Anwort von Marco

Liebe Sophie,

vielen Dank für Deine offenen Worte. Man kann wirklich sagen: Du steckst in keiner schönen Situation!

Eine Familie sollte normalerweiße ein Ort sein, wo man sich geliebt und geborgen fühlt und man Schutz und Hilfe erwarten kann, wann immer man es braucht. Dass Du das nicht erleben darfst, tut mir sehr Leid für Dich. Es ist auf jeden Fall klar, dass sich ETWAS ändern muss, denn unter diesen Umständen, ist es Dir nicht zumutbar länger daheim leben zu müssen.

Die Frage ist nur WAS sich ändern soll: Dein Wohnort oder Dein Stiefvater? Überlege Dir selber mal, was Dir lieber wäre. Lass Dir ruhig Zeit dabei, aber ich nehme an, Du kommst zu dem Entschluss, dass Dir lieber wäre, wenn dein Stiefvater sich ändern würde, oder?
Nur wie schaffst Du das?

Mein erster Gedanke, als ich Dein Anliegen kurz überflogen habe, war auch: "Versuche mit Deinem Stiefvater oder Deiner Mutter darüber zu reden.", so wie es anscheinend schon viele vorher zu Dir gesagt haben. Offensichtlich hast Du das bereits mehrfach getan - leider ohne großen Erfolg. Hast Du vielleicht noch andere enge Vertrauenspersonen um Dich herum? Geschwister? Dein leiblicher Vater? Der Schulseelsorger? ...? Dann versuche doch einmal mit ihnen über Dein Problem zu reden. Sie haben bestimmt noch den ein oder andern guten Ratschlag.

Was ist mein Ratschlag für Dich?
--> Wenn es mit Reden nicht funktionert hat, versuche es doch mal mit Schreiben: Schreib Deinem Stiefvater (oder Deiner Mutter) einen Brief und erkläre ihm dabei, wie sehr Du unter Deiner Situation leidest, dass Du aber gerne noch mit ihm unter einem Dach leben würdest, allerdings nur, wenn ER sich ändert, also weniger Alkohol trinkt, weniger Streit und Dich auf jeden Fall nicht mehr schlägt. Schreibe ihm auch, dass Du gerne einmal mit ihm darüber normal sprechen willst. So ein Brief kann viel bewirken, muss aber nicht. Du darfst also nicht allzu entäuscht sein, wenn sich nichts dabei ändert.
--> Zeige auch Deiner Mutter, dass sie Dir wichtig ist und mach ihr bewusst, dass Du ihre Tochter bist, um die sie sich kümmern sollte, ja sogar muss!
Was kannst Du noch tun?
--> Versuche Dich in die Lage Deines Stiefvaters zu versetzen und finde heraus: Warum trinkt er? (Einsamkeit? Enttäsuchungen? Seelische Probleme? Gruppendruck? Sucht? ..?) Warum und wann gibt es Streit? (nur wenn er betrunken ist? um was geht es bei Streitigkeiten? ...?) Warum schlägt er Dich? (Aggresivität? Unkontrollierbarkeit? Will er zeigen wer der "Chef" im Haus ist? Langeweile? ...?) Wenn man die Ursache kennt, kann man sie am Besten bekämpfen! Allerdings ist dabei wichtig, dass Du Dich nicht selbst als Ursache siehst, denn das bist Du ganz bestimmt nicht!
Mein bester Ratschlag aber für dich ist:
--> Wende Dich an das Jugendamt! Sie können Dir direkte und indirekte Hilfe anbieten und Dir auch aufzeigen, welche Möglichkeiten Du hast, wenn Du tatsächlich von daheim ausziehen musst, wenn es eben unerträglich für Dich ist, sprich wenn sich eben nichts ändert. Denn bei einem Auszug kommen schnell eine Menge neuer Fragen und Probleme auf Dich zu: Wo kann ich wohnen? Wer bezahlt die Wohnung? Schaffst Du es Schule und "Haushalt" unter einen Hut zu bekommen? Kennst Du alle rechtlichen Verpflichtungen (du bist noch nicht volljährig!)? Die Damen und Herren beim Jungendamt können Dir gezielt und professionell helfen und Dir auf fast jede Frage eine Antwort geben. Am besten Du informierst Dich vorab schonmal im Internet, z. B. unter http://www.unterstuetzung-die-ankommt.de/ und http://www.familien-wegweiser.de/wegweiser/Familie-regional/Jugendamt/jugendamt.html.

Ich hoffe, ich konnte Dir ein paar gute Tipps geben. Ich wünsche Dir ganz viel Kraft in der nächsten Zeit und entscheide nichts voreiliges, das Du später bereust! Jede Entscheidung sollte gründlich durchdacht werden, aber es ist und bleibt Deine Entscheidung, die dir niemand abnehmen kann (und darf!).

Alles Gute und viele liebe Grüße

Marco