Problem von Anonym - 25 Jahre

Kommende Krise zwischen Mutter und Vater. Ich habe Angst um meine Schwester.

Guten Tag Kummerkasten Team!
Vorab: Ich finde, dass ihr hier einen super Job macht und vielen vielen Menschen hier eine super Hilfestellung in schwierigen oder ungewohnten Sitationen bietet. In diesem Sinne: euch ein entspanntes tolles Weihnachtsfest und einen guten Rutsch! Weiter so!

Nun aber zu meinem Problem:
Hintergrund:
Meine Mutter ist seit langer Zeit unglücklich aufgrund des Verhaltens meines Vaters. Sie sind seit Ewigkeiten verheiratet, sie hatte eine Firma gegründet als ich klein war, mein Vater ist nach kurzer Arbeitslosigkeit irgendwann in die Firma mit eingestiegen und hat sie noch größer und erfolgreicher gemacht. In diesem Jahr haben die beiden die Firma verkauft. Mein Vater arbeitet noch darin für ca. 3 Jahre, meine Mutter ist raus und sitzt nun den Großteil allein zu Haus. Dadurch das meine Mutter zu ihren alten Studienfreunden keinen Kontakt mehr hat, keine großen Aktivitäten außerhalb des Hauses hat und bisher auch nie so wirklich versucht hat - außer Golf, wo sie aber auch keine richtigen Freunde gefunden hat – ist sie im Gegensatz zu meinen Vater oft zu Hause und fühlt sich daher wohl oft unglücklich. Mein Vater dagegen spielt eben im Sommer mit meiner Mutter oder auch mal allein Golf (wenn sie wieder mit Migräne flach liegt), geht jagen (2 Reviere, öfters auch ein ganzes Wochenende weg), hat einen Kegelclub-Stammtisch und geht im Winter Tennis spielen und ist ansonsten mit der Firma beschäftigt. Inzwischen noch Reha Training da er mal sich vor einiger Zeit einen Achilles-Sehnenriss zugezogen hat und ein bisschen Rückenprobleme hat.
Problem ist, meine Mutter meint, sie muss immer springen wenn er was will und sie muss alles in sich rein fressen und kann nicht mit ihm reden, weil sie sonst schon längst geschieden wären, wenn sie über ihren Frust mit ihm reden würde , weil sie ihm immer alles Recht machen soll. Diese Gespräche, die sie eigentlich mit ihm führen sollte, führt sie dann mit mir, ich muss mir dann den Frust anhören der ihm gebührt.

Was sie aktuell aufregt ist folgende Problematik:
Meine Oma mütterlicherseits ist schon 90 Jahre alt, mein Opa väterlicherseits ist seit mehreren Jahren tot. Daher ist sie dieses Jahr in ein Wohnheim umgezogen, da das alte Haus meiner Großeltern viel zu groß für eine Person und nicht seniorenfreundlich ist. Daher ist meine Oma dieses Jahr bei uns über Weihnachten – wir wohnen 400km weit auseinander und wir wollten uns die Fahrerei sparen, indem wir meine Oma eben bei uns über Weihnachten haben.
Und hier ging es los. Die Verwandtschaft väterlicherseits (Tante und Onkel – Bruder von meinem Vater) haben zum Geburtstag meiner Tante am 27.12 eingeladen. Mein Vater hat wie üblich sofort mit Begeisterung „wir kommen hin!“ geschrien und für ihn und meine Mutter zugesagt. Meine Mutter musste ihn erst mal darauf hinweisen, dass meine Oma im Moment und zu dem Zeitpunkt dann noch bei uns zu Besuch ist – sie saß quasi beim telefonieren in seinem Blickfeld auf dem Sofa. Er meinte zu meiner Mutter, sie könne ja hier solange allein mit unserem Hund zu Hause sein. Meine Mutter hat das so runtergeschluckt und mir dann erzählt, dass das nicht sein kann da die Oma ja nicht alleine bei uns kochen könnte und schon gar nicht auf den Hund aufpassen könnte, so wacklig wie sie ist. Darauf kam weiterer Frust hoch den sie mir erzählte und schließlich der Satz der mir dann ein ziemlich unwohles Gefühl bereitete: „Wenn ich mit deinem Papa über sowas reden würde, wären wir schon längst geschieden!“

Dabei kann ich nicht sagen, ob sie meint, dass sie sich von ihm dann scheiden lassen würde oder das mein Vater als Konsequenz, dass nicht alles immer nach seinen Vorstellungen laufen kann, sich von ihr scheiden lassen würde.
Und dieses „runterschlucken“ hat meine Mutter auch im Alltag. Mein Vater ist meist voll verplant und möchte dann meistens nicht noch etwas speziell mit ihr machen und sitzt abends lieber halb einschlafend vor dem Fernseher – ich weiß auch ehrlich gesagt gar nicht ob meine Mutter konkrete Vorschläge macht, was sie mit ihm gerne mal machen würde oder ob sie immer nur meckert und mir ihren Frust erzählt. Dafür plant er sie dann zum Beispiel bei der Weihnachtsfeier seines Kegel-Stammtisch mal mit ein, aber in der Form: „Du kannst fahren und kannst mit, wir können trinken“. So oder so ähnlich hat sie es mir dann wieder vorgemeckert (ich habe es nicht mehr komplett im Kopf), was ihr dann natürlich auch nicht passt.
Aber auf eigene Faust sich irgendwo in einem Verein anmelden macht sie auch nicht und bleibt zu Hause.

Und hier ist mein Problem:
Ich denke, dass es früher oder später zu einer „Explosion“ kommen kann und dann eben der Haussegen noch schiefer hängt bzw. die Scheidung kommt. Vielleicht besteht die Ehe auch nur noch, weil bis zum Oktober meine Schwester noch zu Hause gewohnt hat (jetzt Studiumsbeginn in einer anderen Stadt, kommt nur am WE mal vorbei) und weil ich noch zu Hause wohne – ich studiere inzwischen im Master und meine Hochschule ist ca. 10 Minuten mit dem Fahrrad vom Elternhaus entfernt...da war ausziehen nicht drin, da meine Eltern meinten so ist es finanziell günstiger, wo sie auch Recht haben.

Meine große Angst ist, dass ich meine kleinere Schwester auffangen muss. Denn die ist sehr sensibel und ich weiß nicht ob sie eine Scheidung verkraften würde. Ich habe Angst, dass das meine Schwester sehr mitnehmen kann, wenn es passiert, aber auf der anderen Seite denke ich, dass der aktuelle Zustand meine Mutter auch sehr belastet und es so auch nicht weitergehen kann wie es im Moment läuft. Ich kann ja nicht auf ewig ihr Frust-Zuhörer sein, ich bin kein Ehe-Therapeut oder Ehemann-Ersatz, ich bin ihr Sohn!
Dann wird sie im schlimmsten Fall so wehleidig wie es meine Oma öfters ist, die jeden Tag von meiner Mutter morgens und abends angerufen wird und dann auch bis ins kleinste Detail gebohrt wird, was es zu essen gab, was sie heute gemacht hat…es klingt für mich manchmal so als würde meine Mutter meiner Oma wieder wie eine junge Frau, die grade frisch ausgezogen ist ihrer Mutter alles erzählen und „rechtfertigen“ lassen müssen.

Das ganze belastet mich bisher nicht so sehr dass ich schlaflose Nächte habe, da ich inzwischen ein paar krassere Sachen hinter mir habe und einen einigermaßen klaren Kopf bewahren kann, aber ich weiß nicht wie ich das ganze lösen kann.
Ich habe schon eine Beziehung mit einer Borderlinerin - und ihren Berg an Problemen - hinter mir, bin einiges an Stress und sozialen Problemen auch durch das, was bei Freunden in den Familien passiert ist, gewöhnt und normalerweise gut im beraten und beistehen…habe einen Bachelor of Science,... aber dieses Problem, das sich da ja deutlich anbahnt, kann ich nicht lösen, bzw. weiß nicht wie.
Was meint ihr?

Dana Anwort von Dana

Lieber Unbekannter!

Eigentlich hast du in deinem letzten Satz schon die Lösung gebracht.

"Dieses Problem, das sich da ja deutlich anbahnt, kann ich nicht lösen."

Exakt. Du kannst das Problem nicht lösen, es liegt NICHT in deiner Verantwortung.
Das Problem liegt in der verqueren Rollenverteilung bei euch. Dein Vater ist Despot und deine Mutter die Kuscherin. Du bist der Zuhörer und ihr Frustventil und deine Mutter ist immer noch nicht wirklich selbständig, obwohl sie früher wohl erfolgreich eine Firma gründen konnte. Sie hat keine eigene Aufgabe mehr. Fatal.

Du bist der SOHN. Du bist zwar mittlerweile 25 und da kann man auch schon mal eine beratende Funktion in der Familie einnehmen, aber mit Sicherheit sind die Sorgen und Nöte deiner Mutter, ihre Beziehung zu deinem Vater betreffend, bei dir nicht an der richtigen Stelle. Das Problem im Problem: deine Mutter hat ihr Ventil in dir. So ist die Notwendigkeit nicht wirklich gegeben, deinen Vater mal zur Rede zu stellen. Die ganze Beziehung ist höchst ungesund und steht auf wackeligen Beinen. Und manchmal ist es da besser, wirklich einen Schlussstrich zu ziehen oder alles ein für alle mal zu klären, allerdings nicht mit dir als Vermittler, sondern direkt.

Nicht nur sie fügt sich in ihre Rolle der missverstandenen und vernachlässigten Hausfrau, du fügst dich ebenfalls, deine Oma, dein Dad und deine Schwester. Deine Oma gibt quasi die Kontrolle nicht ab, deine Schwester ist die "beschützte Kleine", obwohl sie sicher ebenso Augen hat, die sie aufmachen könnte...und du duldest es, dass du eine Rolle einnimmst, die dir eigentlich nicht passt.

Im Prinzip bräuchte eure Familie mal einen riesigen Knall - oder einen Familienrat. So kann das ja nicht weiter gehen. Deine Mutter leidet, nutzt aber lieber dich. Dein Vater verhält sich, wie er das will und man hat den Eindruck, er denkt gar nicht so groß drüber nach, wie eine FAMILIE wirklich funktionieren sollte, du bist der, der alles auffängt, obwohl du mitten im Studium steckst und sicher auch deine eigenen Probleme hast.

Daher nochmals: du bist nicht verantwortlich.

Rede doch mal mit deiner Mutter wirklich ehrlich darüber, dass sie dich in die falsche Rolle steckt und dass es besser wäre, mal wirklich mit deinem Vater alles auf den Tisch zu packen, egal, wie die Folgen davon sind. Manchmal ist eine Trennung sogar wirklich gut und weckt Lebensgeister. Denn toter als jetzt können sie bei deiner Mutter ja kaum sein. Sie ist in ihrer Rolle gefangen und hat null Eigenenergie. Die müsste sie aufbringen, wenn sie ausbricht. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, wie lethargisch man wird, wenn man einfach jeden Tag dasselbe macht, alleine und isoliert und dann noch völlig unbeachtet und unverstanden ist.

Gerade weil sie oft sagt: "wir wären schon längst geschieden"...nutze das doch das nächste Mal und sag: "Dann tut das doch bitte einfach endlich!" Dieser Trott muss enden, es müssen neue Richtungen her. Auf jeden Fall solltest du deine Rolle als "Ventil" abgeben (nicht ohne neue Ideen einzubringen), dann müssen neue Energien in andere Richtungen gehen, damit es irgendwie weiter gehen. Auch da kannst du als Sohn steuern, aber nicht als Therapeut. Deine Mutter sollte sogar eine Therapie machen, damit sie sich nicht mehr so nutzlos fühlt und wieder auflebt, sie zeigt ja schon gewisse depressive Züge, eine Familientherapie wäre natürlich super, aber da wird dein Dad nicht mitziehen, fürchte ich. Trotzdem wäre es eine gute Sache. Und selbst, wenn du, deine Schwester und deine Mutter mal zusammen zum Familientherapeuten geht.

Deine kleine Schwester mag sensibel sein, aber sie wird auch Kräfte und Stärken in sich haben - und die müssen geweckt werden. Du bist insgesamt ein toller Mensch, wenn du dich so um alle sorgst. Aber es kann und soll nicht deine Aufgabe sein, überall alles aufzufangen und den Beschützer zu mimen. Du kannst alles anstoßen, damit es beginnt zu schwingen und eine Eigendynamik kriegt, aber mehr auch nicht. Und wenn es eine Explosion gibt oder Riesenkrach, dann ist das halt mal so - auch nicht deine Verantwortung. Du führst ja nicht deren Ehe.

Verstehst du? Du musst mehr Abstand gewinnen und weniger als deine Aufgabe sehen. Wenn der Leidensdruck deiner Eltern groß genug ist, wird etwas passieren. Und wenn du es anstößt, dass mal ein Nachdenken passiert, dann ist das auch gut und der Leidensdruck muss vielleicht gar nicht erst so groß werden. Aber bitte mach nicht einfach so weiter wie bisher. Das ist sehr ungut. Du bist nicht der Hüter deiner Familie. Alle sind erwachsen.

Ich wünsche dir viel Erfolg beim "anstoßen"...und hoffe für dich sehr, dass sich irgendwas ändert. Am besten in die Richtung, dass deine Mutter wieder autonomer wird mit sich selbst und mit dem Familienleben. Und vielleicht lernt dein Vater ja auf seine "alten Tage" noch etwas dazu. Wer weiß...

Alles Liebe,

Dana