Problem von anonym - 17 Jahre

Freund hat tödliche Krankheit

Ich muss mich mit Sorgen herumschlagen, die meine gleichaltrigen Freunde und Freundinnen wahrscheinlich erst in einem halben Jahrhundert belasten werden. Und zwar mit dem Sterben bzw dem Tod meines Freundes.

Ich kenne ihn seit ich 14 bin und er ist meine erste wirklich große Liebe. Natürlich hatte unsere Beziehung Höhen und Tiefen und haben schon viel erlebt. Deshalb kann ich heute aufrichtig sagen, dass ich ihn liebe, dass er mich liebt, dass wir uns gleichzeitig wunderbar verstehen und uns bereits Gedanken über ein gemeinsames Leben machen. Seine Krankheit, eine Erbkrankheit, hat er seit Geburt an. Sie gilt als unheilbar. Doch die Ärzte haben gesagt, dass sie erst in ein paar Jahrzehnten ausbrechen wird, wenn überhaupt. Deswegen verschob ich die düsteren Gedanken.

Im Sommer 2011 verschlechterte sich sein Zustand rapide. Die Schübe, in denen diese Krankheit verläuft, werden immer ärger. Die Dosis an Schmerzmitteln steigt. Der Genetiker sagt, dass diese lebensgefährlichen Symptome jetzt eingetreten sind und immer schlimmer werden. Seitdem spielten Depressionen und Lustlosigkeit im Leben meines Freundes eine Rolle. Doch er blieb stark und gemeinsam mit meiner Hilfe erlangte er wieder ein wenig Lebensfreude. Doch vor ein paar Tagen war es so schlimm wie noch nie zuvor...

Es gibt nach wie vor wunderschöne Momente. Im Moment ist er dabei, sich seine erste eigene Wohnung einzurichten. Das Leben könnte so schön sein!
Und ich kann mich über nichts richtig freuen. Ich hab fürchterliche Gedanken. Während ich lachend neben ihm sitze und er mich streichelt muss ich mir vorstellen, wie sein Begräbnis wäre. In der Schule rinnen mir, für andere scheinbar grundlos, Tränen über die Wangen. Ich hab versucht, Trost bei meinen Freundinnen zu finden. Doch es kommt nur ein "wird schon wieder gut." Denn ihre größten Sorgen sind der nächste Test. Die nächste Schularbeit. Oder wohin sie mit ihren Freund auf Urlaub fahren. Ich bin höchstens zu bemitleiden, um gleich darauf festzustellen, wie gut es ihnen doch geht, wo sie um keinen kranken Freund trauern müssen.

ES WIRD EBEN NICHT WIEDER GUT! Ich weiß nicht mehr was ich tun soll... Wenn seine Krankheit nicht gerade zuschlägt, ist er der gesündeste Mensch der Welt. Deswegen für alle anderen so unvorstellbar, dass er in naher Zukunft sterben könnte. Und trotzdem ist er unheilbar krank...

Ich weiß nicht mehr wie ich mich verhalten soll... So weitermachen, als wäre nichts? Sich von ihm gefühlsmäßig distanzieren, obwohl ich ihn am liebsten aus vollen Herzen lieben würde? Was wenn er, so unvorstellbar es für mich klingt, wirklich bald stirbt??? Er macht sich so große Sorgen um mich, dass ich mir sicher bin, dass er mir nur einen Teil von seinen vielen Sorgen erzählt, die ihn wirklich belasten...

Ich weiß nicht, worauf ich hoffe... Auf Trost? Kann mir niemand geben. Auf ein Mittel gegen Erbkrankheiten schon eher...
Wie gehe ich richtig mit dieser Situation um? Bzw wie kann ich ihm am besten helfen?

Hoffe auf eine Antwort! (und eventuell wirklich ein bisschen Trost...)



Dana Anwort von Dana

Liebe Unbekannte,

du hast das schon ganz richtig erkannt. Die Probleme, die du hast, haben eigentlich so ziemlich alle deines Alters nicht.

Ich weiß jetzt nicht, welche Krankheit dein Freund hat, ich dachte erst an MS, aber die ist nicht wirklich erblich...weil du von Schüben schriebst etc. Naja, das ist eigentlich auch nicht so wichtig, aber so kann ich meine Hilfe halt nur allgemeiner halten.

Es ist verständlich, dass sowohl physische Schübe als auch psychische Schübe kommen. Bei ihm beides, bei dir dann nur die psychischen. Das ist im Verlauf der Krankheit normal. Und alles hat seine Zeit. Die Trauer und auch die Hoffnung, bzw die Freude. Es wäre meiner Meinung nach falsch, sich eines davon zu versagen. Weder solltest du die Trauer wegsperren, noch die Freude. Es ist normal, dass du dir Schlimmes vorstellst, dass du von einem hellen Moment in einen Dunklen fällst. Schön ist zu hören, dass ihr beide es immer wieder schafft, das Ruder herum zu reißen und schöne Momente zu erleben.

Und genau das ist enorm wichtig. Lebt intensiv! Sprecht über die Trauer und die Angst genauso wie über die Freuden. Genießt jedes kleine Fünkchen an positiven Dingen, das tut enorm gut.

Dass deine Freundinnen da nicht groß helfen können, ist auch normal. Sie sind total überfordert damit, ihr Erfahrungsschatz geht noch nicht so weit. Vergib ihnen das, nimm ihnen das nicht übel. Sie sind keine Fachleute, sie können da nicht helfen.

Wer aber helfen könnte, wäre ein Fachmann. In eurem Fall ein Psychotherapeut oder ein Sterbebegleiter. Menschen, die sich genau mit diesem Fall auskennen, dass jemand den Tod vor Augen hat, nicht weiß, wie lange er noch leben darf und Angehörige hat (wie dich), die ebenfalls mitleiden und enorme Angst haben. Ich würde dir zu so einer Gesprächstherapie raten, weil du dort fachliche Hilfen bekommst, die genau auf die Situationen gemünzt sind, die du schon erlebt hast und die dich noch erwarten. Eltern und Freunde können da einfach nicht helfen, selbst ich hier bin nicht so geschult, dass ich dir genau sagen könnte, was du tun musst, um nicht unterzugehen.

Ich verstehe deine Lage sehr gut, ihr habt mein Mitgefühl, aber helfen sollte definitiv ein Fachmann, eine Fachfrau, die mit dem Thema vertraut ist und auf den Punkt mit dir, mit euch arbeiten kann. Glaub mir, sowas ist Erleichterung pur. Man ist nicht mehr alleine, man lernt, wie man mit bestimmten Situationen umgehen muss, es schweißt auch immens zusammen.

Von daher möchte ich dir raten, im Telefonbuch oder über Google einfach mal einen Therapeuten ausfindig zu machen, bei dem du einen Termin machst und einfach mal redest. Das kostet dich nichts, das zahlt die Kasse. Es gibt auch im Net aktive Hilfe bei solchen Fällen. Vielleicht schaust du mal hier nach: http://www.igsl.de/

Natürlich ist es bei euch nicht "Sterbebegleitung" wie in anderen Fällen, wo der Tod schon direkt vor der Tür steht. Aber vielleicht gibt es Anhaltspunkte und Hilfen.

Ansonsten möchte ich dich bitten, deine verschiedenen Zustände zuzulassen. Die Momente der Schwäche genauso, wie die Momente der Stärke. Die Momente der Wut und die Momente der freudigen Ausgelassenheit (von denen ihr hoffentlich noch viele haben könnt!). Sie haben alle ihre Berechtigung. Bleib mit deinem Freund im Austausch, redet miteinander, aber macht das Sterben nicht zum Dauerthema. Saugt so viel wie möglich noch von der Welt auf...dann kann er vieles mitnehmen und auch du hast schöne Erinnerungen und nicht nur die, dass ihr heulend nebeneinander auf dem Bett sitzt.

Sowohl Therapeut als auch Sterbebegleiter helfen über den Tod hinaus. Sollte es also wirklich in nächster Zeit passieren, bist du auch danach nicht alleine. Ich wünsche dir aber von ganzem Herzen, dass du deinen Freund noch wirklich lange hast.

Dir alles Gute! Wenn dich noch etwas drückt, schreib uns ruhig!

Liebe Grüße,

Dana