Problem von Sabine - 19 Jahre

Sehnsucht nach Berührungen

Es ist nicht so, dass die tiefe Depriphase, die ich seit einer Woche habe, plötzlich kommt. Ich hatte immer wieder meine schlechten Tage, aber es war nicht so schlimm wie seit einer Woche.
Ich habe eine schmerzvolle Vergangenheit, die ich schon hinter mir gelassen habe, aber seit einer Woche geht es mir nur noch schlecht. Zu psychischen Schmerzen kommen auch noch psychosomatische mit hinzu.

Sie müssen wissen, ich habe eine Entwicklung mitgemacht.
Ich war ein sehr zurückhaltendes und schüchternes Kind und wurde dadurch zum Außenseiter. Das war mein allerfrühester Schmerz. Mit 16 machte ich eine sehr schnelle Entwicklung durch. Ich wurde in der kurzen Zeit erwachsen. Durch viele schmerzhafte Erfahrungen konnte ich Menschen helfen, ihnen Ratschläge geben usw. und mir gings besser, da ich das Gefühl hatte, dass die Menschen mich brauchten.
Aber irgendwann waren mir fremde Sorgen zu viel. Sie warfen zu viele Sorgen auf mich und ich ging darin unter. Deswegen zog ich mich zurück und hatte nur noch Kontakt zu engeren Bekannten und Freunden.
Ich bin sonst niemand, der zugibt, ihr ginge es schlecht. Ich weiß von früher, dass es Menschen nervt, wenn man so etwas sagt.
Für manche Menschen bin ich immernoch die starke, intelligente, erfahrene "Großmutter", die ihren Schmerz besiegt hat.
Dem ist aber nicht so.
Stolz spielt zwar auch eine Rolle, aber ich habe nichts davon, wenn ich meinen "Freunden" meine Sorgen erzähle. Sie interessieren sich nicht dafür und wissen auch garnicht, was sie darauf antworten sollen.
So etwas brauche ich nicht.
Und so verlor ich ihr Vertrauen. Es war ein Prozess. Eine Entwicklung in meinem Herzen, die ich nicht wahrgenommen hatte. Und jetzt fühle ich mich einsam, verlassen, ich sehne mich nach Berührungen. Nach einen Menschen der mich trösten kann.
Ich habe nicht direkt Liebeskummer. Ich hatte noch nie einen Freund und ich hatte auch nie eine beste Freundin, der ich alles erzählen konnte. Ich war viel mehr die beste Freundin von anderen Menschen. Das war aber nur einseitig.
Wenn ich die Beziehung meiner Bekannten sehe, habe ich auch nicht wirklich Lust einen Freund zu haben.

Ich gab nur aber bekam nichts. Ich ließ mir aber auch nichts geben. Ich konnte von Menschen, die ich ranglich unter mich stufte, nichts verlangen und sie hätten mir auch nichts geben können.
Ranglich unter mich bedeutet, dass ihr Charakter es nicht zulässt Sorgen anderer aufzunehmen und richtig zu verarbeiten. Soll heißen, sie waren in meinen Augen noch "nicht so weit".

Ich bin nicht lesbisch. Darüber habe ich mir schon genug Gedanken gemacht, aber ich sehne mich nach weiblichen Berührungen. Kein Sex. Nur Berührungen. Umarmungen, eine Brust, an der ich mich ausweinen kann.
Aber egal wie dreckig es mir geht, ich bleibe wählerisch.
Ich kann nicht einfach irgendjemanden zum Berührungsmenschen machen.
Ich könnte mir nie vorstellen mich bei meiner engsten (nicht beste) Freundin auszuheulen.
Menschen, die ich kenne, sind keine Berührungsfreaks. Sie haben wohl genug Liebe in der Familie empfangen. Meine Familie ekelt mich nur noch an. Mein Vater ist kindisch und rauh. Macht zu harsche Scherze, die mich oft verletzen und meine Mutter versteht unter Liebe nur Geld in die Kasse zu bringen um uns zu ernähren. Dies ist wohl eine sehr heldenhafte Haltung, aber eine Tochter sehnt sich nach Berührungen, Zärtlichkeit und Trost. So etwas kennt sie nicht.
Ich respektiere meine Eltern. Immerhin haben sie mich großgezogen und ich lebe unter ihrem Dach, durch ihr schwerverdientes Geld.
Ich lasse es zu wenn mein Vater mich umarmt (das macht er zur Zeit sehr oft. Er wird wohl mit seinem Alter etwas sensibler. Wer weiß).
Und ich lasse es zu, wenn meine Mutter mich umarmt. (Sie hat aus einem Streitgespräch mit mir erfahren, dass ich mich als Kind nach Zärtlichkeit sehnte.)
Aber es ist 'ekelig'. Es ist so unangenehm künstlich.
Ich fühl mich immer, als würde mich eine schleimige Kröte umarmen.

Ich habe eine gesichtlose Fremde in meinem Kopf und ich sehne mich nach ihr.
Dass traurige ist, dass dieser Wunsch meine ganzen Gedanken einnimmt, obwohl mein Verstand mir sagt, dass so ein Wunsch sich nicht erfüllen kann, da ich hetero bin. Ich habe auch nicht wirklich Lust mich mit einer Lesbe einzulassen. Am Ende werde ich noch selbst lesbisch. Ich habe nichts gegen sie, aber ich bin froh hetero zu sein und will es bleiben.

Wo wir nun wieder beim Thema sind: Ich fühle mich einsam, verlassen und ich sehe niemanden, dem ich vertrauen kann.
Ich war auf der Suche und habe in den letzten 3 Jahren zig viele Menschen kennengelernt, aber kein einziger konnte mein Vertrauen gewinnen.
Ich fühle mich leer, ausgelaugt und hoffnungslos.
In so einem Zustand kann ich auch niemanden helfen und mich macht das alles fertig.
Ich kann auch nicht mehr für die Schule lernen, wo ich in ein paar Monaten mein Abitur schreibe. Meine Noten fallen immer weiter nach unten, weil ich mich nicht mehr konzentrieren kann und immer kommt die Sehnsucht nach Zärtlichkeit, Geborgenheit, Berührungen, Umarmungen.

Ich habe versucht mir Ventile zu suchen. Weil Menschen als Ventile nur temporär taugen und dann kaputt gehen. Ich habe ein paar in der Poesie, im Nebenjob und in der Natur (Spaziergänge im Park) gefunden. Aber je länger ich das tue, desto langweiliger wird es und der Wunsch nach Berührungen wird stärker.

Ich versuchte seit Jahren diesen Wunsch nach Zärtlichkeit zu besiegen, indem ich mir Hobbies suchte, sie fand, wechselte und neue suchte. Aber gebracht hat mir das am Ende nur eine Verzögerung.

Ich bin eine Schülerin, ein paar Monaten vor dem Abitur und ich will mein Abitur schaffen.
Was soll ich tun?

Dana Anwort von Dana

Grüße Dich, Sabine!

Bereits im ersten Absatz bei "Zu psychischen Schmerzen kommen auch noch psychosomatische mit hinzu" stellte sich mir die Frage, ob Du je therapeutische Hilfe hattest? Psychische und psychosomatische Schmerzen, Depressionen gehören in fachliche Hände. Damit sind wir hier im Kummerkasten wohl schlicht überfordert. Wir können keine Erkrankungen heilen - und Depressionen sind eine.

Ich finde viele Widersprüche in Deiner Mail. Auf der einen Seite spielst Du anderen die Starke vor - auf der anderen willst Du verstanden werden und dass jemand für Dich und Deine Nöte da ist. So kann es nicht funktionieren. Wir können alle immer nur für die Menschen da sein, die auch zeigen, dass sie es wollen und brauchen.
Dann sagst Du, Du weißt aus der Vergangenheit, dass es die Leute nervt zu hören "Mir geht es nicht gut", aber auch, dass Du immmer für andere da warst. Hat es Dich je genervt, so einen Satz zu hören?

Du suchst -wenn ich Dich richtig verstanden habe- eine Frau, die für Dich da ist, Deine Nöte erkennt, Dir zur Seite steht und Dich auch festhält. Nicht sexuell, sondern freundschaftlich. Gab es unter all den Frauen, die Du als Freunde nennen kannst, nie jemand, dem Du vertrauen konntest und von Dir und Deiner inneren Not erzählen? Hast Du es gewagt und den Schritt getan? Verstehen können wir alle immer nur, was uns erklärt wird.

Alles Gute!
Dana