Problem von Anonym - 23 Jahre

Schwester suizidgefährdet

Leider wurde meine 1. Kummersnfrage nicht beantwortet. Da das Thema aber nach wie vor aktuell ist und ich dringend Hilfe suche, poste ich es nochmal, in der Hoffnung, dass ihr Zeit findet, mir ein wenig weiter zu helfen. Ich danke euch!

Liebes Kummerkasten-Team,

vor etwa 7 Jahren habe ich einen Bruder verloren und eine Schwester gewonnen. Mein damals 18-jähriger Bruder hat nach einem langen und schweren Weg (nur meine Mutter war eingeweiht), den Schritt einer anpassenden Operation gewagt. Seit dem lebe ich mit einer Schwester. Damals ist für mich eine Welt zusammengebrochen und es war nur sehr schwierig für mich, mich damit zu arrangieren.
Meine Schwester geht es seitdem zunehmend schlechter, nicht weil sie den Schritt bereut, nein, weil sie mit lauter Rückschlägen konfrontiert wird, die sie sich so nicht vorgestellt hat.
Wenn man es nicht weiß, dann merkt man es wirklich nicht, am Anfang hat sie sich noch Mühe gegeben mit Kleidung und Schminke. Mittlerweile sieht sie sich nur noch als Neutrum, achtet gar nicht mehr auf ein weibliches Erscheinungsbild. Jeder Blick von Fremden, jeder Kommentar ("Lassen sie mich mal vorbei junger Herr) treffen sie so hart, dass sie sich immer mehr isoliert. Sie hat völlig resigniert, steckt in einem tiefen Sumpf und bemitleidet sich selbst. Jeglicher Versuch der Familie ist gescheitert, oder prallt ab. Sie ist extrem introvertiert und ich glaube, dass es ihr in ihrer Studentenbude oft ganz ganz miserabel geht. Die einzige Person, die sie zum Reden hat ist unsere Mama. Die ist langsam aber auch am Ende, weiß nicht mehr, was sie noch sagen, tun und unternehmen soll. Meine Mutter ist auch nicht mehr die Jüngste, es belastet sie sehr. Ich weiß, dass meine Schwester davon überzeugt ist, dass ihr Leben nicht lebenswert ist, sie sieht überhaupt keinen Sinn darin (für wen soll sie später denn arbeiten, für wen soll sie leben, wenn meine Mutter nicht mehr da ist).
Ich habe wahnsinnig große Angst, dass meine Schwester eines Tages Suizid begeht, das macht mir manchmal so große und tief sitzende Angst, dass ich unheimlich verzweifelt bin.
Ich weiß, der erste Schritt wäre sicherlich eine psychotherapeutische Begleitung (bzw. psychiatrisch), aber darauf lässt sie sich überhaupt nicht ein, sie hat damit quasi abgeschlossen und sieht absolut keine Chance darin, die Situation zu verbessern und ihr Leben lebenswerter zu machen. Das bricht mir das Herz und macht mich unheimlich ratlos.
Ich hoffe, ihr könnt mir ein wenig weiterhelfen.

Vielen Dank im Voraus für Eure Mühen!

liebe Grüße

Bernd Anwort von Bernd

Hallo,

Zuerst einmal möchte ich Dir sagen, wie schön ich das finde, dass Du Deine Schwester angenommen hast!
Es gibt Situationen im Leben, die weder Du noch ich wirklich verstehen können.
Warum sie sich in ihrem Körper vorher unwohl gefühlt hat?!
In ihrer Rolle unwohl gefühlt hat?
Allein die Frage kannst du vielleicht mit Deinen Eltern klären: ob es dort einen Grund gab, dass sich Dein Bruder für Deine Eltern eher als Mädel gewünscht gesehen hat?
Aber damit will ich die Spekulationen auch gleich abschließen!

Es ist Deine Liebe zu Deiner Schwester, die Dir die unbedingte Akzeptanz ihrer Entscheidung abverlangen!
Und ich sage es Dir ehrlich: ich finde es unsagbar schwer, Dir eine hilfreiche Antwort zu geben.
Das ist wohl einer der Gründe, warum Du bisher keine Antwort bekommen hattest?

Gerade noch hatte ich das Wort benutzt: "Akzeptanz" !?

Und schon mag ich mich in den eigenen Arsch treten: ich selbst will doch nicht nur "akzeptiert" werden? Sondern auch geliebt!

Meine Kinder in dem Alter haben sich nach Anerkennung gesehnt. Wollten gemocht sein. So wie sie sind. Verstanden und Geliebt!

Wie wird es Deiner Schwester ergangen sein? Zu der Zeit, wo sie sich zuerst einmal unbedingt für sich selbst entscheiden musste?
Sie wusste, dass sie sich erst einmal gegen alles andere wird entscheiden müssen, was gleichaltrige als ihr "Glück" definieren. Und dennoch glaube ich, dass sie davon geträumt hat, dass sich alles miteinander vereinen lässt.
Da ist Deine Schwester eigentlich kein Sonderfall!
Jeder junge Mensch rebelliert in der Pubertät gegen alles, was ihm in seinem Weg entgegen steht, sich selbst zu finden und zu verwirklichen. Genau das ist die Aufgabe unserer Kinder!
Für manche ist der Weg so schwer und "anders", wie für Deine Schwester.
Neben allen anderen Problemen auch noch das eigene Geschlecht entdecken, annehmen und respektieren zu müssen.
Wer von uns kann sich das wirklich vorstellen?

Mich macht es traurig, zu lesen:
"am Anfang hat sie sich noch Mühe gegeben mit Kleidung und Schminke. Mittlerweile sieht sie sich nur noch als Neutrum, achtet gar nicht mehr auf ein weibliches Erscheinungsbild."
Klingt für Dich nun vielleicht erst einmal ein wenig komisch?
Es macht mich traurig für euch beide!
Machen wirklich Schminke und Kleidung aus einem Neutrum ein anderes anerkanntes Geschlecht?
hat Deine Schwester sich aus der einen "Maske" befreit, um gleich eine andere typengerecht anzulegen?
Gibt es vielleicht zwischen maskulin und feminin auch noch etwas eigenständiges?
Nicht "Neutrum"! Vielleicht: "einfach nur Mensch"?

War "Akzeptanz" Deiner Schwester zuerst einmal das Wichtigste?
Erfährt sie nun, dass in diesem Wort nichts von dem enthalten ist, was ich über meine Kinder geschrieben hatte:
"Meine Kinder in dem Alter haben sich nach Anerkennung gesehnt. Wollten gemocht sein. So wie sie sind. Geliebt!"

Liebe Unbekannte,

Du schreibst, dass Deine Schwester introvertiert ist.

Ich sehe es ein wenig als ihre Art, auch euch schützen zu wollen. Vor den Problemen, die ihre Entscheidung euch als Angehörige abverlangt.
Ausdruck ihrer Fragen: "Wer kann mich wirklich verstehen? Wer kann mich wirklich lieben?"

Wenn Du befürchtest, dass sie sich das Leben nehmen könnte:

Verdammt noch einmal :'( Ich denke, es geht mir wie Dir

Du weißt nur das von ihr, was sie Dir von ihrem Leben und von ihrem Leiden mitgeteilt hat!

Wir haben beide keine Chance ihr zu helfen, wenn sie uns nicht an ihren Sorgen konkret und zeitnah wirklich teilhaben lässt.

DU hast hier um Hilfe gebeten.

Dir kann ich leider nicht mehr als Antwort bieten, als dass keiner von uns Deiner Schwester wirklich helfen kann, solange sie sich nicht öffnet.
Ich weiß nicht, wo Du anfangen solltest.
Mit Deinen Fragen, die Du ihr stellen solltest?
Ich weiß nicht einmal, worauf sie ihre Entscheidung begründet, Mädel sein zu wollen.

Ich sehe, dass Du Deine Schwester liebst! Und dafür liebe ich Dich!
Als Idee habe ich leider nur Fragen, mit denen Du ihr auf die Nerven gehen kannst.

Du brauchst Geduld!
Die Fähigkeit, wegzustecken, wenn Dir Deine Schwester vorwirft, ihr auf die Nerven zu gehen!

Und Du wirst - so oder so - niemals für die Entscheidungen Deiner Schwester verantwortlich sein!

Du darfst hoffen und bangen!

Das, wozu Du in der Lage bist, versuchen!

Aber über ihr Leben hat und wird Deine Schwester immer nur in eigener Verantwortung entscheiden!

Alles Liebe,

Bernd