Problem von Eva - 21 Jahre

ich bin depressiv - meine Eltern sind verzweifelt

Hallo!
Ich leide schon seit einigen Jahren unter Depressionen und bin vor einer Woche endlich zu einem Psychiater gegangen. Der hat mir ein Antidepressivum verschrieben, das ich seit 3 Tagen nehme. Einen Therapieplatz muss ich mir allerdings noch suchen.
Das habe ich meinen Eltern erzählt (ich wohne seit 2 Jahren nicht mehr daheim zwecks Studium, bin Einzelkind), und die rasten jetzt völlig aus. Sie spielen meine Depression herab ("depressive Verstimmung") und sagen, das wäre meine eigene Schuld ("hockst ja auch den ganzen Tag im Zimmer, mach mal Sport, geh mal unter Leute"). Sie verstehen einfach nicht, dass ich so geworden bin WEIL ich depressiv bin. Meine Mutter sagt, sie bekäme von meinem Vater Vorwürfe, dass sie mich wohl falsch, zu wenig streng, erzogen hätte. Und sie sagte, mein Vater hätte regelmässig Alpträume von mir, dass ich ertrinke oder so, und er mich nicht retten kann.
Und meine Mutter sagte es mir gestern auch noch direkter: Sie hätten so ein schönes Leben und ich sei wohl Schuld daran, dass es ihnen so schlecht geht.
Ich hasse sie dafür, dass sie mich immer so erzogen haben, dass ich perfekt funktionieren muss. Und ich hasse sie dafür, dass sie mir in allem was ich mache, das Gefühl geben, ein Versager zu sein.
Aber am meisten hasse ich sie dafür, dass sie mich in dieser schwierigen Situation dazu auffordern, mich doch "zusammenzureissen" und mich im Stich lassen. Aber das werde ich ihnen natürlich niemals sagen....
Wie kann ich meine Eltern dazu bringen, dass sie mir das Leben nicht noch mehr zur Hölle machen, sich selbst nicht zerfleischen oder vor Sorge sterben, und MICH EIN BISSCHEN ZU VERSTEHEN?
Ich habe Symptome wie Antriebslosigkeit, Leere in mir, ich sehe keinen Sinn in allem was ich tue, mein Selbstwertgefühl ist am Boden, fühl mich wie ein Versager, kann mich bei unwichtigsten Dingen nicht entscheiden etc.
Das alles ist nicht gerade förderlich für mein Studium, und meine Eltern glauben doch tatsächlich, ich mach das absichtlich, bin faul oder so...
Können Sie mir helfen? Ich bin total verzweifelt...
Bis ich einen Therapieplatz gefunden habe - wie kann ich die Situation zwischen mir und meinen Eltern entschärfen?
BITTE ganz dringend um Hilfe!!!
Vielen Dank!

Anwort von Lina

Hallo Eva,
ich sehe drei Möglichkeiten: Du setzt Dich mit Deinen Eltern zusammen und versuchst Ihnen die Situation zu erklären. Dass Du zu einem Psychiater gegangen bist und jetzt einen Therapieplatz suchst ist dabei der beste Beweis, dass Du das Problem erkannt hast und einer Lösung entgegenstrebst. Mit psychischen Erkrankungen ist es wie mit allen "Abnormitäten", wie zum Beispiel auch Homosexualität. Eltern meinen, eine "Schuld" suchen zu müssen. Selbst, wenn sie erkennen, dass es vielleicht nicht mit der Erziehung zusammenhängt, sondern mit den Genen, spricht sie das nicht frei, weil ja die Gene von ihnen stammen. Das macht die Situation für Eltern so schwierig. Das nur, damit Du vielleicht auch die Sicht Deiner Ellis ein bißchen verstehst. Sie machen sich Sorgen und auch Vorwürfe, weil sie meinen sie hätten versagt. Zudem scheinst Du ihnen auch wichtig zu sein, sonst würden sie mit viel mehr Gleichgültigkeit reagieren. Nixdestotrotz ist ihre Reaktion für Dich selbst natürlich nicht hilfreich.
Gut, kommen wir zur zweiten Alternative: Falls Du Dich nicht "stark" genug fühlst, Dich direkt mit Deinen Eltern auseinanderzusetzen, so wähle den schriftlichen Weg. Versuche nüchtern zu beschreiben, wie der Stand der Dinge ist und zu erklären, wie Du Dich fühlst und was Du Dir von Deinen Eltern erhoffst und wünschst.
Falls auch das nicht Dein Ding sein sollte bzw. Du die ersten beiden Vorschläge damit "anreichern" möchtest, so würde ich Dir empfehlen, mal in die Stadtbücherei zu gehen und dort nach Biographien und Ratgebern zu Depressionen zu suchen. Es gibt zum Beispiel ein Buch von Stiftung Warentest (wird von der Bevölkerung als sehr seriös anerkannt und kommt deshalb häufig "gut an"), in dem sehr gut beschrieben wird, wie Depressionen sich auswirken usw. Du beschreibst Deine Symptome bereits sehr klar, was ich beeindruckend finde. Ich kann Dir nur Mut machen, denn von dem, was ich zwischen und in den Zeilen lese, erkenne ich zwar eine kraftlose Frau, aber auch eine mit Willen und Zukunftsvisionen. Verfolge sie - Du bist auf dem genau richtigen Weg! Ich hoffe, ich konnte Dir ein wenig helfen und wünsche Dir viel Erfolg, lina