Problem von Raven - 16 Jahre

Möchte trotz Problemen nicht wieder in Psychatrie

Liebes Kummerkasten-Team.

Durch einen Vorfall in meiner Vergangenheit war ich über mehrer Jahre (auch mit Pause zwischendrin) in einer ambulanten Psychatrie, fühlte mich aber, als würde meine Psychaterin mir nie richtig zuhören. Als es mir wieder sehr schlecht ging, habe ich mich in eine Klink einweisen lassen. Die neue Umgebung tat mir gut, aber ich wurde früh wieder entlassen, mit der Empfehlung, in eine ambulanten Psychatrie zu gehen. Eigentlich wollte ich, was eher ausergewöhnlich ist, noch bleiben und erklärte auch, dass ich noch mehrer Probleme hatte, die ich mich noch getraut hatte, auszusprechen, jedoch wurde mein Wunsch zu bleiben, abgelehnt. Im allgemeinen fühlte ich mich dort von manchen Erwachsenen ignoriert, da ich bei wichtigen Dingen wie Gesungheitschecks und Termin machen für Familiengespräche vergessen wurde. Auch habe ich kein Nachgespräch bekommen (ich informierte mich bei anderen, welche Zeitgleich entlassen wurden, sie wurden alle zu einem Nachgespräch gebeten)

Es sind seit meiner Entlassung jetzt drei Monate vergangen und ich merke, dass es mir wieder schlechter geht. Dass ich nie eine Diagnose, was ich für eine Krankheit habe, bekam, macht es nicht besser.
Einen ambulanten Psychatrie besuche ich nicht, da ich nach den ganzen Jahren dem eher skeptisch gegenüber stehe und dem nicht mehr traue, eher als nutzlos ansehe.
Am liebsten würde ich zurück in die Klinik, doch auch das kommt nicht in die Frage, da mir Schule sehr wichtig ist und ich befürchte, dass ich in der Schule für Kranke in der Klinik die Prüfungen versemmel und mein Abitur nicht im nächsten Jahr anfangen kann. Außerdem sind meine Eltern auch dagegen und denken, dass stationäre Behandlung in der Klinik sinnlos wäre.

Ich weiß nicht, was ich tun soll. Mir geht es wieder von Tag zu Tag schlechter, Nachts fällt es mir schwer zu schlafen, was mir Tagsüber zu schaffen macht. Auch habe ich durchgehend negative Gedanken, welche Teils auch von Selbstmord handeln, wovon ich aber schaffe, mich abzuhalten. Auch meine Motivation ist dahin und ich merke, wie ich mich zurück ziehe. Meine Eltern machen mir auch immer mehr Druck.

Es ist egoistisch, aber eigentlich will ich nur wieder glücklich werden, aber ich weiß nicht wie.
Habt ihr vielleicht eine Idee?

Nuala Anwort von Nuala

Liebe Raven!

Ich finde es sehr verständlich, dass du deinen schlechten seelischen Zustand nicht hinnehmen und etwas unternehmen möchtest. Es ist schon erfreulich, dass du es bisher geschafft hast, deinen Selbstmordgedanken nicht mehr Raum zu geben. Weiter so!
Zur Macht deiner Gedanken und deines Handelns schreibe ich weiter unten noch etwas.

Dass du bisher keine Diagnose erhalten hast, kann einfach daran liegen, dass du keine psychische Erkrankung hast, die eindeutig zu klassifizieren ist. Doch eigentlich brauchst du auch keinen "Stempel", denn Fakt ist, dass es dir schlecht geht. Darum muss es sich also ganz allgemein drehen. Falls du z.B. etwas Traumatisches erlebt haben solltest, kann dies auch ambulant per Psychotherapie angegangen werden, dafür gibt es spezialisierte Personen, die ihre Schwerpunkte auf Posttraumatische Belastungsstörungen etc. gelegt haben. In deinem Fall wäre jemand im Bereich Kinder - und Jugendpsychotherapie interessant. Vielleicht ist das interessant für dich: https://mein-kummerkasten.de/Soforthilfe/31/Professionelle-Hilfe-Wie-finde-ich-einen-Psychotherapeuten.html

Psychiatrien sind nicht über einen Kamm zu scheren, es kommt sehr auf die jeweiligen Umstände an. Selbst wenn eine Klinik bestens ausgestattet ist, tolles kompetentes Personal hat und idyllisch im Grünen gelegen ist, kann sie für einen einzelnen Menschen nicht passend sein (aus ganz unterschiedlichen Gründen). Sie können auch - entgegen erster Vorurteile bzw. Widerstände - das Beste für jemanden sein, was ihr oder ihm passieren konnte.
Genauso kann man schlecht sagen, stationäre Aufenthalte seien grundsätzlich sinnlos. Für viele Betroffene ist es eine sehr wichtige Zeit, in der sie ihre Krise oder ihre akute Lebensgefährdung bewältigen können. Wer natürlich eher eine Psychotherapie, eine psychologische Beratung oder einfach ein paar gute Gespräche und menschliche Wärme in seiner Umgebung bräuchte, ist mit einem stationären Aufenthalt nicht zufrieden. Das liegt in der Natur der Sache.
Es ist also nicht zielführend, pauschal etwas gegen Psychiatrie zu sagen. Das hilft dir nicht weiter. Vielleicht hattest du in der Vergangenheit wirklich Pech - doch das ist wie so vieles im Leben, eine schlechte Erfahrung (oder auch mehrere) bedeuten nicht, dass es grundsätzlich Mist ist!
Also: Wenn du eigentlich schon gerne wieder in eine Klinik möchtest, wäre eher die Aufgabe, die passende zu finden.

Zum Thema Schule: Gesundheit geht vor. Was nützt es dir, in der Schule zu sein, wenn deine Konzentration leidet und du merkst, dass du nicht die Leistung erbringen kannst, die du dir wünschst. Das ist dann nur zusätzlich frustrierend!

Davon abgesehen stellt sich mir jedoch die Frage, was genau du dir von einer Klinik versprichst. In vielen Fällen ist eine ambulante Psychotherapie sinnvoll, weil du deinen Alltag noch hast und auch in die Schule gehen kannst. Zudem sind hier Gespräche bzw. du als Hauptperson das zentrale, was in der Psychiatrie nicht so im Fokus steht. Dort ist es häufig z.B. gar nicht möglich bzw. vorgesehen, (viele) Einzelgespräche zu erhalten. Es gibt dafür viele Gruppenangebote, was natürlich auch Vorteile bringen kann.
Abgrenzen muss man das von Terminen bei Psychiater:innen. Das ist nicht das Gleiche wie Psychotherapie! Du brauchst ja nicht unbedingt Medikamente, denn es gibt sehr viele Wege, sich zu helfen.
Und hier komme ich zum einem wesentlichen Punkt: DU HAST MACHT!
--> Zum Thema glücklich sein Wollen: Ja, na klar! Das ist doch ein wundervolles Lebensziel :) Und gar nicht egoistisch. Wenn du dir nicht wünschen darfst, dass du glücklich bist, was denn dann?! Du bist es doch wert, jeden Tag das Beste für dich zu erhalten. Das finde ich absolut erstrebenswert und wichtig.
Egoismus ist etwas komplett Anderes: Wenn jemand seine Mitwelt komplett ausklammert und nur noch die eigenen Bedürfnisse durchsetzt, ohne Kompromisse, ohne Geben. Also nur Nehmen. Wenn du aber dich als Mensch selbst verwirklichst, Ziele verfolgst und es dir gut gehen lässt, kann das immer so erfolgen, dass niemand einen Nachteil haben muss. Denn dafür gibt es ja Werte wie Rücksichtnahme, Empathie und Bescheidenheit (wobei das mit Vorsicht zu genießen ist - Bescheidenheit sollte nicht so aussehen, dass du dir selbst wichtige Sachen vorenthältst. Bescheidenheit kann aber bedeuten, nur so viel zu konsumieren, wie du wirklich benötigst und dich z.B. nicht mit unrealistischen, stopfenden, "betäubenden" Dingen belastest...). Du kannst täglich neu entscheiden, was du willst, was dir gefällt, was du haben möchtest. Was zu dir passt. Und das meine ich nicht materiell (das eher am Rande), sondern bezüglich deiner Persönlichkeit. Was interessiert mich, was will ich heute herausfinden? Mit wem möchte ich heute meine Zeit verbringen? Was will ich heute vermeiden? Wo würde ich mich heute Abend wohlfühlen? usw.
--> Eine Idee habe ich noch: Wenn du gerne mit Büchern arbeitest, kannst du das Buch "Gedanken verändern Gefühle - Fertigkeiten, um Stimmungen, Verhalten und Beziehungen grundlegend zu verbessern" von D. Greenberger und C.A. Padesky ausprobieren. Das sind nicht nur Erklärungen drin, sondern auch Übungen und Denkanstöße.

Mein Vorschlag: Lass dich von deinem Hausarzt/deiner Hausärztin beraten, was bei deiner Situation passender wäre, Klinik, Psychotherapie oder ambulante klinische Anbindung - sofern sie/er das einschätzen kann. Natürlich kannst du mit deinen Eltern auch Kliniken in eurer Umgebung aufsuchen und anfragen, was dort dazu gesagt wird. Beratungsstellen für psychisch Erkrankte sind ebenfalls gute Anlaufstellen.
Ansonsten ist dein Bauchgefühl das A und O, du bist schließlich die beste Expertin für dich selbst!

Sollten deine Eltern weiterhin stark beeinflussen, sollten sie sich selbst beraten lassen bzw. sich informieren. Es ist definitiv nicht schlau, wenn sie dir generell von einem Klinikbesuch abraten, wenn das unter den passenden Gegebenheiten eine feine Lösung für dich wäre!
Hier solltest du dich angrenzen und nicht einfach das übernehmen, was sie behaupten. Mit Druck werden sie nur mehr Stress bei dir erzeugen - sag ihnen das ruhig so, dass es sehr schön für dich wäre, wenn du Zeit zum In-dich-Hineinhorchen bekämst, anstatt dauernd ihre einprasselnden Kommentare oder Erwartungen.
Vielleicht lassen sie sich ja auf einen Kompromiss ein, dass du/ihr euch beraten lasst und du aber viel von zuhause probierst. Also beispielsweise in der Kombi Psychotherapie mit Übungen im Alltag. Oder keine Psychotherapie, dafür alle paar Wochen ein Besuch einer ambulanten Gruppe einer Psychiatrie, gepaart mit einer Selbsthilfegruppe. Nur als mögliche Vorgehensweisen! Das hängt eben sehr davon ab, was bei dir konkret vorgefallen ist und was du dir besonders wünschst. Das ist also tonangebend.

Alles Gute wünsche ich dir.
Nuala