Problem von Anonym - 17 Jahre

Auslandsaufenthalt

Ich bin 17 Jahre alt und derzeit in den USA, wo ich grade ein Auslandsjahr mache.

Also erstmal zu meiner Persönlichkeit in Deutschland:
Ich bin einer der beliebteren auf meiner Schule und in meinem Freundeskreis. Jedoch bin ich derjenige, der nie was sagt, wenn ich jemanden neues treffe oder wen ich in einer größeren Gruppe (meist so über vier Leute) bin. Dies kommt wahrscheinlich daher, dass ich als ich in der 5. Klassen wegen meines Gewichtes gemobbt wurde. Womit ich mich aber mittlerweile abgefunden habe und mir bewusst geworden ist, dass ich da was machen kann und mir die Kommentarer anderer egal sind. Jedoch vermute ich auch, dass ich dadurch, dass ich gemobbt wurde ich mich sekbst immer noch vor andere Menschen und deren Reaktionen schützen will. Dies erlaubt es mir nicht wirklich ich selbst zu sein bei Leuten, die ich nicht kenne.

Nun ist die Lage hier so, dass ich als der komische Ausländer bei vielen abgestempelt werde. Ich habe hier zwar meien Freunde, jedoch auch nicht wirklich viele, aber ich bin sehr glücklich über diese und bei ihnen kann ich auch so sein wie ich bin. Aber sobald ich mich in einer größeren Gruppe oder Klasse befinde, schrinkt mein Selbstbewusstein und meine Hemmungen, etwas zu sagen, steigen extrem. Dies bringt mich in extrem viele unagenehme Situationen und ich weiß ich könnte nicht nur viel mehr Freunde haben, wenn ich mich selbst akzeptiere, mich ändere, auf Leute zu gehen und mein Selbstbewusstein stärke, sondern auch viell glücklicher sein. Und, dass ich sagen kann, dass ich wirklich glücklich bin hatte ich noch nie in meinem Leben.

Ich brauche einfach diesen einen Schritt, der mir hilft das Beste aus meinem Leben zu machen. Ich denke ich weiß, was ich machen muß, aber ich weiß echt nicht wie.
Ich hoffe, du kannst mir helfen und nicht nur die Zeit in Amerika, sonder auch meine generelle eine Bessere machen.

Vielen Dank für die Geduld, dass alles Durchzulesen und deine Antwort :)

Nuala Anwort von Nuala

Hallo du,

sei gegrüßt - ganz schön weit weg bist du von Deutschland! Ich finde es an sich schon beachtlich, dass du diesen Schritt gegangen bist: Ein ganzes Jahr im Ausland zu verbringen, noch dazu so fern der Heimat, ist mutig! Auch wenn es heute sehr angesagt ist, ein Auslandsjahr zu absolvieren, halte ich es dennoch nicht für selbstverständlich.
(Verstehst du, worauf ich hinauswill...?)

Ich denke, dass du falsche Vorstellungen über dich bzw. über dein Verhalten hast. Ein bisschen liest sich deine Beschreibung so, als müsstest du an dir nur den richtigen "Knopf" oder "Schalter" finden, diesen betätigen und schwupps! wäre alles besser. Doch: Man wird nicht glücklicher, nur weil man sich in bestimmten Hinsichten anders verhält. Punkt. Ich will dich hier ganz bewusst dieser Illusion berauben. Um ausgeglichen und auch mal glücklich zu sein sein, bedarf es viel mehr, als nur locker in zwischenmenschlichen Interaktionen zu sein und einige Freunde um sich zu scharen. Es gibt durchaus viele Menschen, die beides sind bzw. haben und sich trotzdem einsam, missverstanden und allein fühlen - und folglich nicht glücklich sind. Du kannst mit deinen besten Kumpels eine rauschende Party feiern und dennoch eine gähnende Leere in dir verspüren. Du kannst eine Freundin oder einen Freund haben, den du liebst und gleichzeitig kannst du dich traurig und unvollkommen fühlen. Woher kommt das? -
Ich bin durch einen Satz besonders "hellhörig" geworden: "Und dass ich sagen kann, dass ich wirklich glücklich bin hatte ich noch nie in meinem Leben." Wenn das wirklich deiner aufrichtigen Empfindung entspricht und für deine gesamte Lebenszeit gilt, für deine frühe Kindheit, für die Grundschulzeit und für deine Teenagerzeit - dann kann es nicht nur an deinem (damaligen) Gewicht oder Übergewicht gelegen haben. Denn nach dieser Logik hättest du ja auch ein fröhliches unbeschwertes Kleinkind, Kindergarten - und Grundschulkind sein können, das erst durch Mobbing ernsthaft Kontakt mit den Schattenseiten des menschlichen Zusammenlebens konfrontiert wurde. Wenn du aber schon sehr früh eher Unglücklichsein als das Gegenteil verspürt hast, häufig geknickt und gehemmt warst, muss es andere Ursachen geben. Das solltest du erforschen.

Eine Grundzufriedenheit, Lebenstüchtigkeit und die Fähigkeit, Glück zu verspüren, können sich in der Regel dann entfalten, wenn ein Baby in Liebe und Geborgenheit aufwächst und seine Bedürfnisse ohne Wenn und Aber befriedigt werden. Die ersten 3 Lebensjahre eines Menschen sind entscheidend, was die Basis für den Rest des Lebens angeht. Fehlen wichtige Elemente dieser "Seelennahrung", kann es zu Entwicklungsstörungen, psychischen Erkrankungen und/oder zu mangelndem Frohsinn kommen. Kann! Muss nicht. Es kommt immer auf die jeweilige Situation in der Familie an.

Eines darfst du nicht vergessen: Es ist kein "Normalzustand", sich permanent glücklich zu fühlen. Vielleicht ist es dir nur nicht bewusst, dass das Glück mitunter ein eher seltener Gast ist. Wenn es aber vorbeikommt, spürt man das, man nennt solche Augenblicke oder Zustände nicht umsonst "Glücksmomente". Das kommt z.B. sehr oft vor, wenn man verliebt ist und von der/dem Angebeteten Beachtung und positive Signale erhält. Aber auch im stinknormalen Alltag kann man klitzekleine Glücksmomente haben - es fährt ein rarer Sportwagen vorbei, den man schon ewig mal in Natura sehen wollte. Oder man hat ein bestimmtes Gefühl, handelt entsprechend und wird dafür belohnt, auf seine Intuition gehört zu haben. So ein Zustand kann auch echt schnell wieder verfliegen - manchmal ist man jedoch über Stunden, Tage oder Wochen in einem absoluten Hochgefühl. Das bleibt im menschlichen Leben trotzdem die Ausnahme. Stimmungsumschwünge über den Tag hinweg gehören genauso dazu wie Zweifel an sich selbst und das Denken, nicht "gut genug zu sein", etwas besser machen zu können oder zu müssen. Die Herausforderung besteht an dieser Stelle aber nicht darin, sich selbst zu verändern, um "perfekter" zu werden, sondern darin, gelassener zu werden und seinen Frieden mit sich zu schließen. Das ist sehr schwer, ich weiß! Gerade wenn von außen ständig suggeriert wird, dass man unbedingt der tolle Hecht, Sunnyboy oder sonstwas sein sollte...
In meinen Augen führt über kurz oder lang aber kein Weg daran vorbei, dass du lernst, dich selbst zu akzeptieren. Erst dann wirst du allmählich innerlich ruhiger und gelöster werden. Und vielleicht passiert es dann auch, dass du in Gruppen über 4 Personen auf Anhieb "du selbst" bist. Vielleicht auch nicht - und das müsstest du genauso akzeptieren wie alles andere auch. Die Chancen stehen aber gut, dass eine positive Veränderung in dir auch positive Erlebnisse in deiner Umgebung hervorruft - allein schon wegen deiner veränderten Ausstrahlung. Denn solange du selbst verunsichert bist, gibst du das immer zu einem gewissen Grad an deine Mitmenschen weiter, welche auch verunsichert werden können und sich ggf. dir gegenüber nicht so verhalten, wie es für dich angenehm wäre. Letztlich ist das ein blöder Teufelskreis, den du durchbrechen kannst!

Zurückhaltung in größeren Gruppen ist übrigens nicht so abwegig, wie es dir vielleicht erscheint. Ich finde es ganz im Gegenteil sehr klug, ersteinmal in Ruhe abzuwarten, die Anderen auf sich wirken zu lassen und dann zu handeln. Nur um mal dieses Negativ - Bild etwas geradezurücken.
Ich kann mir aber vorstellen, dass du in einer Durchschnitts-Highschool damit eher aneckst, weil es nicht der gewünschten Norm entspricht. Dass du ein paar ausgesuchte Freunde gefunden hast, spricht aber klar dafür, dass deine charakterlichen Qualitäten erkannt und gewürdigt werden.

Was ich dir ganz konkret rate, ist Folgendes:

- Gehe auf die Suche nach den wahren Ursachen für deinen Missmut, anstatt deine Zurückhaltung als unbedingt zu änderndes Manko zu deklarieren. Du kannst es schaffen, mit dir selbst ins Reine zu kommen und dadurch allein schon Glück zu empfinden. Dafür musst du allerdings deinen Glauben an den "zu drückenden Knopf" aufgeben!

- Genieße deine Freunde in den USA und halte gleichzeitig regen Kontakt zu deinen deutschen Freunden. Thematisiere ruhig einmal, wie es in dir aussieht, und lass? dir eine Rückmeldung geben. Sie können dir zu konkreten schwierigen sozialen Situationen womöglich gezielter helfen als ich aus der Ferne.

- Mache dir bitte bewusst, dass es ganz und gar nicht selbstverständlich ist, überhaupt Freunde zu haben. Es kommt nicht darauf an, dass man eventuell unter bestimmten Bedingungen mehr Freunde haben könnte - das macht weder glücklicher, noch macht es dich zu einem besseren Menschen! Das, was zählt, ist die Zuneigung untereinander. Und wenn diese "nur" von einem Freund kommt.

- Übe dich in Gelassenheit, wann immer es dir möglich ist. Es gibt dazu viele Bücher, Übungen, Herangehensweisen... vielleicht wäre Meditation etwas für dich? Yoga? Yoga scheint ein umfassendes Heilmittel bei allem möglichen seelischen und körperlichen Einschränkungen zu sein, habe ich mir sagen lassen. Ich habe dazu eine interessante Seite gefunden:
http://wiki.yoga-vidya.de/Gelassenheit. Weiter unten gibt es sogar eine vielversprechene Buchempfehlung :)

Du kannst ja überlegen, was davon gut passen könnte und sich auch schon während deines Auslandsjahres umsetzen ließe. Ansonsten hast du noch alle Zeit der Welt - die solltest du dir auch nehmen. Ich bin zuversichtlich, dass du deinen Weg finden wirst, auch wenn er vielleicht nicht geradlinig ist, sondern verschnörkelt.

Alles Liebe!
Nuala