Anwort von Marco

Liebe Unbekannte,

vielen Dank, dass Du uns geschrieben hast. Du steckst gerade in einer Situation, die Dich überfordert und aus der Du am liebsten abhauen würdest. Es gibt anscheinend gerade viele Probleme in Deiner Familie, die alles andere als schön sind. Und Probleme sind dazu da, um gelöst zu werden!

Ich sage Dir gleich vorneweg: Sich umzubringen ist KEINE LÖSUNG DER PROBLEME! Es mag vielleicht erstmal irgendwie befreiend klingen, so als wenn alle Probleme auf einmal weg wären, aber erstens würdest Du eine riesige, nicht wieder zu schließende Lücke, in Deiner Familie und Deinem Umfeld hinterlassen und zweitens würdest Du so viel Schönes in Deinem Leben noch verpassen. Du bist erst 15 Jahre - der größte Teil Deines Lebens liegt noch vor Dir. Klar, es werden nicht nur schöne Zeiten auf Dich zu kommen, auch als Erwachsener muss man durch schwere, traurige und enttäuschende Zeiten. Aber ich kann Dir sagen, es lohnt sich: Das Leben ist so vielseitig und das macht es so richtig spannend!

Du schreibst, dass Du viel Druck in der Schule hast und es gerade mit den Noten nicht so gut läufst. Aber Du lernst für die Schule und hast das Ziel Dich zu verbessern. Und das doch sicher nicht umsonst oder? Was bringt es Dir in der Schule gut zu sein, wenn Du Dich umbringen willst? Nein, Du lernst für Dein späteres Leben, das Du noch vor Dir hast! Du willst doch bestimmt auch nicht immer in der Schule sitzen und lernen, oder? Nein, es wartet ein Beruf auf Dich, auf den Du Dich jetzt so gut es geht vorbereiten kannst.

Nun zu Deiner Familie. Ich finde Deinen Satz "Meine Familie ist einfach nur scheiße." schon etwas krass. Sie verhalten sich Dir gegenüber bestimmt nicht immer toll und vorbildlich, z. B. wenn sie Dich beleidigen, Lügen über Dich erzählen oder Dich mit unschönen Bezeichnungen beschimpfen.
Aber überlege einmal: Ist Deine Familie wirklich "scheiße"? Deine Mutter hat Dich unter großen Anstrengungen geboren. (Findest Du das "scheiße" von ihr?) Deine Eltern haben Dich erzogen und Dich in Deiner Kindheit unterstützt. (Findest Du das "scheiße"?) Deine Eltern kaufen Dir Nahrung und Kleidung, kümmern sich um Deine Gesundheit und geben Dir ein Dach über den Kopf. (Ist das "scheiße"?) Deine Famile hat mit Dir viel erlebt, gutes wie schlechtes, und Ihr habt bestimmt auch schon oft zusammen gelacht. (Ist das "scheiße"?) Ich gebe zu, man könnte jetzt sagen, das ist doch selbstverständlich, das machen alle Eltern. Aber ist es deshalb weniger wertvoll? Ist es nur, weil es alle so machen, nichts besonderes mehr? Mach Dir darüber doch mal Deine eigenen Gedanken!
Ich hoffe, Du siehst wie viel Deine Familie bereits für Dich getan hat, das eben nicht "scheiße" ist, sondern für das man ihr wirklich DANKE sagen kann. Machst Du das manchmal?

Trotzdem gebe ich zu, dass die Situation, die gerade in Deiner Familie herrscht, nicht gut ist und ich sehe, dass Du darunter leidest. Liebe Unbekannte, weiß Deine Familie, dass Du darunter leidest? Ist ihnen bewusst, wie sehr sie Dich mit dem was sie tun und sagen verletzen? Es ist nämlich bei vielen Menschen, ich eingeschlossen, so, dass ich gar nicht bemerke, dass ich den Anderen durch meine Taten verletzt habe! Deshalb rate ich Dir: Versammle doch Deine ganze Familie mal an einen Tisch (vielleicht nach dem gemeinsamen Abendessen?) und sprich darüber: Zusammen könnte Ihr bestimmt über einige Konfliktpunkte Lösungen finden. Zum Beispiel das mit dem Staubsaugen/Aufräumen und dem Lernen. Hier gilt es Kompromisse zu finden. Als 15-Jährige kannst Du durchaus Arbeiten im Haushalt mit übernehmen, allerdings sollten selbstverständlich die Schulnoten und Dein Wille zu lernen nicht darunter leiden.
Warum macht Ihr nicht einen Familienplan, in dem alle Arbeiten und wer sie ausführt festgehalten sind? Das geht ganz einfach: Ein paar Spalten, oben die Namen aller Familienmitglieder (Papa, Mama, Du, evtl. Geschwister oder andere) und dann eben die Arbeitseinteilung darunter. Achte darauf, dass Du nicht für zu viel eingeteilt wirst, aber zeige durchaus Bereitschaft kleinere bzw. kurzere Arbeiten ausführen zu wollen. Natürlich ist der Plan nicht verbindlich, wenn in einer Woche einmal viele Tests anstehen, kannst Du vielleicht mit einem Familienmitglied tauschen mit einer Woche mit weniger Schularbeit. Vielleicht findest Du oder ein Familienmitglied von Dir so einen Plan irgendwie blöd, aber ich finde es kann dann nicht ständig zu Konflikten kommen, da eindeutig geregelt ist, wer was macht und jeder sollte sich natürlich dann auch bestmöglichst daran halten. Frag doch mal Deine Familie, ob sie zu so etwas bereit wären. Am besten Du bereitest schon alles vor und nimmst es zum "Tischgespräch" mit.

Ein weiteres Problem scheint zu sein, dass sie Dich beleidigen und Lügen über Dich erzählen. Das macht mich selbst sehr traurig, da man gerade in einer Familie zusammenhalten sollte! Das tut Dir sicher sehr weh. Wem gefällt es schon als "Schlampe", "Faulesau" oder ähnliches beschimpft zu werden? Frage mal Deine Familie, ob sie das schön fänden. Frage sie, was sie damit erreichen wollen. Wollen sie Dich einfach nur schlecht machen? Wollen Sie anhand solcher Ausdrücke Dich verändern oder gar verbessern? Oder sind es ganz einfach "versehentlich herausgerutschte" Worte im Streit, die sie im Nachhinein bereut haben? Oder steckt noch was ganz anderes dahinter?
Liebe Unbekannte, ich will Dir damit zeigen, dass es wichtig ist hinter das Problem zu schauen und die Gründe und Ursachen zu entdecken, um sie bekämpfen zu können. Die reinen Auswirkungen (dazu gehören auch Deine Selbstmordgedanken) zu bekämpfen, bringt letztendlich nicht viel. (Dazu vielleicht ein bildliches Beispiel: Das Unkraut im Garten kommt immer wieder nach, wenn man nur die Auswüchse oberhalb der Erde entfernt. Kurzfristig scheint das Problem vielleicht gelöst zu sein, aber bald schon kommen aus der Wurzel unter der Ende neue Triebe hervor. Nein, um das Problem wirklich loszuwerden muss man die gesamte Pflanze mit Wurzel entfernen. Das ist zwar erstmal mit mehr Arbeit verbunden, aber dafür viel effektiver!) Und dieses Beispiel möchte ich auch Dir ans Herz legen. Pack das Problem an der Wurzel. Und dazu musst Du natürlich diese Wurzel erstmal finden. (Du selbst bist die Wurzel nicht!) Das geht am besten im Gespräch - mit Deiner Familie oder mit anderen Dir vertrauten Bezugspersonen oder z. B. auch mit dem Schulseelsorger. Aber durch "einfach-nur-weg-wollen-und-abhauen" passiert mit der Wurzel letztendlich gar nichts. Ich denke, Du verstehst was ich damit meine, oder?

Ich hoffe, ich konnte Dir durch meine Antwort weiterhelfen und Du kannst Deine jetzige Situation wieder etwas hoffnungsvoller sehen. Ich wünsche Dir viel Kraft in der nächsten Zeit, die wirst Du brauchen, denn Veränderungen bzw. Verbesserungen zu erkämpfen, macht Mühe und dauert manchmal lange. Aber geb die Hoffnung nicht auf!

Ich wünsche Dir alles Gute und ein glückliches Leben mit vielen Höhepunkten, aber auch einigen Tiefpunkten, die gehören dazu, um die Höhepunkte so richtig genießen zu können.

Viele liebe Grüße

Marco