Problem von Ela - 34 Jahre

Bin ich das Problem?

Hallo liebes Kummerkastenteam,

ich bin 2fache Mama von 2 wundervollen Kindern, seit nun fast 12 Jahren mit meinem Mann verheiratet, den ich wirklich über alles liebe.
Jedoch hat mein Mann bereits seit einigen Jahren mit Depressionen sowie vielen Selbstzweifel zu kämpfen.
Unser Sohn ist in den Startlöchern zu Pubertät und ist daher auch nicht gerade immer einfach zu handeln und dann hab ich da noch ein 2 jähriges, süßes Mädchen, welches auch Aufmerksamkeit benötigt.
Von Haushalt und Arbeit brauch ich gar nicht reden.
Ich bin der Kummerkasten für meine Schwester und für meinen Papa und meine Mama ist auch nicht wirklich einfach zu handeln.

In vielen Situationen, ehrlich gesagt eigentlich in allen Situationen fühle ich mich allein gelassen.
Der Haushalt, liegt komplett bei mir, die Kindererziehung, liegt komplett bei mir.
Schlechte Laune, darf ich nicht haben, dann bin ich zickig. Und in der Arbeit wird natürlich auch erwartet das ich voll und ganz funktioniere.

Wenn ich mich "beschwere" oder einfach nur sage was mich belastet, werde ich nicht verstanden - im Gegenteil, es wird alles abgetan.

Ich bin ein sehr ruhiger und ausgeglichener Mensch, sobald mir mal der Kragen platzt, sind alle erschüttert über mein Verhalten.
Ich darf nicht ausflippen oder einfach nur energisch werden. Das wird überall falsch verstanden. Ich hab das Gefühl das ich in manchen Situationen einfach nicht ich sein DARF! Nur weil ich sonst ein ausgeglichener, ruhiger Mensch bin, der einfach alles wuppt?

Vor 3 Wochen hatte ich einen Hörsturz - ausgelöst durch Stress.

Weder mein Sohn, noch mein Mann kamen damit klar.
Im Gegenteil - es musste eigentlich alles so laufen wie sonst auch. Nur dieses mal konnte ich nicht - musste aber trotzdem.
Mein Mann ließ sich darauf hin, Aussage von ihm: "für mich krankschreiben" jedoch erhielt ich von ihm nahezu keine Unterstützung.
Ich machte weiterhin den Haushalt, machte unseren Sohn für die Schule fertig, während mein Mann noch eine Stunde liegen blieb. Er fuhr unseren Sohn in die Schule - das wars.
In der Zwischenzeit richtete ich unser Frühstück, erledigte Dinge in Haushalt, bis ich nach dem Frühstück wieder den Tisch abräumen und er sich aufs Sofa hinsetzte um am Handy zu spielen.

In dieser Zeit viel mir wirklich vieles schwer. Das Gefühl nicht mehr so zu funktionieren war schrecklich für mich.
Er erzählte seiner Mutter das er sich für mich krankschreiben ließ um mich zu entlasten, das machte und macht mich immer noch so wütend. Ich werde gern von ihm als das Wesen hingestellt, welches Hilfe und Entlastung braucht.
Dazu muss ich sagen, mein Mann hat kein gutes Verhältnis zu seiner Mutter, trotzdem steht er sehr gerne gut vor ihr da und nimmt da keine Rücksicht auf meine Gefühle.
Wenn es so wäre das er mich ständig unterstützen müsste - ok - aber er ist der jenige der ständig emotionale Unterstützung von mir braucht. Der hier nichts tut außer auf dem Sofa zu liegen und gelegentlich mit den Kindern spielt - mehr als Freund als als Papa.
Das macht mir die Erziehung auch oft nicht leicht, er fällt mir oftmals in den Rücken nur weil er seine Ruhe haben will.

Bin ich das Problem? Bin ich empfindlich wenn mich das alles belastet?
Ich liebe meine Familie, ich liebe meine Arbeit.....!
Der Hörsturz war ein Warnsignal von meinem Körper.
Das wird hier allerdings nicht so wahrgenommen. Denn eigentlich war ja alles normal.
Ich fühle mich so hilflos - ausweglos hier gefangen. Voller Zweifel an meinen Gefühlen, an meinem Handeln.
Habt ihr Tipps? Ratschläge? Bin ich vielleicht wirklich mit allem überfordert?

Lan Anwort von Lan

Liebe Ela,

ich danke für dir für deine Nachricht und dein Vertrauen.

Ich lese stark heraus, dass du mit allem überfordert bist. Mit deiner körperlichen Verfassung, der Familie, dem Haushalt, der Arbeit, den Erwartung, Kummerkasten für deine Familie zu sein. Du nimmst alles auf dich. Doch jetzt bist du diejenige, die mal Hilfe braucht und es scheint keiner da zu sein. Das geht nicht. Du versuchst, es allen Recht zu machen, aber bei dem Versuch scheitert jeder. Damit macht man sich nur selbst kaputt, weil man eigene Bedürfnisse ignoriert und immer wieder an seine Grenzen geht. Du darfst nicht du sein, schreibst du selbst. Kein Wunder, dass man darunter zerbricht.

Du hast einen Hörsturz erlitten, ausgelöst durch Stress. Es könnte auch sein, dass deine Psyche da nicht mehr mit macht. Und wenn die nicht gehört wird, spricht sie durch den Körper wodurch auch körperliche Beschwerden und Krankheiten auftreten können.

Es ist verständlich, dass dich dieser Hörsturz sehr belastet hat. Du wurdest dadurch eingeschränkt, konntest nicht das machen wie sonst auch. Und vor allem konntest du nicht funktionieren wie sonst. Doch es wird immer mal wieder passieren, dass man eben nicht so funktionieren kann, wie man will. Das ist vollkommen normal, das ist absolut menschlich. Ob durch Unfälle, Krankheiten, andere Belastungen oder durch äußere Umstände und das Altern: Menschen werden mal schwach und es ist auch überhaupt nichts schlimmes dabei, auch mal Schwäche zu zeigen und zuzulassen.

Ich lese heraus, dass du eine ziemliche Power-Frau bist, du stemmst den Haushalt, arbeitest und kümmerst dich um deine Familie und deren Sorgen und Bedürfnisse. Du hast meinen vollsten Respekt und meine Bewunderung. Doch es gibt einen Haken: Dein eigenes Wohlbefinden, deine eigenen Bedürfnisse, Wünsche bleiben auf der Strecke. Und vor allem auch dein eigenes Ich. Du schreibst, dass du in einigen Situationen dich so sehr anpasst, dass du nicht du selbst sein kannst. Das muss hart sein und auf Dauer machst das auch nicht glücklich. Du opferst dich wahrscheinlich sehr für deine einzelnen Familienmitglieder auf, was einerseits lobenswert, aber auch gefährlich ist, wenn du dich selbst dabei vergisst und verlierst.

Es kostet viel Überwindung und Kraft, aber vor allem Mut zu sagen: Ich schaffe das alleine nicht mehr. Ich brauche Hilfe. Das ist aber kein Zeichen von Schwäche, nein, das ist ein Zeichen wahrer Stärke, zu seiner eigenen Schwäche zu stehen. Und das ist total okay. Du bist auch nur ein Mensch. Du hast dich lang genug verbogen. Doch kommt auch etwas zurück? Wann hast du das letzte Mal Unterstützung bekommen? So traurig es ist, so wahr ist es leider auch: Wenn du dich nicht um dich kümmerst, wer sollte das sonst tun?
Du darfst dir Hilfe suchen, du darfst sie einfordern und du hast jedes Recht, sie auch zu bekommen.

Dieser Hörsturz war ein Zeichen, ein Zeichen deines Körpers und deiner Psyche: Hör auf damit, dir geht es nicht gut, tue etwas dagegen, tue etwas für dich. So kann es nicht weitergehen. Wenn du diese Signale deines Körpers weiter ignorierst, wird es nur schlimmer. Das willst du dir nicht vorstellen und so weit muss es auch nicht kommen.

Darum finde ich es super, dass du jetzt Stopp sagst und dir Hilfe suchst, uns geschrieben hast. Das war ein wichtiger Schritt.


Überfordert mit allem

Ich denke persönlich, dass du auf jeden Fall überforderst bist mit allem. Aber wichtig ist, wie du fühlst und was du denkst. Also stell dir die Frage mal selbst: Wie fühlst du dich mit allem? Bist du mit allem überfordert? Was belastet dich? Sei bitte ehrlich zu dir.

Ich sage ganz klar: Du bist auf keinen Fall das Problem. Ich sehe eher das Problem in der fehlenden ABGRENZUNG. Ich lese stark heraus, dass du es allen recht machen willst, du will die Erwartungen, die deine Familie an dich richtet, erfüllen. Du sehnst dich sehr nach Harmonie, willst dich anpassen, damit diese nicht gestört wird. Das wird dir einfach zu viel, kein Wunder, wenn du darunter deine Psyche und Gesundheit leidet. Du bringst es auf den Punkt der Hörsturz war ein Warnsignal deines Körpers. Wenn du das jetzt nicht beachtet und dein Verhalten umstellst, könnte alles schlimmer werden. Das muss nicht passieren.

Doch ich sehe auch, dass du deinen Beitrag zu dem Problem leistet. Indem du bisher das alles so hingenommen und selbst nicht geändert hast. Ich weiß, du hast nur gute Absichten verfolgt. Aber mit deinem Verhalten hast du wahrscheinlich auch deiner Familie den Eindruck vermittelt, dass du das schon schaffst, es dir nichts ausmacht. Aber vielleicht wusste bisher auch keiner so wirklich, wie es dir damit geht. Weil du eben keine Schwäche gezeigt hast?


Du bist wichtig

Liegt es womöglich auch an dem Gedanken, dass du selbst denkst, du wärst nicht wertvoll genug, dass du dich um dich kümmerst? Das ist nur ein Gedanke von mir. Stellst du deswegen deine Bedürfnisse hinter die der anderen? Hälst du die anderen für wichtiger als dich selbst? Sei bitte ehrlich zu dir.

Falls es so sein sollte, muss eine Änderung der Denkweise her: Du bist genauso wertvoll wie jeder andere Mensch auch. Und du musst dafür auch nichts tun, du musst die Erwartungen der anderen nicht erfüllen. Du darfst, aber du musst nicht. Du bist nicht für die anderen verantwortlich. Vor allem die erwachsenen Menschen können sich um sich selbst kümmern. Gib ein Stück Kontrolle ab, vertraue darauf, dass es auch ohne dich gehen kann. Du musst nicht alles auf dich nehmen. Und du musst nicht immer funktionieren. Selbst wenn du nicht immer nur tust und machst und die Erwartungen nicht erfüllst - du bist trotzdem ein wertvoller Mensch, so wie du bist.

Es wird Zeit, dass du den Fokus nicht mehr nur nach außen auf deine Familie lenkst, sondern auf dich. Du bist diejenige, die jetzt Aufmerksamkeit und Hilfe braucht. Wer immer nur so viel für andere macht, macht sich selbst damit unglücklich und kaputt. Es ist nicht egoistisch, sondern gesund, wenn man seine eigenen Bedürfnisse wahrnimmt, dafür einsteht, sich Hilfe sucht, Grenzen setzt und auch mal zu anderen "Nein" sagt. Es ist gesunde Selbstliebe, wenn du dich um dich sorgst. Denn wenn es dir nicht gut geht, ist niemandem geholfen. Man kann auch nur für andere da sein, wenn es einem gut geht. Und offensichtlich geht es dir nicht gut.

Veränderung fängt immer bei einem selbst an. Man selbst kann andere nicht ändern. Aber indem man sich selbst ändern, zeigt man anderen, wie wichtig einem das ist. Und sie werden sich vielleicht auch an dir orientieren, ihr Verhalten hinterfragen und auch ändern. Ein Versuch wäre es wert, oder?


Alle Gefühle dürfen sein

Hör auf deine innere Stimme und lass auch mal deinen Gefühlen - Frust, Ärger, Traurigkeit etc. - freien Lauf. Du darfst diese Gefühle, die wichtig sind und dir was sagen wollen, rauslassen. Sie wollen gefühlt werden und nicht unterdrückt. Ganz wichtig: Du DARFST auch mal energisch werden und auch mal ausflippen. Das ganze Unterdrücken der negativen Gefühle hat sich womöglich in körperliche Beschwerden bei dir ausgedrückt. Gefühle wollen raus und wenn du ihnen nicht die Chance gibst, finden sie trotzdem ihren Weg, äußern sich dann eben anders und nicht gerade gesund.

Das soll jetzt nicht heißen, dass du immer austicken sollst. Es geht um einen gesunden Umgang mit deinen Gefühl. Gefühle dürfen sein, aber nicht jedes Verhalten. Bedeutet, du solltest jetzt nicht losschreien, körperliche Gewalt anwenden, Türen zuschlagen, etwas zerstören oder so etwas. Wobei es durchaus eben mal vorkommen kann, dass man mal lauter wird und Schreien ist auch mal okay, weil das befreiend sein kann. Alles ist erlaubt, solange es niemandem schadet.

Ich lese heraus, dass du dir selbst eher solche Wutausbrüche oder emotionale Ausbrüche verbietest, weil das deine Familie nicht sehen will. Aber das gehört nun mal zu dir. Und wie traurig ist es denn, wenn man in der Familie nicht authentisch sein kann? Gerade da sollte das doch sein.

Du darfst auch mal schlechte Laune haben, du darfst auch mal zickig sein. Du darfst auch mal schwach werden und auch mal nicht funktionieren.

Ich merke, dass der Glaubenssatz: "Ich muss alles schaffen, ich muss stark sein" sehr bei dir vorhanden ist. Vielleicht liegt der Ursprung in deiner eigenen Vergangenheit? Hat es vielleicht etwas mit deiner eigenen Kindheit und Erziehung zu tun? Du darfst gerne darüber nachdenken.

Sage dir immer wieder: Du darfst du selbst sein. Du musst nicht für andere verbiegen, du bist gut so wie du bist. Du darfst auch mal lauter sein. Das gehört zu dir, aber du bist natürlich mehr als nur das.


Familienkonferenz

Sprich mit deinem Mann darüber und auch am besten noch mit deinem Sohn und später auch mit deinen Eltern und deiner Schwester. Mit allen, für die du eben auch da bist. Um die du dich kümmerst.

Wie wäre es, wenn du eine Familienkonferenz einberufen würdest? Dann holst du alle wichtigen Akteure an einen Tisch und sagst ihnen gleichzeitig, was Sache ist. Das wird wahrscheinlich längst fällig sein.

Sprich an, wie es dir gerade geht, dass dich das alles ungemein belastet, du dich hilflos fühlst. Sprich über deine Bedürfnisse, deine Wünsche, Erwartungen, Gedanken, Gefühle aber eben auch Sorgen. Dass dir das alles zu viel wird und du das nicht mehr kannst. Bleib bei dir und formuliere, falls du es schon weißt, Bitten und Wünsche an deine Familie.

Besonders mit deinem Mann solltest du intensiver sprechen. Das klingt für mich, als gäbe es da einige Konflikte, die nicht aufgearbeitet worden sind. Da hat sich bei dir wahrscheinlich sehr viel Frust und Wut angestaut. Doch ich nehme an, dass du nicht darüber sprichst, aus Angst vielleicht? Oder weil du resigniert hast? Ist es zu anstrengend, mit ihm darüber zu sprechen? Hast du die Hoffnung verloren, dass es besser wird mit ihm? Und nimmst deswegen alles lieber selbst in die Hand? Das wären meine Vermutungen. Die müssen nicht stimmen.


Über Arbeitsteilung und Erziehung sprechen

Als Vater und Ehemann sollte er auf jeden Fall mehr Verantwortung übernehmen. Nur weil du Mutter und Ehefrau bist, heißt das ja nicht, dass alles an dir hängen bleiben sollte. Auf keinen Fall. Er sollte einsehen, dass er auch etwas mehr für die Familie tun sollte. Es ist schließlich auch seine Familie.

Beispielsweise dass du dir von deinem Mann mehr Unterstützung wünscht, vielleicht könntet ihr euch bezüglich des Haushaltes mehr aufteilen. Und von deinem Sohn, der ja immerhin schon in der Pubertät ist, kannst du dir auch wünschen, dass er sich um etwas kümmert. Das würde dir auf jeden Fall schon mal im Haushalt Entlastung geben.

Macht euch einen Überblick über die Aufgaben innerhalb der Familie und im Haushalt. Was steht an? Wer macht was? Wie könntet ihr das bisschen gerechter aufteilen, damit du entlastet wirst? So könnt ihr das ganze Chaos mal entwirren und eine Struktur reinbringen, die dich unterstützen kann.
Vielleicht würde euch die Hilfe eines Paartherapeuten oder auch Familienberater helfen, wenn ihr selbst nicht voran kommt.

Ich weiß nicht, wie es auf Arbeit mit dem Stress und der Belastung aussieht. Falls es dir da auch zu viel wird, könntest du mit deinem Vorgesetzten sprechen. Vielleicht findet ihr da auch einen Kompromiss, du arbeitest paar Stunden weniger oder delegierst Aufgaben an andere Kollegen. Meist lässt sich in einem offenen Gespräch schon noch verhandeln, die Arbeitsbedingungen in einem gewissen Rahmen zu ändern.

Hier habe ich dir einige hilfreiche Links zusammengestellt, die dir weitere Anregungen geben:
https://www.familie.de/familienleben/eltern/mental-load-immer-an-alles-denken/
https://www.wunderweib.de/einsame-muetter-warum-maenner-ihre-frauen-alleine-lassen-99364.html
https://www.deutschlandfunkkultur.de/mental-load-wie-gerechte-arbeitsteilung-in-der-familie-100.html


Ich wünsche dir alles Gute und viel Erfolg dabei. Ich hoffe, dass du mit deiner Familie reden und ihr gemeinsam Lösungen finden könnt.

Viele Grüße,
Lan