Problem von Anonym - 15 Jahre

Höchste Verzweiflung/ Sinn des Lebens

Nun, es mag nicht wirklich ein Problem sein aber seit einigen Monaten beschäftigen mich ein paar Fragen : Warum lebe ich eigentlich? Warum sollte ich mein Leben lang arbeiten wenn ich sowieso irgendwann sterbe und nichts davon habe? Warum kann ich nicht jetzt sterben, wo mich noch niemand kennt und mich nicht vermissen würde? Versteht ihr? Ich möchte einfach nicht mehr in dieser oberflächlichen Welt leben. Es macht mich fertig! Selbst wenn ich etwas tue, was mir eigentlich Spaß macht, frage ich mich immer 'wozu?'. Es gibt so vieles, was ich in der Welt ändern möchte, doch ich werde es nie schaffen. Weder habe ich das nötige Geld, noch das richtige Aussehen. Ich bin einfach ein kleiner, einsamer Mensch ohne irgendetwas und ohne irgendjemand. Doch ich schaffe es nicht, mir selbst ein Ende zu setzen. Ich hab Angst vor den Schmerzen. Aber ich stelle es mir so schön vor, 'nichts' mehr zu sein. Ohne Sorgen, ohne Gedanken. Oh man, ich bin so verzweifelt wegen diesen Gedanken. Ich hab kaum noch Kraft. Ich hab sogar angefangen mit meinem Plan, mich an irgendeine Grenze zu treiben. Auch wenn ich es erbärmlich finde. Aber dann bin ich wohl erbärmlich, was solls. Das wusste ich auch schon vorher. Aber auf jeden Fall 'Danke' an dich, falls du das durchgelesen hast.

Delia Anwort von Delia

Hallo liebe Unbekannte,

sobald es dich belastet ist es für dich auch ein Problem und auch wenn andere Menschen das vielleicht anders sehen, spielt das keine Rolle.
Es ist auch überhaupt nicht erbärmlich, sich nach dem Sinn von etwas zu fragen, zu verzweifeln oder Angst vor Schmerzen zu haben. Das ist nicht erbärmlich, sondern menschlich. Und das ist auch gut so.
Ich werde deine Zuschrift einfach mal der Reihe nach beantworten.

"Warum lebe ich eigentlich?"
Du bist nicht auf die Welt gekommen um einen vorgefertigten Plan zu erfüllen. Deine Eltern werden sich nicht gewünscht haben, ein Kind zu bekommen, damit es in Zukunft eine bestimmte Aufgabe erfüllt oder irgendetwas an der Welt ändert. Deine einzige Aufgabe ist es, selbst herauszufinden, was du mit deinem Leben anfangen möchtest. Und kaum ein Mensch weiß das bereits mit 15 Jahren, schließlich fehlen noch eine Menge Erfahrungen und Erlebnisse um zu wissen wer man wirklich ist und was man machen möchte. Es ist also überhaupt nicht schlimm, dich nach dem Sinn zu fragen und es ist auch nicht schlimm, dass du darauf keine genaue Antwort hast. Das macht dich nicht unbedeutender oder unwichtiger als andere Menschen, sondern zu einer ganz normalen Jugendlichen, die vielleicht etwas mehr nachdenkt als andere und Dinge stärker hinterfragt. Und das wiederum sind Fähigkeiten, die dir später noch nützen können, vor allem im Hinblick auf Reflexion.

"Warum sollte ich mein Leben lang arbeiten wenn ich sowieso irgendwann sterbe und nichts davon habe?"
Ich weiß wir leben in einer Zeit, in der ständig von Rente und Altersvorsorge geredet wird und es dauernd darum geht, sich für das Alter abzusichern und Geld zu sparen. Es wird über die Unterschiede zwischen verschiedenen Rentenpaketen geredet, über Altersheime und Pflege von Angehörigen. Und darüber, dass all diese Sachen viel Geld kosten.
Und es ist auch sicherlich vernünftig sich Gedanken darüber zu machen und sich Geld zurück zu legen und sich Informationen zu beschaffen.
Aber es geht ja nicht darum, 50 Jahre zu arbeiten und dein ganzes Geld für die Zeit aufzusparen, in der du nicht mehr arbeiten musst. Und es geht auch nicht darum, für eine ungewisse Zukunft nach dem Tod zu arbeiten.
Sondern du arbeitest um deine eigenen Erfahrungen zu machen, neue Fähigkeiten zu lernen, dich weiter zu entwickeln, neue Menschen kennen zu lernen, dir bestimmte Dinge leisten zu können, zu merken was du gut kannst und wo du noch besser werden könntest. Es geht nicht nur darum, am Ende des Monats ein paar Zahlen mehr auf dem Konto zu haben, wobei auch diese "Zahlen" dir natürlich dabei helfen können, Dinge zu tun, die du gerne machst. Wie z.B. mit anderen Menschen zusammen verreisen, dir Dinge kaufen die du dir wünscht und dir allgemein etwas zu gönnen was du gerne möchtest.
Aber es geht nicht nur um das Geld, sondern darum, sich selbst besser kennen zu lernen, hoffentlich etwas zu tun was einem größtenteils Spaß macht oder was man interessant findet und neue Erfahrungen zu machen. Du lernst dadurch auch wer du selbst bist, was du magst und was du kannst. Du arbeitest nicht nur für das "Irgendwann" sondern vor allem für die Gegenwart.

"Warum kann ich nicht jetzt sterben, wo mich noch niemand kennt und mich nicht vermissen würde?"
Du bist 15 Jahre alt, dich kennen bereits eine Menge Leute und ich bin mir auch sicher, dass dich viele vermissen würden wenn du plötzlich weg wärst. Vielleicht widersprichst du mir gerade gedanklich, aber was macht dich denn so sicher, dass dich niemand vermissen würde? Nur weil du dich einsam fühlst, heißt das noch lange nicht, dass dich andere Menschen nicht bemerken oder mögen. Unsere eigene innere Welt, also unsere Gedanken und Gefühle, spiegeln nicht immer die Realiät wider, sie sind nicht immer wahr. Nur weil man sich selbst erbärmlich und schwach und nicht liebenswert fühlt, heißt das noch lange nicht, dass andere Menschen das genauso sehen. Die Dinge, die du denkst, wenn du dich selbst im Spiegel anschaust, sind deswegen noch lange nicht die gleichen Dinge, die andere Menschen denken, wenn sie dich ansehen. Die Stimme in deinem Kopf, die dir negative Dinge über dich selbst sagt, hörst alleine du, andere hören sie nicht.

"Ich möchte einfach nicht mehr in dieser oberflächlichen Welt leben."
Ja diese Welt ist oft oberflächlich. Aber es kommt darauf an wo genau du hinschaust. Schaust du auf unser Fernsehprogramm, dass uns mit der Werbung zum Kauf von unnützen Produkten bringen möchte? Schaust du auf Plakatwände, die uns versuchen weiszumachen, wir bräuchten bestimmte Dinge um glücklich zu sein oder müssten so aussehen wie prominente Menschen? Schaust du in Supermärkte und Klamottenläden, in denen es vorrangig um Konsum geht?

Es ist auch oberflächlich in dieser Welt nur die oberflächlichen Dinge und Menschen zu betrachten! Es geht darum, tiefer zu sehen und Dinge zu hinterfragen. Du siehst auf der Straße ein Mädchen, dass ihren Freundinnen gerade ihr tolles neues Handy zeigt, von dem du weißt, dass es sehr teuer war. Sie ist stolz darauf und zeigt es überall herum. Du siehst diesen Ausschnitt aus ihrem Leben und denkst dir in diesem Moment vielleicht, wie oberflächlich sie ist weil ihr ein teures Handy so viel bedeutet und weil sie vor ihren Freundinnen damit angibt. Und ja, es ist in diesem Moment vielleicht wirklich eine oberflächliche Handlung, doch was weißt du in dem Moment schon über sie? Du weißt nicht, was sie sieht, wenn sie morgens in den Spiegel schaut, was ihre Gedanken sind, kurz bevor sie abends einschläft. Was ihre Träume und Hoffnungen sind, welche Schicksalsschläge sie bereits hinter sich hat. Ob sie manchmal heimlich weint, ob ihre Freundinnen nicht hinter ihrem Rücken über sie lästern, ob sie Probleme in der Schule hat oder Streit mit ihren Eltern. Du weißt nicht wie sie wirklich ist oder was sie wirklich fühlt. Du weißt nicht wer sie ist.
Urteile nicht zu schnell über andere Menschen und Gegebenheiten! Denn DAS ist die wirkliche Oberflächlichkeit in dieser Gesellschaft. Es geht nicht darum, zu was uns die Werbung bringen möchte oder was uns das Fernsehen für eine Realität vorspielt.
Es geht darum wie wir mit unseren Mitmenschen umgehen. Und in diesem Punkt kann JEDER selbst entscheiden was für ein Mensch er sein möchte.

"Selbst wenn ich etwas tue, was mir eigentlich Spaß macht, frage ich mich immer 'wozu?'."
Damit es dir Spaß macht! Nicht jede Handlung braucht einen Grund oder eine bestimmte Absicht dahinter. Wenn dir etwas Spaß macht, ist es ein wichtiger Teil deines Charakters und diese "Funktion" reicht vollkommen aus.

"Es gibt so vieles, was ich in der Welt ändern möchte, doch ich werde es nie schaffen. Weder habe ich das nötige Geld, noch das richtige Aussehen."
Geld und Aussehen? Wirklich? Du glaubst ernsthaft, dass wirklich Geld und Aussehen diese Welt verändern werden/können? Wer hat denn jetzt die oberflächlichen Gedanken, hmm?
Wenn du an die bisherigen Veränderung in deinem Leben denkst, hat da Geld und Aussehen die wichtigste Rolle gespielt? Oder war es nicht vielleicht doch etwas ganz anderes? Waren die Menschen, die für dich etwas bedeutsames getan haben, etwa reich oder hatten ein perfektes Aussehen?

Du hast Recht, wahrscheinlich wirst du nicht die ganze Welt verändern. Aber du kannst einen Teil verändern, du kannst dich selbst und deine Umgebung verändern. Du kannst das Leben deiner Freunde und Familie beeinflussen, kannst durch deine Arbeit etwas verändern und dich auch ehrenamtlich engagieren. Nur weil du nicht reich bist oder das Aussehen eines Models hast, heißt das nicht, dass du machtlos bist. Denn die wenigsten Menschen haben viel Geld oder das perfekte Aussehen und trotzdem können sie etwas in dieser Welt bewegen.

Du bist 15 Jahre alt, ich weiß, das ist für dich selbst eine lange Zeit, es ist dein ganzes bisheriges Leben. Aber letztendlich ist es nur ein kleiner Teil deines Lebens, du hast so viele Dinge noch nicht getan oder erlebt. Du KANNST noch gar nicht wissen was der Sinn deines Lebens ist, wer du wirklich bist und was du in Zukunft tun möchtest. Aber du kannst dem Leben und dir selbst die Chance geben, es herauszufinden!

Ich wünsche dir alles, alles Gute!