Problem von Anonym - 20 Jahre

für den noch Verständnis aufbringen?

hallo!
bei meinem vater wurde im august ein kleinzelliges lungenkarzinom festgestellt. natürlich hat sich unser leben seitdem verändert. aber sein verhalten ist unausstehlich. wir (meine mutter insbesondere, meine schwester und ich) scheinen daran noch kaputt zu gehen. nur ein kleines beispiel: abendessen - meinem vater schmeckt das essen nicht. meiner meinung nach schmeckt es wie immer. (die geschmacksänderung liegt an der chemo). meine mutter reagierte auf seine aussage, dass ihm das essen nicht schmeckt beleidigt. ich wusste nicht wer mir mehr leid tat.
mein vater lässt sich von vorne bis hinten bedienen, was in diesem fall ja auch in ordnung ist. aber nichts kann man ihm recht machen, was meine mutter kränkt. von ihm kommen nur böse kommentare und herumgemotze. meine mutter gab mir gestern das auto um zu meiner nachhilfe zu fahren. ich fragte ob ich danach zum markt fahren dürfe. ängstlich fragte sie, ob ich für papa zigaretten mitbringen könnte. ich sagte nein, weil ich das nicht unterstützen würde. sie war fast am weinen. denn bloß weil ich keine zigaretten mitbringe, muss sie sich das gemaule von papa anhören. heute morgen waren dann auch keine zigaretten mehr im haus. mama wollte in die stadt fahren. der kommentar von papa: wenn du sowieso keine zigaretten holst, brauchst du auch nicht in die stadt fahren.
auch gefluche wie "scheiß weib" meint mama gehört zu haben. als mama mir das erzählte bin ich ausgerastet. bin zu papa und fragte ihn aufbrausend, ob er denn nur noch seine scheiß zigaretten im kopf hätte und das er sich nicht alles rausnehmen könnte. ich sagte mama hätte schon angst vor ihm. er meinte allerdings das ich sie unterdrücken würde keine zigaretten zu kaufen. und ich solle die wohnzimmer tür zu machen (von aussen) ihm ginge es nicht gut. auch so ein punkt: er besetzt das wohnzimmer. meine mutter sitzt den ganzen tag in der küche und weiß sich nicht zu beschäftigen. wie lange sollen wir dafür verständnis aufbringen. was er noch sagte war, er würde gleich ins bett gehen und nicht mehr aufwachen. ich habe das gefühl, er fühlt sich von uns drei weibern "gepisakt". aber es ist ja nicht so. aber mit ihm kann man auch nicht darüber reden. das habe ich schon oft versu´cht. und vor allem tun mir beide immer so leid. obwohl ich im moment eher sauer auf papa bin. was soll ich machen und was haltet ihr davon?

Anwort von Sabine

Hallo!

Zu Deiner Frage im allgemeinen: Ja!
Erschrick nicht, wenn ich so antworte, aber ich kann euch alle ein wenig verstehen. Deine Mutter, Dich und Deinen Vater.
Dein Vater hat mit Erschrecken, wie ihr auch, erfahren, dass er eine Krankheit hat, die nur durch Chemo zu behandeln ist. Diese Therpaie verändert den Menschen ein wenig und wahrscheinlich macht sich auch Dein Vater seine Gedanken, was gerade mit ihm passiert. Er war früher nicht so und plötzlich ändert sich alles. Das er sich nicht wohl fühlt, dass kannst Du mit Sicherheit auch gut verstehen. Er vermisst wahrscheinlich genauso wie ihr das alte Leben und so, wie es früher war. Seine Agressivität kann von der Therapie kommen. Wahrscheinlich auch die Unzufriedenheit, weil er sich selber noch nicht damit abgefunden hat, dass es so gekommen ist. Du sagst selber, dass er das, was er früher mal geschmeckt, gesehen oder bemerkt hat, heute nicht mehr so feststellen kann. Diese Veränderung greift die ganze Familie an. Schwer für Dich und schwer für den Rest der Familie. Wichtig ist, dass ihr zusammenhalten könnt. Wichtig ist, dass ihr auch darüber sprechen könnt. Dein Vater scheint sich im Wohnzimmer so eine Art Schutzmauer aufgebaut zu haben. Mit Waffen (lauten Worten, Bockigkeit oder Vorwürfen) wird man diese Mauer nicht durchbrechen können. Genau der entgegengesetzt Weg wäre eine Möglichkeit vielleicht mal ein wenig näher an ihn heranzukommen. Einfach hineingehen und sich zu ihm setzen. Sehen was passiert und ihm einfach nur sagen: ich möchte gerade bei Dir sein, weil ich Dich vermisse. Auch das hört Dein Vater gerne und kann spüren, wie lieb ihr ihn eigentlich noch habt und das die Streiterei nicht sein muß. Ähnlich sollte auch Deine Mutter versuchen vielleicht wieder an ihn heranzukommen. Es kostet eine Menge Kraft, dass weiß ich auch, aber es bringt nichts sich Vorwürfe zu machen.
Ihr solltet viel über die Krankeheit Deines Vaters und über eure Gefühel sprechen. Nicht anschreien oder Vorwürfe machen. Einfach nur mitteilen, wie es gerade in einem aussieht. So kann der eine den anderen verstehen und nachvollziehen, was eigentlich in ihm vorgeht. Vor allem auch für Deinen Vater ist es wichtig. Gerade er sollte so vielleicht hinter seiner Mauer wieder weggelockt werden.

Lieben Gruß