Problem von Anonym - 55 Jahre

Unser Problem war meine Alkoholsucht

Hallo ihr Lieben,

vielleicht könnt Ihr mir helfen, das ?Richtige? zu tun. Wobei, wer kann in solchen Dingen schon immer wissen, was das ?Richtige? ist. Aber zuvor solltet ihr einige Dinge über uns (meinem Mann und mich) erfahren, bevor ihr mir evtl. bei meiner Entscheidung behilflich sein könnt:
Mein Mann und ich leben seit 2 Jahren nach 32-jähriger Ehe getrennt. Es war eine ganz normale Ehe mit Höhen und Tiefen, wie es wahrscheinlich in jeder Ehe vorkommt. Aber Ihr fragt euch jetzt sicher, wie ist es dann soweit gekommen?
Ganz einfach, mein Mann ist leider fremdgegangen. Nun muss ich aber, bevor ihr ihn verurteilt, zu seiner Verteidigung sagen, dass ich mich im Laufe unserer Ehe (wie gesagt, mit Höhen und Tiefen) zu einer Alkoholikerin entwickelt habe. Ganz schlimm wurde es, als dann unser gemeinsamer Sohn ausgezogen ist. Da fing es an, dass wir uns total auseinanderlebten. Ich möchte jetzt auch nicht hier meine Entwicklung zur Sucht beschreiben, denn das würde jetzt wahrscheinlich zu weit führen. Das ist eine sehr lange Geschichte. Nur als ich merkte, dass es mit meiner Sucht vielleicht noch ein schlimmes Ende nehmen würde, habe ich mich entschlossen, Hilfe zu suchen und habe sie auch bekommen. Ich habe mich für ein Vierteiljahr in Therapie begeben. Ich habe aber schon bemerkt, bevor ich dorthin eingewiesen wurde, dass in unserer Beziehung nichts mehr so war, wie es sein sollte. Mein Mann zog sich immer mehr von mir zurück (was ich jetzt mit ?klarem Kopf? auch nachvollziehen kann). Er berührte mich nicht mehr. Wenn er mich in den Arm nahm, kam ich mir wie eine Fremde vor. Aber ich dachte, naja, du gehst doch jetzt in Therapie. Dann wird schon wieder alles in Ordnung kommen. Denn du machst diese Therapie ja nicht nur für dich allein.
Als ich ca. 6 Wochen dann von zu Hause weg war und er mich dann besuchte, sprach ich ihn an, ob er mir etwas zu sagen hätte, da ich merkte, dass es immer noch eine abgekühlte Umarmung und ein Kuss auf die Wange gab. Er hatte mir dann nach langem Zögern gestanden, dass er sich in eine andere Frau verliebt hat, die er im Chat kennen gelernt hatte. Ihr könnt euch sicher vorstellen, was in mir vorgegangen ist. Für mich ist eine Welt zusammengebrochen. Ich kann es bis heute noch nicht so richtig fassen, wie ich den Rest der Therapie überstanden habe. Aber ich habe sie überstanden und bin auch bis heute immer noch trocken. Und dass, obwohl es danach noch fast täglich Situationen gegeben hatte, wo ich dachte, ich kann nicht mehr.
Ich habe mir eine 2-Zi.-Whg. in der Nähe meiner Arbeit gesucht und es mir so gemütlich, wie es meine finanziellen und technischen Mittel zuließen, gemacht. Aber ich muss sagen, auch jetzt noch nach so langer Zeit, kann ich meinen Mann einfach nicht aufgeben. Ich weiß nicht, ist es wirklich noch Liebe oder einfach nur die Angst vor dem Alleinsein? Aber ich bin andererseits auch gern mal allein. Zumindest macht es mir nichts aus, allein zu sein. Ich habe es mit 2 kurzen Beziehungen versucht. Aber ich kann einfach meinen Mann nicht vergessen. Es klappte nicht mit diesen Beziehungen. In der Zwischenzeit hat mein Mann sich auch von dieser Frau getrennt oder besser gesagt, sie hat Schluss gemacht. Ich weiß nicht warum. Das interessiert mich auch nicht. Ich bin nur froh, dass er wieder allein ist. ?. oder vielleicht doch nicht? Wissen kann man es nie.
Wir hatten auch zwischendurch wieder ab und zu Kontakt und wir verstanden uns auch ganz gut. Aber mehr war nicht. Er sagte nur einmal dazu, dass er mich zwar noch lieb hat und ich immer einen Platz in seinem Herzen habe, aber es würde ihm alles zu schnell gehen. Er braucht Zeit. Daraufhin war ich sehr gekränkt und habe mich zurückgezogen. Aber ich sehne mich so sehr nach ihm, dass ich bald verrückt werde.
Seit Anfang unserer Trennung vor 2 Jahren habe ich furchtbar viele Fehler begangen und ihn oft mit meinen SMSen oder e-mails bombardiert. Damit habe ich ihn ganz sicher, wenn ich so richtig darüber nachdenke, verrückt gemacht. Aber ich konnte einfach nicht anders. Diesen Fehler möchte ich selbstverständlich nicht mehr begehen. Aber ich bin so unglücklich darüber und ich habe ihn so lieb und er fehlt mir so sehr. Bitte ratet mir, was soll ich bloß tun?

Bernd Anwort von Bernd

Liebe Unbekannte, Altersgenossin!

Du weißt, wie langsam und fließend die Entwicklung der Krankheit "Alkoholsucht" vonstatten geht!?

Du weißt (nach Deiner Therapie), dass Du Dir Deiner nicht wirklich sicher sein kannst: die Entwöhnung dauert mindestens genau so lange, wie der Weg zur Sucht!

Deinem Mann wird es nicht anders ergangen sein: Das "Fremdgehen" ist ein Ereignis auf dem langen Weg, den er mit Dir zusammen gegangen ist.

Du hast Recht: es gibt keinen Grund, Deinem Mann Unverständnis entgegen zu bringen.
Es war eine Entwicklung, die ihr beide zusammen durchlebt habt. Und die ihr beide auch gemeinsam zu verantworten habt.

Den Weg zurück zu Eurer Liebe darfst Du Dir nicht so einfach vorstellen, wie eine 6-Wochen Kur.

Zwischen meinem 18. und 22. Lebensjahr hatte ich eine Freundin, dessen Vater nach mehreren Kuren letztendlich an seiner Sucht gestorben ist.
Und vor 3 Jahren hatte ich einen Mitarbeiter, der aus seiner Gefährdung niemals einen Hehl gemacht hat.
Mehr als 2 Jahre hat er selbst unsere gemeinsamen Feiern absolut "trocken" verlassen!
Und eine Woche nach der letzten Feier wurde er durch seine Schwester einem "Trockenentzug" unterworfen. Mit seiner Einwilligung ließ er sich für mehr als 3 Tage durch die, die ihm wirklich Gutes wollten, privat wegschließen.

Dieser Mitarbeiter hat immer noch meinen größten Respekt!

Warum ich Dir das schreibe?

Ich denke, aus den Erfahrungen gelernt zu haben, dass unser größtes Handicap darin besteht, dass wir zu wenig Geduld mit uns selbst aufbringen.
Und deshalb ungeduldig auf die positiven Rückmeldungen anderer warten und eigentlich auch nicht warten wollen und können:
hier habe ich doch was geleistet! Warum erkennst Du es nicht an?

Aber die Liebe kommt auf so stillem Weg zurück, wie sie gegangen ist.
Nicht als "Leistungsprämie".
Nicht einklagbar. Und nicht von Heute auf Morgen.

Die Geduld, darauf zu warten erfordert zu aller erst Geduld mit Dir selbst!

Wenn Du es Dir wert bist, wirst Du nicht enttäuscht werden können!

Von ganzem Herzen,

Bernd