Problem von Jakob - 25 Jahre

Ich verzweifle an allem...

Hallo

Ich möchte mich vorab für die Länge meines Beitrags entschuldigen, es ist jedoch erforderlich hierbei etwas weiter auszuholen.

Ich habe ein Problem, was mich längere Zeit bedrückt, und mit länger meine ich seit ca. meinem 6ten Lebensjahr (ich bin jetzt 25).

Um mein Problem ausreichend zu erläutern muss ich zunächst ein klein wenig ausholen und einen Schnelldurchlauf meines Lebens beschreiben.

Ich war nie ein einfaches Kind, ich bin nie mit gleichaltrigen Kindern klar gekommen. Ich war häufig unkonzentriert, gelangweilt und fühlte mich missverstanden, bereits im Kindergarten.
Ich war jedoch nie dumm. Ich konnte bereits mit 1 1/2 Jahren laufen und Sätze sprechen, hatte seit jeher immer einen sehr erwachsenen und ausgeprägten Wortschatz, empfand andere Kinder meist als nervig und unreif (ja auch im Kindergarten) und war generell sowieso lieber unter Erwachsenen.

Außerdem hatte ich sehr unkindliche Interessen.
(Ich hatte zum Beispiel ein Dinosaurierlexikon, welches ich lesen konnte und auswendig kannte (Namen aller darin vorkommenden Dinosaurier und Pflanzenarten, welche Epoche sie zugehörig waren und so weiter), noch vor der ersten Klasse.

Aufgrund dieser Verhaltensauffälligkeit, welche in den frühen 90ern zunächst als ADHS diagnostiziert wurde, durchlief ich diverse Psychotests und Kinderbetreuungen um festzustellen ob ich überhaupt reif für die Schule bin und nicht doch vielleicht auf eine Vorschule gehen solle.

Infolge dessen ergab sich ein IQ von 134, durch den ich als Hochbegabt eingestuft wurde. Mir konnte zu diesem Zeitpunkt jedoch keinerlei Förderung angeboten werden. Also kam ich auf eine Regelschule wo der Ärger erst richtig anfing.

Ich war, so weit ich zurückdenken kann, immer ein Außenseiter. Ich war immer Ziel von Spott, Schlägen und Ausgrenzung.

Ich wurde über die Jahre immer demotivierter, kehrte immer mehr in mich, wurde trotz, dass ich wenig aß übergewichtig, und war irgendwann nurnoch "der komische Typ" aus dem keiner mehr schlau wurde.

Immer wenn ich dann doch mal glaubte Freunde zu finden, erwiesen sie sich immer schnell als falsche Freunde, die mich als Lückenbüßer ausnutzten weil sie selber keine Freunde hatten.

Durch die ständige Unterforderung, den sehr verletzenden Attacken auf Leib und Seele und dem ständigen Druck versuchen zu wollen doch irgendwo Anklang zu finden enstanden Probleme an denen ich auch heute nicht mehr vorbei komme.

Ich habe keinen Antrieb mehr. Immer wenn ich etwas tun will und auch nur auf die kleinste Komplikation stoße verliere ich jegliche Motivation weiter zu machen.

Ich habe eine innerliche Barriere geschaffen, die meinem Gehirn sagt "STOP! Bis hier hin und nicht weiter." wann immer ich versuche etwas gegen meinen Willen, mein Interesse oder meine Ideale zu tun. Das bezieht sich leider auch auf's Lernen. Immer wenn ich mich hinsetze und versuche etwas vo den weniger Interessanten Dinge für die Schule (Ich belege derzeit Sprachkurse auf der Volkshochschule) zu lernen aktiviert sich diese Barriere und meine ganze Konzentration ist wie weggeblasen.
Wenn ich versuche dagegen "anzulernen" bekomme ich tierische Kopfschmerzen.

Ich habe praktisch kein Vertrauen mehr in andere Menschen.

Es fällt mir sehr schwer Emotionen zu zeigen, positive wie negative.

Mir schießen ständig abwertende und verletzende Gedanken in den Kopf, für die ich mich teilweise sehr schäme, obgleich ich sie nie ausspreche.
Egal ob diese Menschen gut oder schlecht zu mir sind, es schießen Bilder von ihnen in mein geistiges Auge, die sie bei erniedrigenden Sexpraktiken, nackt beim Stuhlgang oder beim Essen von Exkrementen erscheinen lassen.
Auch wenn ich nicht aktiv daran denke, auch wenn ich diese Personen, wenn auch mühseelig über längere Zeit hinweg in's Herz geschlossen habe. Trotzdem erscheinen mir diese Bilder im Kopf.
Häufig ist es auch eine innere Stimme die verletzende oder abwertende Dinge über sie sagt.
Nur um einen Eindruck hiervon zu verschaffen, neulich hatte ich den Fall, dass mir eine sehr nette Kundin 2 Euro Trinkgeld gab und urplötzlich in meinem Kopf diese Stimme sagt "Ja, jetzt bist du lieb und freundlich und nachher hast du den Schw*** von deinem Alten im Mund damit er dir Klamotten kauft."
Ich habe mich in Grund und Boden geschämt dafür, trotz, dass ich ihr das nicht ins Gesicht gesagt habe und auch niemals würde.

Ich habe den Sinn im Leben verloren und alles erscheint für mich grau und leer.

Ich glaube nicht mehr an die Menschheit, habe das Gefühl die Welt um mich herum verdummt zunehmens.

Natürlich habe ich versucht mir meine Situation schön zu reden.
Wenigstens musst du nicht krank und hungrig leben wie die Menschen in den dritte Welt Ländern. Anderen Menschen gehts noch viel schlechter als dir. Du hattest Eltern, du hast eine Familie.
Was ich aber tat, war meinen Frust zu unterdrücken, was auch häufig dazu führt, dass ich schnell die Beherrschung und Geduld bei vielen Dingen verliere.

Ich hatte als Kind Potential, was ich aufgrund ungünstiger Umstände niemals nutzen konnte.
Darüber habe ich mich lange Zeit tierisch geärgert. Mittlerweile ist selbst diese Passion verschwunden und ich denke, wenn auch unfreiwillig, "Egal was du tust, egal wer du bist, eines Tages stirbst du. Du wirst vergessen und verrottest in einem Erdloch bis der Planet Erde eines Tages von der Sonne verschlungen wird."

Ich bin durch dieses tief lange Zeit Opfer von Arbeitslosigkeit geworden. Während dieser Zeit hatte ich sogar mit dem Gedanken gespielt mich umzubringen und habe diese Gedanken auch jetzt noch.

Das Einzige was mich vom Durchführen dieser Gedanken abhält, ist meine tief sitzende Angst vor dem Tod und vor dem Vergessenwerden, die mir des Nachts auch häufig den einen oder anderen, schweißgebadeten Panikanfall beschert und die nicht vorhandene Bereitschaft meiner Familie wissentlich einen solchen Verlust zuzumuten.

Ich lasse mir diese Gedanken und Probleme so gut es geht nicht anmerken auch wenn ich manchmal am liebsten losschreien würde. Ich beschwere mich nicht, auch wenn ich am liebsten jeden der mir Unrecht tut zur Hölle schicken würde.

Auch wenn es lange dauert, bis ich einem Menschen zumindest ansatzweise trauen kann, bin ich dennoch ein extrem loyaler Mensch. Ich bin körperlich niemals gewalttätig geworden. Um genau zu sein, bin ich Pazifist.
Die Vorstellung Menschen Gewalt anzutun bereitet mir unbehagen, trotz meiner Gedankenbilder.

Trotzdem, es nagt an mir, jeden Tag ein bisschen mehr.
Und mir fehlt die Kraft und der Einfallsreichtum aus dieser Situation wieder herauszukommen und wieder der Mensch zu werden der ich vor meiner Schulzeit war. Ein weltoffener, begeisterter Entdecker.

Ich hoffe sie können mir weiter helfen.

Judith Anwort von Judith

Lieber Jakob,

Danke fuer Dein Vertrauen und en ausfuehrlichen Bericht ueber Dein Problem. Da hast Du Dir aber mal allen Frust, der sich ueber Jahre angesammelt hat, von der Seele geschrieben. Ich hoffe, dass das schon ein wenig gebracht hat - wenigstens, sich einmal mitgeteilt zu haben.

Ich kann Deinen Frust sehr gut verstehen. Du hast in Deiner Kindheit viel Ablehnung erfahren, die Dich in einen Teufelskreis gebracht hat. Wenig Vertrauen in Dich und Dein Koennen, Demotivation durch wenig Ansporn und quasi null Erfolgserlebnisse. Und dann das Anstauen von vielen negativen Gefeuhlen, vielleicht sogar Hass, auf die, die Dich in der Schule gehaenselt haben.

Du bist Pazifist - aber das heisst nicht, dass Du Dir alles gefallen lassen musst. Du scheinst Deine negativen Gedanken aufzustauen, und auch vor Dir selbst zT nicht zu lassen. Und klar, in Dir brodelt es, aber nach Aussen hin hast Du gelernt weiterhin zu laecheln.

Deine negativen und zwanghaften Gedanken koennten ein Ausdruck dessen sein - aber ich bin keine Therapeutin, ich kann das nicht beurteilen.

Ich schlage vor, dass Du Dir einen Gespraechstherapeuten suchst, mit dem / mit der Du einmal Deine Erfahrungen von Zurueckweisung und Gehaenseltwerden aufarbeitest. Auch Deinen Umgang mit Stress und und mit Konflikten kannst Du in einer Therapie systhematisch aufarbeiten. Denn diese Lethargie, das mangelnde Selbstvertrauen, was Du jetzt hast, das ist ueber Jahre entstanden. Und da dauert es sicher auch seine Zeit, bis Du diese Muster "verlernst" und Dich optimistisch der Zukunft stellen kannst.

Aber Du schaffst das! Da bin ich ganz sicher! Du hast viel Potenzial und mit den richtigen Tricks und etwas Hilfe wirst Du sicher zufriedener - und dann auch erfolgreicher.

Hier noch hilfreiche Links:
http://www.selbsthilfe-beratung.de/
http://www.therapie.de/psyche/info/fragen/psychotherapeuten-finden/

Alles Gute,
Judith