Problem von Anonym - 16 Jahre

Meine Familie schließt mich von allen wichtigen Dingen aus

Liebes Kummerkasten-Team!

Ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll... Also. Es fing damit an, dass mein Vater meiner Mutter erzählt hat, er habe eine Affaire. Das war so 2009. Es war früh morgens und ich lag noch in meinem Bett, als ich sie hörte wie sie geweint hat und ihn rausgeschmissen hat. Nach diesem Vorfall ist lange nichts mehr passiert, jedenfalls hab ich nichts mitbekommen. Ich dachte sie würden sich trennen, denn zuhause schauten sie sich nicht mehr in die Augen oder redeten mit einander. Aber nichts passierte. Irgendwann fingen sie an sich maßlos zu streiten, und es wurde immer heftiger und immer öfter. Aber sie trennten sich einfach nicht!!
Irgendwann hat meine Mutter dann Krebs bekommen. Sie hat es mir verschwiegen, ich habs erst Monate später herausgefunden, als sie ihn besiegt hatte. Das ist ja auch ziemlich gut, aber mich hat es sehr verletzt, dass sie kein Vertrauen zu mir hat. Und das hat sich nie verändert. Meine Schwester ist 19, und ihr wird alles erzählt. Sie ist so die Bezugsperson von meiner Mom, und dann haben die sich auch öfter zu dritt zusammen gesetzt und über irgendwas geredet, aber ich war immer außen vor. Sie haben wohl gedacht ich krieg nichts davon mit, von der Affaire und der Krebsgeschichte..
Ich weiß nicht genau warum, aber mein Vater und sie, sie trennen sich einfach nicht. Vielleicht denken sie, sie müssten wegen mir den Schein wahren! Oder mein Vater hat Mitleid weil meine Mutter nicht genug Geld verdient. Aber das passt auch nicht so recht...
Es geht mir einfach so schrecklich damit, nichts zu wissen über gar nichts! Ich kann gar nicht genau das Problem schildern, ich glaub da steckt noch mehr dahinter. Aber sie reden einfach nicht mit mir! Ich versuche immer auf sie zu zu kommen, aber es endet immer im Streit. Mittlerweile hassen meine Mutter und ich uns. Mein Vater arbeitet bis abends oder ist bei seiner Freundin (natürlich immer noch heimlich, ich weiß ja nichts davon), und meine Mutter ist am Wochenende in Berlin bei ihrem neuem Freund, und meine Schwester macht ein Auslandsjahr momentan, danach zieht sie zum studieren weg. Also meine Mutter und ich streiten uns einfach durchgehend, ich ertrag sie einfach nicht, ich hasse alles an ihr! Sie wirft mir jeden Tag vor, wie unzuverlässig, unerträglich zickig und ja kein bisschen so wie meine Schwester bin, ich soll mir ja mal eine Scheibe von ihr abschneiden. Ich ertrag die Frau kein Stück mehr! Sie behandelt mich einfach wie Dreck! Ich frag mich jeden Tag, was ich falsch gemacht habe, dass sie mir weder vertrauen kann noch mit mir reden kann. Und mein Vater ist nie zuhause, und reden kann man mit dem auch nicht.
Ich will verstehen warum sie sich nicht endlich trennen, und auseinander ziehen, dann wäre es soviel leichter für mich mit meiner Situation klar zu kommen.. Wenn alle auseinander ziehen, will ich auch ausziehen. Alleine wohnen. Aber ich weiß nicht wie ich das finanzieren kann.. Hab ich Ansprüche auf irgendwas? Also auf das Kindergeld ja, aber ansonsten? Wo kann ich mir Hilfe suchen um auf eigenen Beinen zu stehen? Ich will nicht mehr abhängig von meiner Mutter sein!

Ich hoffe ihr könnt mir irgendwie helfen.. Ich verstehe selber nicht, was bei uns zuhause los ist, das einzige was ich weiß ist, dass ich es hier nicht länger aushalte. Ich werde ausgeschlossen, es wird nie nach meinen Sorgen oder Problemen gefragt.. Dann will ich lieber komplett weg.
Das ganze klingt jetzt, wo ich es mir nochmal durchlese, harmloser als es ist.. Ich hoffe ihr könnt das einschätzen.. Ich hab immer versucht mit allen zu reden, aber dann fangen sie an mich anzuschreien, das mich das nichts angeht und geben mir Hausarrest. Ich bin kein kleines Kind mehr, ich will ernst genommen werden, verdammt nochmal!!

Und vielen Dank, dass ihr diese Seite hier habt. Das ganze so aufzuschreiben fällt leichter als es jemandem zu erklären.. Ich verstehs wie gesagt selbst nicht so ganz, ich weiß nur, das es mich belastet.

Carolin Anwort von Carolin

Liebe Unbekannte,


ich kann sehr gut verstehen, wie wütend Du bist, weil Du dich von so vielen Familienangelegenheiten ausgeschlossen fühlst. Es ist meiner Meinung nach nicht fair, dass man Dir so viele Informationen, sowohl die Affäre als auch die Erkrankung Deiner Mutter, einfach vorenthält. Nach meinem Empfinden hast Du ein Recht darauf solche Dinge zu erfahren, sonst wäre überhaupt kein familiäres Zusammenleben möglich. Ich finde es daher gut, dass Du vor Deiner Mutter auch versucht hast Dein Recht einzufordern. Es tut mir sehr Leid, dass hieraus so ein großer Streit entstanden ist.

Natürlich kann ich sehr gut verstehen, dass das Verhältnis zu Deiner Mutter momentan aus vielen Gründen nicht einfach ist. Vielleicht meint sie es jedoch gar nicht annähernd so böse, wie man auf den ersten Blick glauben mag. Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass Deine Mutter Dich überhaupt nicht liebt und wertschätzt, im Gegenteil. Als ich Deine Nachricht gelesen habe, kam mir der Gedanke, dass Sie dich möglicherweise vor diesen Ereignissen schützen wollte. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie Dir ihre Lasten nicht aufbürden wollte und deshalb lieber geschwiegen hat. Ich bin zwar selbst keine Mutter, aber ich kenne genug Mütter, die oft ein besonderes Bedürfnis haben insbesondere ihre jüngsten Kinder vor allen schlechten Dingen und Einflüssen zu schützen. Selbstverständlich bist du mit 16 Jahren schon eine junge, einsichtige Frau, die sich mit diesen Dingen auseinander setzen kann und will, aber manchmal tun sich Mütter einfach unheimlich schwer damit anzuerkennen, dass sie mittlerweile schon fast erwachsene Kinder haben. Vielleicht kannst Du in diesem Zusammenhang trotz Deiner Wut ein wenig Verständnis für sie aufbringen. Ich bin mir sehr sicher, dass sie es eigentlich gut mit Dir meint, dabei aber in meinen Augen zu falschen Mitteln greift.

Sowohl das Geständnis Deines Vaters, als auch die Diagnose Krebs sind sehr einschneidende Erlebnisse, die Deine Mutter vermutlich schwer getroffen haben. Zwei Krisen in so kurzer Zeit sind nicht leicht zu bewältigen. Vielleicht hatte sie in dieser Zeit einfach nicht die Kraft Dir all das zu erklären, was sie beschäftigt und war deshalb in so gereizter Stimmung. Manchmal ist man so randvoll mit Wut, Trauer und anderen schlechten Gefühlen, dass es einem die Sprache verschlägt und man so überfordert ist, dass man alles und jeden verfluchen könnte. Diese Ausbrüche können dann auch leider geliebte Menschen treffen, so wie Dich.

Meiner Meinung nach ist ganz klar, dass sich an dieser Situation unbedingt etwas ändern muss. Du hast ein Recht darauf in Deine Familie eingebunden zu sein. Offensichtlich lassen Deine Eltern nur schlecht mit sich reden, deshalb würde ich Dir an dieser Stelle einen vielleicht etwas ungewöhnlichen Vorschlag machen, damit die Situation zwischen euch auch nicht eskaliert. Du könntest Deiner Mutter und Deinem Vater einen Brief schreiben, in denen Du ihnen ausführlich Deine Gedanken und Gefühle beschreibst. Versuch deutlich zu machen, wie ausgeschlossen Du dich fühlst und dass es Dir sehr wichtig ist als Teil der Familie auch an den Problemen innerhalb des Familienlebens teilhaben zu dürfen. Betone, dass Du Fragen hast, die Dir sehr auf dem Herzen liegen und die Du unbedingt geklärt haben möchtest, zum Beispiel warum sie sich nicht trennen. Vielleicht könntest Du im Rahmen dieses Briefes auch noch einmal ein gemeinsames Gespräch zu einem bestimmten Zeitpunkt vorschlagen, an dem ihr euch alle nichts vornehmt und miteinander reden könnt. Möglicherweise könntest Du auch Deine Schwester in diesem Zusammenhang um Unterstützung bitten.

Bezüglich deines Wunsches ausziehen zu wollen und selbstständiges Leben zu beginnen, kann ich Dich wirklich sehr gut verstehen. Leider glaube ich kaum, dass das so funktionieren würde, selbst wenn Du ausreichende finanzielle Unterstützung bekommen würdest. Ich nehme an, Du gehst noch zur Schule und bereitest Dich auf Deinen Abschluss vor, da kann ein eigener Haushalt eine große zusätzliche Belastung sein. So schwer es auch erscheinen mag, bitte gib nicht auf mit Deinen Eltern zu reden! Solltest Du das Gefühl haben mit der Situation nicht mehr allein zurechtzukommen, scheue Dich nicht um Hilfe zu bitten. Eine erste Anlaufstelle kann zum Beispiel ein Vertrauenslehrer oder eine Vertrauenslehrerin in Deiner Schule sein, möglicherweise bietet Deine Schule auch einen Schulsozialarbeitsdienst an, wo Du dich beraten lassen kannst. Du kannst auch selbstständig im Internet nach Beratungsstellen in Deiner Nähe suchen, zum Beispiel unter folgendem Link:

https://jugend.bke-beratung.de/views/wichtige-infos/beteiligteberatungsstellen.html


Ich wünsche Dir alles Gute und ganz viel Kraft!


Carolin