Problem von Emma - 18 Jahre

Einer geht noch...

Hallo liebes Kummerkasten-Team.
Schon seit ich klein bin, bemerke ich taeglich, dass meine Mutter anders ist als eine "normale" Mutter. Ich wohne seit 10 Jahren, also seit sich die beiden scheiden ließen, bei meinem Vater. Der Grund ist, dass sie Alkohol trinkt. Nach außen hin ist sie immer die perfekte Frau - arbeitet als Lehrerin, versteht sich gut mit ihren Mitmenschen und ist relativ offen und modern. Aber abends vergraebt sie sich zuhaus, trinkt flaschenweise hochprozentigen Alkohol und ist in Sachen Vandalismus nicht zu bremsen und faehrt, wenn es schlecht laeuft, in diesem Zustand auch noch Auto. Eigentlich hatte ich immer ein relativ "gutes" Verhaeltnis zu ihr, nur war ich ungern ueber Nacht bei ihr - was sie natuerlich nicht verstand, da ihr Erinnerungsvermoegen kaum bis zum naechsten Tag (nach dem Rausch) reichte. Normalerweise muesste man das ja als einen "Das ist ihr Problem, halt dich da einfach raus"-Fall abtun, aber das kann ich mittlerweile nicht mehr. Ich habe Angst, dass ich sie eines Tages tot vorfinde, dass sie wieder mit Mord und Selbstmord droht, dass sie sich wieder so daneben benimmt, dass man sich wuenschte, man koennte Situationen aus dem eigenen Leben streichen. Ich moechte nur, dass es aufhoert. Dass niemand mehr nachts schreiend und weinend in meinem Zimmer steht, wenn ich doch mal bei ihr uebernachte. Dass mich niemand mehr anpoebelt und beschimpft und mich der Wohnung verweist, obwohl ich doch nur das kurz-zuvor-gemachte Friedensangebot annehmen und es erneut versuchen wollte. Und ich moechte nicht, dass mein Telefon ununterbrochen klingelt, wenn sie wiedereinmal nicht versteht, dass in der vorherigen Nacht etwas schief lief, und dass es so nicht weitergehen kann.
Dass es nie ein "Mutter-Tochter" geben wird, das hab ich mittlerweile verstanden. Aber dass ich auch kein freundschaftliches Verhaeltnis haben will, wenn sich alles nur um Maenner, ihren Tod und sinnlose Poebeleien dreht, ist eventuell verstaendlich. In letzter Zeit konfrontierten wir - ihre Familie - sie immer haeufiger damit, dass sie ein ernsthaftes Problem hat, und dass ihr geholfen werden kann. Darauf weiß sie nur eine Antwort: Lachen und sich noch einen einkippen.
ABER: In der Familie ist sie kein Einzelfall. Ihren Bruder verwies sie (in Zusammenarbeit mit Schwester, Vater etc) in einen Entzug, nun lebt er im betreuten Wohnen. Jedoch habe ich die Befuerchtung, dass er in der Hinsicht eine Art "Sonderfall" ist (aufgrund einer Behinderung..) Ist es denn prinzipiell moeglich, jemanden entgegen seines Willen in eine Klinik zu befoerdern? Und wenn nicht, wie koennte man anders mit dieser Situation umgehen.
Ich weiß, ich muss nicht taeglich bei ihr sein - aber dennoch gibt es von allen Seiten diesen "Du kannst sie nicht allein lassen, sie ist ja schließlich Deine Mutter"-Druck. Gibt es nicht irgendeine Moeglichkeit, dem zu entgehen? Ich bin am Ende meiner Kraefte...

Wilhelm Anwort von Wilhelm

Hallo Emma,
du siehst es völlig richtig, dass deine Mutter Hilfe braucht. Doch die muss deine Mutter aus freien Stücken annehmen. Zwingen kann sie dazu niemand. Sie muss die Einsicht gewinnen, dass sie krank ist und das ist sie, und erkennen, dass sie ihre Sucht nicht alleine besiegen kann. Da ist die ganze Familie gefordert. Wem deine Mutter noch wichtig ist, sollte hin und wieder nach dem Rechten schauen und sie bitten sich helfen zu lassen. Forderungen, Drohungen u.s.w. helfen wenig. Ihr braucht viel Geduld. Die Person die du in ihrem Rauschzustand erlebst, ist nicht deine Mutter. Vielleicht würde sie sich sogar selber ekeln, wenn sie sich als diesen Menschen einmal sieht.
Erkundige dich, ob es in eurem Ort eine Gruppe der anonymen Alkoholiker gibt. Biete deiner Mutter an dort hin zu gehen, verschaffe ihr die nötigen Informationen.
Bei allem was du durchstehen musst, lasse deine Mutter nicht fallen. Die Dinge die du beschrieben hast, musst du dir natürlich nicht weiter antun. Aber deine Mutter ist sehr sehr krank und braucht Menschen die ein wenig auf sie aufpassen. Das erfordert viel Geduld und Mitgefühl.
Alles Gute
Wilhelm1