Problem von Sophie - 15 Jahre

suizidgedanken

Hallo..
Ich habe ein "problem"
Ich habe eine freundin. Sie ist wie ich. Sie ist meine einzige Freundin. Naja ich bin die Freundin. Also es geht um mich.
Ich werde gemobbt und geärgert.
Ich werde beleidigt und mir wird weh getan körperlich wie seelisch.
Ich habe versucht mich um zu bringen aber jemand aus meiner klasse hat mich abgehalten. Ich ritze mich sogut wie überall wo noch platz ist. Ich denke immer daran mir das leben zu nehmen. Meine klasse sagt auch sowas wie: ritz dich tot! Dich brauch niemande! Du bist unnötig und dumm! Zu nix zu gebrauchen! Hässlich une fett.
Es tut so weh.
Deshalb wollte ich fragen was ich tun kann.

Liebe Grüße
Sophie.

PaulG Anwort von PaulG

Liebe Sophie,

könntest du es annehmen, wenn ich dir sage, dass ich auch gerne mit dir befreundet wäre?

Das Schlimme ist nämlich: Du klingst ganz und gar nicht so, als wärst du deine eigene Freundin. Und das stimmt mich traurig.

Ich könnte viel zu dem Mobbing sagen - und im Endeffekt gibt es nur den einen Weg: Es laut und deutlich zu machen, deinen Lehrern, deinen Eltern, jedem, der dir zuhören möchte, ob Verwandter, Bekannter oder Lehrer. Denn Mobbing ist und darf kein Urteil für immer sein. Du musst dich nicht rechtfertigen - du bist es, der Unrecht geschieht. Es ist ein schwerer Weg, ich kann ihn dir nicht abnehmen und wünsche mir doch sehr, dass du ihn gehen kannst. Ich hoffe, dir besonders in einer anderen Frage Anstöße zu geben: Welchen Wert du für dich selbst hast.

Im Augenblick ist er gleich null, so scheint mir. Du verleihst dir Begriffe, die Abscheu vor dir selbst ausdrücken. Aber gleich, wie oft sie dir Andere an den Kopf werfen: Ich möchte immer dagegen halten. Du bist nicht hässlich, nicht fett, und du bist es wert, am Leben zu bleiben. Bitte, tu dir nichts an - habe den Mut, am Leben bleiben zu wollen. Alles Andere wäre entsetzlich.

Hässlichkeit. Was drückt das Wort aus? Im Grunde genau das, was du von dir selber denkst: Nicht wert, hier zu sein. Man hat diesen Begriff erfunden als Gegenwort zu schön. Und "schön" heißt bei uns, vollkommen, rein, makellos, unantastbar. Wenn wir mal nachdenken, muss uns rasch eines aufgehen: Es gibt auf dieser Welt nichts vollkommen Reines und Makelloses. Es gibt Menschen, die versuchen, das aus sich zu machen - und immer scheitern müssen; es gibt Menschen, die - und das ist das Schlimmste - von sich selber glauben, die Herrlichkeit überhaupt zu sein. Wollen wir das sein? Können wir das sein?

Nein. Die Natur hat uns alle unterschiedlich gemacht. Kein Mensch ist ohne Aufgabe, ohne Talent, ohne Schönheit - aber kein Mensch ist auch ohne Fehler. So ist es gedacht, und so ist es gut. Jeder Mensch, ob dick oder dünn, schwarz oder weiß, gerade oder krumm, hat seinen Platz und seinen Wert. Wir sind auch so, dass wir ihn anderen nicht zugestehen. Damit sind wir jedoch im Unrecht. Was auch immer du an dir bemängelst, wird von Anderen als attraktiv empfunden - dass du sie nicht kennst (noch nicht), heißt nicht, dass es sie nicht gibt. Es ist krass, das zu schreiben, aber es stimmt: Auch dicke Oberschenkel, auch Pickel, auch ein schiefer Zahn haben ihre Liebhaber. Wieso? Weil der Mensch, der da drumrum gestrickt ist, blitzsauber ist, aber einen zusätzlichen Reiz erhält. Wer nach absoluter Schönheit sucht, kann nicht an was Dauerhaftem interessiert sein. Absolute Schönheit, absolute Vollkommenheit müssten dazu führen, dass wir uns daneben selber klein und eklig vorkommen. So wie du dich gerade fühlst. Immer wieder müssen wir uns vor Augen führen: Was wir hässlich nennen, ist es nicht. Es ist die Natur, es ist bis zu einem gewissen Maß okay, solange es uns nicht gefährdet. Man kann so schwer sein, dass es einen fast umbringt; man kann seinen Körper mit Rauchen und Saufen und Drogen kaputt machen; man kann sein Gewissen vergessen und seine Liebe zur Heuchelei verkommen lassen - wenn etwas hässlich ist, sind es diese Dinge. Alles Übrige ist echt, ist in Ordnung, gehört dazu und hat seine Freunde. Auch du bist schön, auch du kannst geliebt und begehrt und geschätzt werden. Ich wünsche mir für dich, dass du dich traust, echt zu sein. Auf diese Weise würdest du noch vielmal schöner als die, die dich jetzt beleidigen. Echtheit geht vor Schönheit - Echtheit IST Schönheit.

Wenn du dir das Leben nehmen würdest: Was wäre damit gewonnen? Im Moment wirst du vielleicht sagen: Paul, da fragst du noch? Ich bin es einfach nicht wert. O doch, das bist du. Und ich habe den längeren Atem, dich zu überzeugen, dass es so ist. Wann immer dich das Gefühl überkommt, darfst du mich innerlich sagen hören: Bleib am Leben! Nimm dich nicht der Welt! Hör bitte nicht auf, zu glauben, dass du noch etwas vor dir hast. Noch etwas zu geben, und zu erfahren. Und dies ist mein Wunsch, dass du es bald anerkennen kannst. Es ist meine feste Meinung, dass auch du schön bist, eine lange Reihe an Qualitäten hast - auch wenn ich dich nicht kenne, ist es so.

Deine Schönheit: Das sind auch die Narben auf deinem Körper - ja, so ist es. Auch der Schmerz in deinem Gesicht, vielleicht deine Tränen, wenn du uns schreibst; auch das ist deine Schönheit. Es ist das Leben, und dazu gehört, dass man dir diesen Schmerz nehmen will. Ich bin einer, der es gern möchte. Aber da ich es nicht allein kann, wird es Weitere geben. Habe den Mut, daran zu glauben, dass du sie findest. Es wird passieren, ganz sicher. Kann ich dir das Vertrauen zusprechen, dass es so sein wird - und bald? Das fände ich schön, wenn ich das könnte.

Ich würde mich freuen, wenn du mir zustimmen könntest. Das mag seine Zeit dauern, aber ich lasse sie mir nicht lang werden. Wenn du es einmal, hoffentlich bald, bemerkst, dass du schön und wertvoll bist, werde ich umso mehr davon überzeugt sein. Ich wünsche dir, dass du deine Augen bald geöffnet und dein Herz erleichtert fühlen wirst. Sicher kann ich das nicht allein bewirken, aber so gelten meine Wünsche auch denen um dich herum, die es schaffen werden. Eine davon bist du selbst. Du kannst es beginnen. Sag selbst: Ist das nicht ein verlockender Gedanke?

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul