Problem von Jule - 21 Jahre

Ich wurde missbraucht

Hallo,
Ich kann mit keinem darüber reden, muss es aber mal aussprechen. Ich habe Angst, dass mir nicht geglaubt wird.
Das ganze geschah vor ca. 6 Wochen. Während der Abenddämmerung machte ich mich von einer Freundin auf den Weg nach Hause. Dabei muss ich durch eine Bahnunterführung laufen. Auf meinem Weg nach Hause hörte ich mit Kopfhörern Musik (wie immer). Ich wurde auf dem Weg von zwei Männern verfolgt (das sie mich verfolgten wurde mir erst im nachhinein bewusst).
Eines der letzten Dinge, die ich mich erinnere ist, dass als ich fast durch die Bahnunterführung durch war, ich plötzlich eine Berührung an meinem Körper spürte. Im nächsten Moment hatte ich auch schon ein Taschentuch an meinem Mund und meiner Nase. Ich vermute, dass ich danach ohnmächtig wurde. Denn das nächste, an was ich mich erinnere ist, dass ich in einem kleinen Park (eventuell auch kleines Waldstück) aufgewacht bin. Ich sah, wie einer der Männer halbnackt auf mir saß und sich einen runterholte. Ich merkte, dass ich ebenfalls nackt auf dem Boden lag. Meine Arme waren über meinem Kopf an einen Baum gefesselt. Ich hatte irgendwas in meinem Mund drin, weshalb ich nicht schreien konnte. Meine Füße waren frei, weshalb ich anfing um mich zu treten. Nun kam der zweite Mann und drückte meine Füße auf den Boden, sodass ich diese nicht mehr bewegen konnte. Nun fing der erste Mann an in mich einzudringen. Nun kam auch der zweite Mann und rieb sein steifes Glied an mir. Ich wollte es nicht. Ich versucht mich zu wehren, zu befreien. Doch alle versuche waren machtlos. Ich hatte keine Chance. Also musste ich es über mich ergehen lassen. So habe ich gehofft, dass alles schneller vorbei ist. Das eindringen war sehr schmerzhaft. Er wurde dabei immer schneller und es wurde von den Bewegungen heftiger. Bis er dann irgendwann gekommen ist. In mir. Er hörte auf sich zu bewegen, hatte sein Glied aber immer noch in mir drin. Als er fertig war stand er auf, zog seine Hose an, und ging weg. Der zweite Mann öffnete meine Handfesseln und ging ebenfalls.
So lag ich da, ganz nackt, in der Dunkelheit auf dem kalten Boden. Ich fing an zu weinen und zog mich langsam wieder an.
Ich versuchte mich zu beruhigen. Ist das wirklich gerade passiert? Ich stand auf und bin gegangen. Es tat alles weh. Ich hatte solche Schmerzen, dass ich mich gleich auf den Weg in die nächste Notaufnahme gemacht habe (ich weiß bis heute nicht, warum meiner erster Weg dorthin war, wahrscheinlich, weil ich bis dahin keine sexuelle Erfahrung hatte). Ich hatte Angst. Die dortige Ärztin behandelte mich auf meine Schmerzen hin. Ich wurde nun in einen separaten Raum gebracht. Die Ärztin fing an mit mir zu reden. Sie sagte, dass sie sich vorstellen kann, woher die Hämatome an meinen Handgelenken kommen. Ich hatte Angst und wollte nichts erzählen. Doch die Ärztin hat mich beruhigt und mir gut zugeredet, sodass ich erzählt habe, dass ich Opfer wurde. Ich redete weiter und bot mir eine Spurensicherung an. Ich wollte erst nicht. Nachdem sie aber sagte, dass man die Spuren erstmal sicher könne, sie aber nicht gleich anzeigen müsse, willigte ich ein. Ich vertraute der Ärztin. Sie nahm sich Zeit und beruhigte mich weiter. Sie gab mir saubere Sachen zum anziehen und die Pille danach. Ich bin nach Hause und habe mich eingeschlossen.

Nun sind ca. 6 Wochen vergangen. Ich kann wieder meinem Leben halbwegs normal nachgehen. Habe aber sehr Angst, wenn ich in die Nähe einer Bahnunterführung oder ähnliches komme (der generelle Ort eines Bahnhofes macht mir sehr große Angst).
Ich habe nun Angst, was auf mich weiter zu kommt. Angezeigt habe ich diesen Vorfall bis jetzt nicht (ich weiß auch nicht, ob ich dies tun werde).

Ich habe seit dem immer wieder ein paar Fragen, die ich mir stelle.
Warum ich? Hätte ich es verhindern können? Ich bin auch irgendwie selbst Schuld, wenn ich Abends alleine, mit Kopfhörern auf, dort lang gehe. Wie werde ich in Zukunft mit dem Thema S** umgehen? Kann ich überhaupt eine normale Beziehung anfangen? Kann ich das alles alleine bewältigen? Ich möchte keinen aus meinem Umfeld damit belasten.

Danke fürs "zuhören".

Stephanie Anwort von Stephanie

Hallo liebe Jule,

ich bin ehrlich das ich gezögert habe nach dem Lesen deines Beitrags. Aber ich möchte dir sehr gerne darauf antworten weil ich es sehr wichtig finde das du damit nicht alleine bleibst.

Warum sollten wir dir nicht glauben? Alle unsere Zuschriften nehmen wir sehr ernst.

Als erstes...
Du bist nicht Schuld! Diesen Satz finde ich mega wichtig und ich möchte bitte das du diesen auch annimmst. Ganz egal wie sich alles zugetragen hat, kein Mensch auf der Welt hat das Recht einem anderen Menschen so etwas schreckliches anzutun. Und du kannst nichts dafür daß diese kranken Menschen ausgerechnet dich dafür ausgesucht haben.
Du hättest es sicher auch nicht verhindern können.

Ich werde es niemals begreifen können warum jemand so etwas schreckliches einem anderen Menschen antun kann. Sie wissen nicht im geringsten was sie dabei zerstören.

Ich finde es wahnsinnig mutig und großartig von dir das du den Untersuchungen zugestimmt hast um auch Beweismaterial sichern zu lassen. Ob du es noch zur Anzeige bringen möchtest, liegt bei dir. Diese Entscheidung kann dir keiner abnehmen.
Ich persönlich würde es machen. Diese Männer laufen noch da draußen herum. Sie gehören bestraft, aber dazu muss es angezeigt werden. Ich weiß das es mit Sicherheit nicht einfach ist vor anderen darüber zu sprechen.

Manche schaffen es Jahre lang nicht sich zu öffnen. Aber der richtige Weg ist das leider nicht.
Aber ich möchte dich auch nicht dazu drängen. Entscheiden tust du das für dich.
Ein Beratungsgespräch bei einem Psychologen würde ich dir ans Herz legen. Gerade um deine Ängste in den Griff zu bekommen. Nur setz dich selbst nicht so unter Druck. Das was du da erlebt hast ist nun wirklich noch nicht lange her. Mit dem Alltag weiter machen, zeigt mir eher das du es verdrängen und vergessen möchtest. Nur bitte glaub mir wenn ich dir schreibe das dies keine gute Idee ist. Führe Gespräche in einer Therapie oder vertraue dich einer guten Freundin an. Sei nicht allein mit diesen Gedanken und Bildern in deinem Kopf. Du brauchst jemanden der dir zuhört wenn es hoch kommt, dich tröstet und dich unterstützt. Alleine wird das nicht so einfach verschwinden. Mach nicht den gleichen Fehler wie ich und verdränge alles, dadurch wirds dir nur schlechter gehen. Sei weiter mutig und trau dich, lass es raus wenn es dich beschäftigt und rede darüber. Und sei dir immer wieder darüber im Klaren das es nicht deine Schuld gewesen ist!

Mit der richtigen Therapie für dich wirst du lernen damit umzugehen. Aber ich bin ehrlich zu dir, vergessen wird man das wohl niemals. Es wird dennoch mit der Zeit besser werden und es wird nicht mehr den ganzen Tag bestimmen.

Beziehungen zu führen wird sicher möglich sein mit einem Partner dem du dich anvertrauen kannst. Einer der Rücksicht darauf nimmt wenn du in bestimmten Situationen einfach noch Zeit brauchst. Lass dieses Erlebnis nicht dein Leben bestimmen sondern kämpfe und hol dir Hilfe.
Allein wird es schwerer. Schreib es auf wenn es dich beschäftigt, schließe danach das Buch und leg es weg. Aber die Gedanken müssen in diesem Moment raus. Du wirst das schaffen, hab Geduld mit dir. Nimm dir zwischendurch Zeit nur für dich. Mach Dinge die dich glücklich machen, vielleicht auch mit guten Freunden damit du nicht so alleine bist. Ich geb dir noch ein paar Links mit wo du einiges nachlesen kannst und wo du auch noch Beratung und Unterstützung bekommen kannst.

https://www.hilfe-portal-missbrauch.de/startseite.html

https://weisser-ring.de/

https://www.hilfetelefon.de/gewalt-gegen-frauen/sexualisierte-gewalt.html



Ich bin wirklich sehr stolz auf dich das du uns geschrieben hast und kann mir vorstellen was für Überwindung dich das gekostet hat. Aber es ist der erste Schritt in die richtige Richtung. Behalte das Geschehene nicht für dich, lass es raus um besser damit umgehen zu können. Es wird dauern, aber du kannst das schaffen da bin ich mir sicher. Und wenn du magst, sind hier auch jederzeit liebe Menschen die dich auffangen wenn etwas ist.

Fühl dich lieb umarmt wenn ich darf.

Und bitte schreib uns wieder wenn du möchtest.

Alles Gute für dich
Stephanie