Problem von Yanar - 19 Jahre

Verwirrt.

Hallo liebes Kummerkastenteam,

ersteinmal einen ausgesprochenen Respekt an euch alle hier, ihr leistet großartige Arbeit!
Ich hoffe, jemand von euch findet kurz Zeit, um mir ein kleines Feedback zu geben.

Ich leite mein Geschreibsel mal mit der Floskel; "eigentlich bin ich kein Mensch, der im Internet nach Rat sucht" ein.
Aber ich bin verwirrt, verzweifelt und weiß nicht, an wen ich mich wenden soll.
Da ich im Forum Psychologie und Beziehung poste, sagt ja schon aus, dass es um mich und meinen Freund und mich geht.

Ich schreibe euch, weil ich eine subjektive Meinung will und meine Freunde nicht in ihrer Beziehung zu meinem Freund beeinflussen möchte.

Also, mein Freund (23) und ich (19) sind erst seid 14 Monaten zusammen. Für mich recht kurz, da ich vor ihm bereits eine längere Beziehung geführt habe, für ihn ist es jedoch eine lange Zeit. Ich bin seine erste richtige Freundin, und er hat lange Zeit gedacht, dass er nicht dazu in der Lage sein würde, eine längerfristige Beziehung zu führen. (Er hat ein sehr geringes Selbstwertgefühl, aufgrund von starken Mobbings in der Schule und hält sich selbst nicht für liebenswürdig.)
Er hat keinerlei sozialer Komponenten, keine Freunde, keinen Anschluss an die Umwelt und lebte sehr isoliert, bis ich ihn kennenlernte. (Er ist kein schlimmer Mensch, nur sehr sehr schüchtern und unbeholfen im Umgang mit anderen Menschen. Er weiß nie, wie er Leute in ein Gespräch verwickeln kann)
Sein einziger Kontakt zur Umwelt war bis vor 14 Monaten die Uni und ein Internetforum namens "Knuddels.de" wo er den ganzen Tag drin verbrachte.
Unsere Beziehung begann auch recht unkonventionell. Mehr mit einer offenen zu vergleichen. Da er noch Jungfrau war, gingen wir das ganze langsam an
Nach ca drei Monaten gestand er mir dann seine Liebe. Kurz darauf hat er sich mit einem Mädchen aus dem Internet getroffen. Er ist extra 1 1/2 Stunden zu ihr hingefahren, was mich schon stutzig werden ließ. Aber da ich kein eifersüchtiger Mensch bin, habe ich seiner Ausführung "ich habe keine Freunde und kann mir eine nette Bekanntschaft nicht entgehen lassen" geglaubt.
Als er dann dort war, hatte ich die ganze Zeit ein merkwürdiges Gefühl. Schrieb ihm auffallend viele Sms'en (ich bin nicht so der Handytyp) bis er mich anrief und mir versicherte, dass alles gut wäre und die beiden nur Fernsehen und reden würden.
Ich habs geglaubt.
Am nächsten Tag haben wir uns getroffen und das erste Mal miteinander geschlafen. Danach ist er für 3 Wochen zu seinen Eltern (wohnen 9 Autostunden entfernt) gefahren.
In der Zeit wurde ein Hirntumor bei mir festgestellt und ich bin operiert worden. Er ist sofort zu mir zurückgefahren und hat sich um mich gekümmert.

So ca 4 Monate später habe ich durch Zufall (ein Mädchen hatte ihn angerufen, er sagte mir, ich solle dran gehen (er dachte, es wäre eine Freundin von mir, mit der wir verabredet waren..) und fragte mich, ob die Nacktfotos von ihr angekommen wären. Ich habe ihn dann natürlich total geschockt zur Rede gestellt und er hat es sofort gebeichtet, dass er mit diversen Mädchen aus dem Chat anstößige Fotos austauschen würde. Natürlich hat mich das sehr gekränkt, aber ich konnte seine Erklärung, dass er, wenn er alleine in seiner Wohnung und ohne mich ist, in eine Art Depression verfällt und ihm einfach alles egal wäre, etwas nachvollziehen. Er meinte, es ginge ihm nicht um das sexuelle, sondern mehr um die "Macht" dass das Mädchen ihm diese Fotos schicken würde. Ja, ich finde das auch sehr komisch.
Er selbst hat aber keine geschickt und es kam nie zu einem Treffen, noch kannten sie sich privat. Er brauchte wohl einfach Anerkennung.
Ich habe es ihm verziehen.

Vor 2 Monaten waren wir dann im Urlaub. Er hat mich seinen Eltern vorgestellt. 3 Wochen, nur wir Beide.
Im Urlaub beichtete er mir dann, dass zwischen ihm, und dem Mädchen, welches er getroffen hatte, doch mehr gelaufen war. Er hatte ihr befohlen, sich auszuziehen und sich zb vor ihm selbstzubefriedigen und hat sie gefingert. Zum Sex ist es nicht gekommen. Das glaube ich ihm.
Soweit zur Vorgeschichte.

Ich hatte bis vor 2 Wochen gedacht, ich hätte ihm verziehen. (Er hat sich sehr viel Mühe gegeben, hat sämtliche Chatkontakte gelöscht, will dass ich seine smsen kontrolliere (was ich selbstredend nicht tue!!) und ist reumütig)
Doch seid 1/2 Wochen zieht es mich wieder runter. Ich frage mich, wie ich es ihm glauben konnte, wie ich ihm noch vertrauen soll.
Ich muss dazu sagen, er ist nicht der schlechte Mensch, wie er nun vlt rüberkommt.
Ich hatte eine schreckliche Kindheit, bin durch Kinderheime getingelt, missbraucht und vergewaltigt worden. Und er hat immer für alles Verständnis. Ist lieb, unterstützt mich jetzt bei meiner Chemo.
Er fühlt sich schlecht für das, was dort vorgefallen ist. Sagt, er sei heute ein anderer Mensch. Natürlich ist das leicht gesagt. Aber ich merke selbst, welche Veränderung er durchgemacht hat. Er steht immer zu mir, hilft mir, ist für mich da und gibt mir Kraft. Auch bei meinen Umzug, fast 300 km von ihm weg, hat er mich tatkräftigst unterstützt und fast alles alleine gemacht, da mir dafür die Kraft fehlte. Nun fange ich mein Jurastudium an und er kommt sooft wie es ihm möglich ist (er schreibt gerade seine praktische Bachelorarbeit und ist bis zu 10 Stunden am Tag im Labor) zu mir, kümmert sich. Zu jedem Arzttermin nimmt er sich frei und begleitet mich. Dadurch ist er nun schon mit seiner Arbeit im Verzug und ich fühl mich schlecht. Doch er lässt sich nicht wegschicken. Jetzt hat er mir einen Heiratsantrag gemacht und wartet seid einem Monat auf eine Antwort, da ich so verunsichert bin und finde, dass es zu früh ist.

Und obwohl er momentan einfach der perfekte Freund für mich ist und er mir ständig sagt, dass ich sein Glück bin und er mich liebt (und ich glaube es ihm!) bin ich wieder so deprimiert wegen dieser Chatmädchen. Nachdem die Sache mit den Nackbildern herausgekommen ist, hat er sein Chatverhalten komplett eingestellt. Dennoch habe ich jedesmal Angst, wenn er nun alleine in seiner Wohnung ist.

Meine Frage ist nun eigentlich ganz simpel...
Ich weiß, dass ich ihn liebe. Sehe ich das alles zu rosarot?
Oder sind meine momentanen Zweifel berechtigt?
Er selbst sagt, dass ich dazu jedes Recht habe und ist sehr verständnisvoll.
Ich bin momentan total mit mir und meinen Gefühlen überfordert.

Ein paar Antworten wären lieb, aber allein das ich das mal runter schreiben konnte, tat sehr gut.


Ganz lieben Gruß,

Yanar.

Bernd Anwort von Bernd

Hallo Yanar,

die Darstellung Deines Freundes sagt natürlich schon genau so viel über Dich selber aus, wie über den, den Du uns hier beschreibst!
Aus all dem erkenne ich, dass Du ihm eine 2. Chance geben willst! Und solange Du das willst, ist es auch gut so!
Du schreibst selber, dass Du bereits eine viel länger andauernde Beziehung nun doch hinter Dir gelassen hast. Du weißt also, dass es in Beziehungen keine "Garantie auf Gefühle" gibt?
Es wird immer wieder ein Wagnis und ein Abenteuer sein, auf das wir uns da einlassen!
Aber irgendwie zählt vor allem der Augenblick!
Es ist einer der Gründe, warum ich nicht aufhören kann, zu schreiben, dass niemand einen Anderen "besitzen" darf:
Jeder von uns muß unzählige male im Leben etwas Geliebtes "loslassen"!
Mir hilft da die Vorstellung, dass eben alles Glück nur geliehen ist!
Und deshalb auch mein Rat an Dich!
Du selber willst Deinem Freund eigentlich die Chance geben! Weil er Dir selber auch Chance ist!
Dann tue es!
Ohne Vorbehalt!
Solange Du es kannst!

Alles Liebe,

Bernd