Problem von Undercover - 21 Jahre

Vergewaltigungsfantasie

Hallo liebe Leute,

Ich hab ein Problem oder eher bin ich verwirrt und weis nicht mehr weiter.
Es ist so das ich im Kindergarten alter und im jungem Teenager alter bereits mehrmalige sexuelle Übergriffe (Vergewaltigung) und körperlicher Missbrauch (Schläge und Prügel) erfahren habe. Nun ist es so das ich in meinem sexual leben verschiedene Fetische durchlebe. (Sprich BDSM, torture, Würgen, Haare ziehen und Fesselspiele für mich entdeckt habe)

Jetzt habe ich meinem Freund gebeichtet das ich ihm einen Fetisch nicht offenbart habe und zwar den das ich gerne nochmals vergewaltigt werden möchte (sei es nun gestellt, was ich versucht hatte aber gescheitert war aus der Seite des „Vergewaltigers“ oder eine richtige Vergewaltigung) und ich auch Pornos dieser Kategorie schaue und mein Körper mir eindeutig zeigt das es ihm gefällt. Aber dennoch finde ich es beängstigend das gerade ich obwohl ich das bereits durchgemacht hatte und danach eine Angst gegenüber Männer entwickelt hatte nun diese eindeutigen Fantasien habe. Nachdem mein Freund darauf bestand ein „Video“ zu sehen hatte er mich gefragt ob ich den kein Mitleid mit den Opfern habe und um ehrlich zu sein, Nein. Ich beneide sie. Meine Frage jetzt soll ich mich in ärztlicher Behandlung geben haben das noch andere ?

Nuala Anwort von Nuala

Liebe Undercover,

bitte wundere dich nicht, ich habe die Problemkategorie geändert, damit deine Zuschrift besser einordbar ist.

Ich rate dir offengestanden zu einer raschen therapeutischen Aufarbeitung deiner Gewalterlebnisse. Mir scheint, als sei da noch sehr viel in dir, was gesehen werden möchte. Ich dachte beim Lesen deiner Beschreibung an die sogenannte Reinszenierung im Zusammenhang mit Traumata. Der Psychotherapeut Stephan Niederwieser schreibt auf seiner Internetseite dazu:
"Reinszenierung“, in der Psychoanalyse „Wiederholungszwang“ genannt, besagt, dass wir stets Rahmenbedingungen schaffen, die uns an die Ursprungssituation erinnern. So sucht man sich z.B. Lebensgefährten, die dazu geeignet sind, die schrecklichen Gefühle der eigenen Kindheit wieder aufleben zu lassen. Z.B. könnte man sich an einen Lebensgefährten binden, der emotional ähnlich nicht verfügbar oder gewalttätig sind, wie es die Eltern in der Kindheit gewesen sind.
Die Ursachen für die Reinszenierung sind noch nicht erforscht. Man geht davon aus, dass die Reinszenierung einen steten Versuch der Traumabewältigung darstellt, immer in der Hoffnung, diesmal stärker, größer, intelligenter zu sein und damit einen anderen Ausgang herbeiführen zu können als damals."

Konkret zur Verknüpfung von Vergewaltigungsfantasien und früheren Gewalterfahrungen kann ich dir sagen, dass das durchaus häufig vorkommt - jedenfalls bist du damit keinesfalls allein auf weiter Flur. Ich empfehle dir, die folgende Ausführung auf einer BDSM-Seite durchzulesen:
https://gentledom.de/infos/bdsm-und-gesundheit/gesundheitsfragen/trauma-und-bdsm/

Dass du mit den Opfern nicht mitfühlen kannst, ist meiner Ansicht nach ein Alarmzeichen. "Gesund" wäre, dass du Ekel und Abscheu empfindest und spürst, dass den Menschen großes Leid zugefügt wird - so wie dein Freund offenbar. Verminderte Empathie kann ein Anzeichen der großen Traumatisierung sein. Allein deshalb wäre eine psychotherapeutische Begleitung sehr sinnvoll.

Davon abgesehen erzeugen alle schädlichen Inhalte, die konsumiert werden, weitere negative Ergebnisse. Wer sich dauernd bewusst Gewalt vorstellt und sich daran erregt, hält sich sozusagen in "giftigen Blasen" gefangen. Halte dir immer vor Augen: Solange eine Partei gegen ihren Willen zu etwas genötigt wird, ist es allein schon moralisch sehr verwerflich, sich damit zu erregen. Sicherlich willst du dich nicht als indirekte Mittäterin fühlen müssen - Gewalt an Mädchen und Frauen ist ein grassierendes Problem, bei dem es sich unendlich lohnt, jegliche Förderung bzw. finanzielle Unterstützung komplett abzulehnen! Es werden sonst destruktive Denk - und Gefühlssstrukturen verfestigt, anstatt liebevolle und konsensbasierte Sexualität in sich zuzulassen. Dein Freund kann dir bestimmt helfen, auch andere Arten von Sexualität zu genießen. Versuche dich allmählich von dem Gedanken zu lösen, dass du Gewalt an Wehrlosen zur Erregung unbedingt "brauchst". Sieh es als die Folge deiner eigenen schlimmen Vergangenheit, die sich über verschlungene Wege ihre Aufmerksamkeit bahnt.

Zu Trauma ab dem Kindesalter empfehle ich dir diese Lektüren:
* https://www.sexualtherapie.online/blog/sexueller-missbrauch-und-trauma/
* https://www.michaela-huber.com/files/vortraege2015/trauma-im-kindesalter-und-die-folgen.pdf

Hier noch unsere Soforthilfe zum Thema Psychotherapie: https://mein-kummerkasten.de/Soforthilfe/31/Professionelle-Hilfe-Wie-finde-ich-einen-Psychotherapeuten.html
Übrigens kannst du dich auch an eine:n Heilpraktiker:in für Psychotherapie wenden, dort bekommst du ggf. schneller einen freien Therapieplatz.

Ich wünsche dir alles Gute!
Nuala