem Vater (warum auch immer, ob zu recht oder nicht ist auch egal) und aus Trotz sagte ich "du Sau!" - wie man es halt vorgesungen kriegt. Ein Kind von 4 Jahren sagt das, wenn es sich anders nicht auszudrücken weiß. Mein Vater hinterher, schreiend, paßt mich im Kinderzimmer ab, fragt: "was hast du gesagt?" - das Kind schreiend, weinend, verängstigt. "Mau!" Ich wollte es nicht wiederholen und fing zu reimen an. Flatsch - ein Schlag auf die Wange mit seiner brutalen Pranke, mir flog der Kopf zur Seite. Die gleiche Frage - wieder eine falsche Antwort, Flatsch! So bekam ich vielleicht 4 Schläge bis meine Mutter entsetzt auftauchte, ihn anschrie aufzuhören und mich in Schutz nahm. "sie hat aber Sau gesagt..." verteidigte er sich und begann mit seiner Frau zu schreien - der Ehekrach war durch mich wieder da und ich hatte ein schlechtes Gewissen. Meine Backen waren geschwollen, grün und blau und man ließ mich ein paar Tage vom Kindergarten weg. Von allen Seiten wurde mir eingetrichtert, nichts zu erzählen, sonst käme der Papa weg. Ich sei die Treppe hinabgestürzt, sollte ich stattdessen sagen und daß der Papa auch genau richtig reagiert hätte, ich sei schließlich frech gewesen. Früher hätte man die Kinder mit Gürteln und Dachlatten verprügelt, ich soll froh sein, daß es nur die Hand gewesen ist. Nundenn, froh darüber daß es so gut für mich doch ausgegangen war, ging mein Leben weiter. Ich wurde oft geschlagen, auch von Mama aber am brutalsten und auch wegen Nichtigkeiten von meinem Vater. Als 8jährige wurde mir feierlich von ihm eröffnet, daß ich nur noch 10 Jahre hier sein würde - er mich also nur noch so lange ertragen müßte, denn mit 18 Jahren und Volljährigkeit flöge ich mit hohem Bogen raus. Dafür würde er schon sorgen und das garantiere er mir. Diese Garantie bekam ich regelmäßig vorgetragen, zu allen Geburtstagen und er versprach meinem Bruder, der 6 Jahre jünger ist und sein "Bub" ist, daß er dann mein Zimmer auch bekäme und wie toll das für ihn doch wäre. Der freute sich natürlich schon darauf und als Kind macht man sich Gedanken, wohin man mit 18 nur hingehen soll, wenn einem die Familie nicht mehr will. Das ist so üblich, wurde mir gesagt. Ich war immer die dumme Kuh, die es zu nichts bringen wird, die zu blöd für die Realschule war - so mein Vater. Meine Mutter sagte nichts, nickte nur zustimmend, wenn wirklich schlechte Klausuren anstanden und er sie wieder gegen mich aufhetzte. Wegen kleinster Kleinigkeiten fing mein Vater Streit mit mir an und schlug und brüllte um sich. Natürlich uferte das immer in einen handfesten Ehekrach, weil er nicht verstand, das meine Mutter mir beistehen wollte. Das Ende war meistens, ich schlich geduckt von dannen, meine Mutter zog wieder für einige tage aus dem gemeinsamen Schlafzimmer aus, heulte - mein Vater ging fort, was trinken, kam voll wieder und randalierte weiter. Wie oft hatte er mir vorgeworfen, seine Ehe zerstört zu haben. Ich hatte nur schlechte Gewissen deswegen und konnte doch gar nichts dafür. Meinem Bruder und dem Hund gegenüber war er verständnisvoll, großzügig und zärtlich. Mich stieß er brutal zur Seite, wenn ich mich an meine Mutter kuscheln wollte und setzte sich zu ihr. "Hau ab oder ich werfe dir was nach!" war der Kommentar von ihm und Mama grinste hilflos.
Sicher gab es auch manche angenehmen Sachen, ab und zu tat er ganz nett zu mir aber das blieb eher die Seltenheit. Mit 18 verhinderte meine Mutter, daß er mich wirklich rauswarf, ich war mitten in der Lehre. Er verlangte fast mein ganzes Geld als Miete, rechnete mir auf, was ich verkonsumierte auf seine Kosten, auch wenn Mama das Geld verdiente. Auch bekam ich eine Aufstellung, was ich ihn bisher als Kind gekostet hätte und drohte mir, das alles zurückzuverlangen. Ich lachte ihn damals verständnislos aus und bezog meine letzten großen Prügel. Darauf habe ich selbst das Haus im Krach verlassen und mußte meine Schlüssel dafür bei ihm noch abgeben, erhielt Hausverbot. Heimlich besuchte ich meine Oma, die im selben Haus wohnt und die das auch nicht verstand, auch wenn sie ihrem Schwiegersohn immer die Stange hielt.
Meine Mutter veranlasste, daß ich kurze Zeit danach in die Einliegerwohnung unseres neugebauten, anderen Hauses einziehen konnte, wofür mein Vater natürlich gleich Miete verlangte. Sie war es auch, die mir die Möbel finanzierte. Ich durfte nichts zu meinem Vater sagen, er hätte sie dafür geschlagen. Er weiß bis heute nichts davon. Vor 10 Jahren starb meine Mutter an Krebs, sie war lange krank und hat sehr unter ihm gelitten, da er auch keine Rücksicht auf ihre Situation nahm. Es stand im Raum, daß sie sich scheiden lassen wollten, aber leider starb sie davor... Plötzlich suchte mein Vater mich und ich habe doch immer um seine Aufmerksamkeit gekämpft. Er schlug mich, schrie mich an, machte mich nieder und ich küßte ihm dafür die Füße um wenigstens einmal Anerkennung zu bekommen. Er war allein, mein Bruder zu klein und ich übernahm alles, erledigte mit ihm alle Formalitäten, ging auf die Behörden, organisierte dies und das, lud ihn ein mit mir auszugehen um auf andere Gedanken zu kommen, weil ich dachte er sei mir dafür dankbar und endlich hätte ich zu ihm gefunden! Aber er nutzte mich nur für sich aus, er trauerte nicht wirklich, suchte sich einen Freundeskreis aus lauter gescheiterten Existenzen, die ihm ständig Recht gaben in Allem und schon war ich überflüssig. er warf mich weg wie Dreck. "Wenn du doch nicht geboren worden wärest, ich hätte nie geheiratet! Erst jetzt weiß ich, was ich all die Jahre verpaßt habe" sagte er mir ins Gesicht, bestieg seinen neuen roten Mercedes und fuhr mit Kumpels und Weibern in Urlaub. Es tat so weh, auch meiner Mutter gegenüber, die alles Geld zusammengehalten hatte, damit die beiden nie in Schulden waren, ein angenehmes Leben führen konnten. Ich distanzierte mich von ihm und er unterstütze meinen Bruder wo es ging. Er bekam alles von ihm und mein Vater grabschte mir an meinem 30. Geburtstag an den Busen und warf mir ein Kuvert mit Geld hin. Dankeschön! Mittlerweile reden wir gar nicht mehr miteinander, wir haben uns ganz böse verkracht, weil er einfach nur ein widerlicher, materieller, verlogener und falscher Mensch ist. In meiner Rage sagte ich ihm das was alle in der Familie denken: "ich wünschte, du wärest jetzt an Mamas Stelle!" Hart aber von Herzen. Er wäre von mir als Tochter maßlos enttäuscht und verbittert, erwiderte er darauf, knallte mir noch einige niveaulose Gemeinheiten an den Kopf, gönnte mir nicht mal mehr den Dreck unter den Fingernägeln und beendete damit das Gespräch. Bis heute, umsorgt meinen Bruder und dessen schwangere Freundin (die mit meinem Vater ein wunderbares Verhältnis hat, mit ihm auch den Charakter teilt, er sie infiziert hat und sie nun auch gegen mich ätzt, weil er doch so ein armer, einsamer Mensch ohne Frau ist und ich meinen Papa nicht mag. Meinen eigenen Papa, man stelle sich vor!), ich halte mich von ihm fern, führe eine harmonische Ehe mit einem wunderbaren, liebevollen Mann und entschuldige mich für diesen ellenlangen Bericht, der gar nicht so lange ausfallen sollte. Aber ich weiß nun, daß ein Kind nicht von grundauf schlecht ist - so wie er es mir immer bescheinigte und mich deswegen hasste und schlug. Nein, ein Kind wird durch seine Eltern dazu gemacht, was sie ihm vorleben. un wenn du dein Kind von vorneherein ablehnst, wirst du es nie lieben und anerkennen können. Egal wie sehr es sich anstrengt, das ist mir nun bewußt.
Danke für´s Zuhören :-)

Anwort von Sylvia

Grüß dich,

mir hat es fast die Tränen in die Augen getrieben, als ich deine Mail gelesen habe. Mir ist es wie wahrscheinlich wie jedem normal denkenden Menschen ein absolutes Rätsel, wie ein Vater so dermaßen fies mit seiner eigenen Tochter umgehen kann.

Natürlich ist das alles nicht deine Schuld, bei der Geschichte gibt es nur einen Schuldigen und das ist dein Vater. Warum er so ist, interessiert mich irgendwie auch nicht wirklich. Denn ich habe ehrlich gesagt wenig Lust für einen solchen Menschen auch nur ansatzweise Verständnis aufzubringen.

Er ist dein Vater, natürlich ist es deine Entscheidung wie du dein Leben weiter gestaltest, ob mit oder ohne ihn. Wäre ich in deiner Situation würde ich fast sagen, ich würde auf den Kontakt verzichten. Ich glaube die Schmerzen, das ungerechte Behandeln, etc. lässt sich nur schwer bis gar nicht wieder gut machen. Es gibt Menschen die wirst weder du noch ich verstehen und man möchte es bei Einigen auch gar nicht.

Vielleicht magst du auch mal über eine Therapie nachdenken um das Erlebte besser verarbeiten zu können.

Liebe Grüße
Sylvia