Problem von Anonym - 14 Jahre

Ich kann so nicht weiter machen, ich brauche Rat (Stress,Druck,...)

Liebes Kummerkasten-Team,
mir geht es nicht mehr gut. Ich habe keine Zeit mehr für mich. Mein Alltag ist vollgeplant: ich geh in die Schule, komme heim, habe meistens ein, zwei oder drei Hobbys am Tag (Montags bis Freitags/Samstags), erledige die Hausaufgaben, lerne und gehe schlafen. Ich kann das nicht mehr... Es kommt auch vor (z.B.am Freitag), dass ich nur zum Mittagessen kurz zu Hause bin und dann erst um elf Uhr abends zurückkomme, weil ich durchgängig bei meinen Hobbys war. Die Schule ist auch zu stressig und ich mache mir selber sehr viel Druck (ich bin mit einer 2 im Endjahreszeugnis unzufrieden (letztes Jahr hatte ich sogar 2 Stück und dieses Jahr werde ich wieder mindestens eine haben) und eine 2-3 war bisher meine schlechteste Note (ich war sehr traurig über die 2-3)). Ich bin auf einer sehr anspruchsvollen Schule (hat auch diesen ,,Ruf"), aber ich möchte nicht wechseln, da ich sonst jeden Tag mit dem Bus fahren müsste und da meine Freunde auf dieser Schule sind. Wir bekommen sehr viele Hausaufgaben auf und schreiben meistens in der Woche mehrere Arbeiten und Tests. Ich sitze dann meistens bis spät Abends an den Hausaufgaben oder ich lerne, da ich alles perfekt machen will. Von Seite meiner Eltern kommt kein Druck (sie wollen, zwar, dass ich mich anstrengen und nicht nur Vierer oder Dreier schreibe(aber sie wären auch nicht soo böse darüber), aber sie sagen auch, ich solle mir nicht so einen Druck machen)(aber sie freuen sich trotzdem über meine guten Noten). Ich habe ebenfalls keine Zeit mehr, mich mit Freunden zu verabreden oder einfach mal abends Fernseh zu schauen. Meine Hobbys sind meiner Meinung nach auch nicht meine Leidenschaft (obwohl sie mir Spaß machen, wenn ich dabei bin (aber auch nicht immer)). Das eine Hobby (Musik(mehrere Sachen)) mache ich schon seit der Grundschule, aber ich kann nicht damit aufhören, da alle in meinem Umfeld (meine Eltern oder auch meine Großeltern) es sehr toll finden, dass ich das mache. Das andere Hobby (Sportart (öfters in der Woche)) mache ich eigentlich nur, weil mein Vater dieses Hobby ausübt, es macht mir aber auch Spaß, wenn wir Wettkämpfe/Turniere haben, aber momentan ist es mir einfach zu viel. Ich weine sehr oft und ich habe festgestellt, dass ich sehr wahrscheinlich Trich/TTM/Trichotillomanie habe (ich reiße mir meine Augenbrauen und Wimpern aus). Es kann sein, dass ich depressiv bin, aber ich weiß es nicht. Ich habe ebenfalls sehr wahrscheinlich eine Binge-Eating-Störung und ich nehme durch meine Fressattacken und durchgängige Lust auf Essen, obwohl ich keinen Hunger habe, zu. In der letzten Woche/ in den letzten Tagen habe ich (aber nur mit ,,stumpfen" Gegenständen (z.B. Spitze einer Nagelfeile, Ende eines Stielkamms, Nagel)) angefangen, mich in den Unterarm zu ritzen. Ich will mir eigentlich nicht weh tun und ich weiß auch nicht, wieso ich das getan habe. Man sieht immer noch leicht die Kratzer (aber es hat nichts geblutet). Mit meinen Freunden läuft es momentan auch nicht besonders gut (es gibt Momente, da ist alles normal, aber an anderen (öfters) fühle ich mich wie das dritte Rad am Wagen). Mit meinen Eltern habe ich nicht darüber gesprochen (manchmal wollte ich, als ich sowieso mit z.B. meiner Mutter geredet habe, aber ich habe es nicht geschafft). Ich habe schon über das Thema Selbstmord nachgedacht, aber ich könnte es mir selbst nie antun, da ich nicht mich für diesen Druck bestrafen möchte und es noch so viel gibt, was ich machen möchte. Selbst an den Wochenenden habe ich immer Termine (Hobbys/Veranstaltungen) und ich muss Sachen für die Schule machen. Ich habe auch eindeutig einen Schlafmangel, da ich sehr spät ins Bett gehe und früh aufstehe.

Ich hoffe, ihr könnt mir irgendwie helfen.

Liebe Grüße

Arvid Anwort von Arvid

Liebe/r Hilfesuchende/r,

schön, dass Du Dich mit Deinem Anliegen an uns wendest.


Die Voraussetzung für ein gutes Leben ist eine gute Gesundheit. Deswegen sollte das Gesundwerden und Gesundbleiben an erster Stelle im Leben stehen.

Und wenn Dich der Alltag überfordert, weil Du zu viel zu tun hast, solltest Du Dich darum bemühen, das Leben ein wenig zu entschleunigen. Dazu zählt nicht nur, unnötige Dinge mal wegzulassen, sondern auch eine Veränderung in Deiner Denkweise.

Ich unterteile meine Antwort an Dich in mehrere Unterpunkte, damit sie verständlicher ist.


1. Deine Freizeit

Der Schulalltag kostet viel Kraft, zumal Du ja von Früh bis Nachmittag beschäftigt bist. Danach noch mehreren Hobbies nachzugehen, Hausaufgaben zu machen und zu lernen, ist zu viel, wie Du ja selbst bemerkst.

Sicher kann man mal einige Zeit lang jeden Tag mit Stress umgehen, aber auf Dauer macht das krank.

Deswegen solltest Du Deine Freizeit anders gestalten. Zum Beispiel indem Du unter der Woche nur noch einem Hobby am Tag nachgehst und dann auch nur für 1-2 Stunden. Erstell Dir einen Wochenplan mit genauen Uhrzeiten, wann Du was am Tag machst. Ich mache das genauso und es funktioniert sehr gut. Der Plan könnte dann bei Dir wie folgt aussehen: 7-14 Uhr Schule, 15-17 Uhr Sport/anderes Hobby, 17:30-18:30 Hausaufgaben und Lernen. Wichtig wäre, dass spätestens zum Abendessen alles abgearbeitet ist und Du danach entspannen kannst. Lernen zu später Stunde hat wenig Sinn, denn Du kannst nicht richtig abschalten, schläfst schlecht und bis am nächsten Tag entsprechend müde.

Bei einem Wochenplan geht es im Routine. Wenn Du jeden Tag in etwa denselben Ablauf hast, kannst Du Dich recht schnell daran gewöhnen und es kann dann einfacher sein, den Alltag zu bewältigen.

Tipps, wie Du Deinen Alltag für Dich sinnvoll gestalten kannst, findest Du z.B. hier: https://www.lovethislook.de/tagesablauf-besser-organisieren/

Mein Rat an Dich: Behalte nur die Hobbies bei, die Du wirklich aus Leidenschaft machst. Alles andere ist halbherzig und hat wenig Sinn. Wäge genau ab, welche Aktivität Dir den wenigsten Spaß macht und lege sie erstmal auf Eis. Und das heißt ja nicht, dass Du damit irgendwann nicht wieder anfangen kannst. Aber jetzt brauchst Du mehr Zeit für Dich. Deswegen sollte ein Hobby weichen.


2. Dein Perfektionismus

Kein Mensch ist perfekt. Das ist eine Tatsache, die man sich öfters vor Augen führen sollte.

Dass Du Dir Druck machst, ist aber auch ganz natürlich. Wir leben in einer Leistungsgesellschaft und jeder will mal perfekt in etwas sein.

Aber das ist ein unerreichbares Ziel. Niemand kann perfekt sein. Perfektion wird überbewertet und das Streben danach baut nur unnötigen Stress auf.

Du bist gut in der Schule. Und das ist doch in Ordnung so. Du musst nicht noch besser werden. Du kannst in diesem Moment stolz auf Dich sein, dass Du gute oder sehr gute Noten schreibst.

Es ist toll, dass Dir Deine Eltern keinen Druck machen. Du könntest von ihnen lernen und die Schule etwas gelassener nehmen.

Man braucht nicht die besten Noten, um später mal Medizin zu studieren. Das als Beispiel. Solang Du mal einen guten Abschluss machst, ist doch alles super.

Vielen Schüler fällt das Lernen schwer und sie haben schlechte Noten. Deswegen sei dankbar dafür, dass Du damit keine Probleme hast.

Dein Perfektionismus macht Dich aber krank. Denn Du setzt Dich unter Druck und verlangst von Dir einen Alltag, den Du nicht leisten kannst. Das spürst Du ja selbst. Es macht Dich kaputt.

Deswegen solltest Du ihn aufgeben. Verwirf den Gedanken, perfekt in etwas zu sein. Denn das ist nur eine Illusion. Sei zufrieden mit Deinen Leistungen und Dir selbst.

Du bist in Ordnung so, wie Du bist.

Hilfreiche Tipps dazu findest Du z.B. hier: https://psylex.de/perfektionismus-und-schulerfolg-ein-teufelskreis/


3. Deine "Diagnosen"

Zunächst einmal solltest Du entspannt bleiben und nicht mehr so viele möglichen Krankheiten recherchieren. Eine Diagnose kann ein Arzt stellen.

Aber ich denke, dass Du Dich zu sehr verrückt machst.

Eine depressive Phase ist kein Weltuntergang, auch wenn es einem so vorkommt.

Ich habe selbst eine solche Phase erlebt. Aus jetziger Sicht dramatisiert mal aber alles und denkt, es gibt keinen Ausweg. Aber es gibt immer eine Lösung für unsere Probleme.

Dennoch bereitet es mir Sorgen, dass Du über Suizid nachgedacht hast. Denn es muss im Leben schon sehr viel falsch laufen, damit man an so etwas denkt.

Und da Du auch den Drang nach Selbstverletzung hast, möchte ich Dich bitten, dass Du Dir Hilfe suchst.


4. Hilfe und der Weg in ein besseres Leben

Als erstes solltest Du mit Deinen Eltern darüber sprechen. Wenn Dir das schwer fällt, kannst Du ihnen auch zuerst Dein Anliegen und meine Antwort hier zeigen. Vielleicht ist es dann einfacher für Dich, auch darüber zu sprechen. Hab Mut dazu!

An Eurer Schule gibt es bestimmt einen Vertrauenslehrer. Auch er hat ein offenes Ohr für die Probleme der Schüler.

Wenn Du mit jemandem anonym sprechen möchtest, kannst Du bei der Telefonseelsorge anrufen: 0800/111 0 111 oder 0800/111 0 222 (Anruf ist kostenfrei).

Es gibt auch ein Kinder- und Jugendtelefon: Die NummergegenKummer: https://www.nummergegenkummer.de/kinder-und-jugendberatung/kinder-und-jugendtelefon/


Ich möchte Dir auch eine Psychotherapie empfehlen. Das kann sehr sinnvoll sein, wenn man eine depressive Phase durchlebt. Auch mir hat eine Therapie damals sehr geholfen. Du hast regelmäßig jemanden zum Reden und kannst auch gemeinsam mit dem Therapeuten nach Lösungen suchen. Es ist einen Versuch wert.

Therapiemöglichkeiten kannst Du hier suchen: https://www.therapie.de/therapeutensuche/

(Wähle dabei links unter "Für wen?" entsprechend "Therapie für Kinder und Jugendliche".)

Das solltest Du aber vorher mit Deinen Eltern besprechen.

Wichtig wäre auch, dass Du eine/n gleichgeschlechtige/n Therapeuten/Therapeutin wählst. So ist es meist einfacher.


5. Was Du heute noch tun kannst

Eine geführte Mediation oder einfach nur Meditationsmusik können viel bewirken und den Geist besänftigen. Besonders vor dem Einschlafen ist es hilfreich. Nimm Dir am Abend etwa eine Stunde Zeit für Dich selbst und eine Meditation.

Das könntest Du mal ausprobieren. Es gibt auf Youtube sehr viel Meditationsmusik (meditation music) oder geführte Meditation z.B. eine Chakrenmeditation.

Meditation kann man lernen, aber es reicht für den Anfang, einfach nur die Musik zu hören und nebenbei mit geschlossenen Augen seinen Atem wahrzunehmen, d.h. bewusst zu atmen.

Versuch es einfach mal. Du wirst sehen, dass es viel bewirken kann.


6. Abschließende Worte

Liebe/r Hilfesuchende/r, auch wenn Dir das Leben momentan viel Kummer bereitet, kannst Du darauf vertrauen, dass es besser werden wird. Das ist nicht immer allein zu schaffen. Aber Hilfe zu bekommen ist wichtig. Und deswegen bitte ich Dich, dass Du Dir Hilfe holst. Sprich mit jemandem über das, was Dich bedrückt und Dir wird geholfen werden.
Mach Dir keine Sorgen. Jeder Mensch hat Höhen und Tiefen in seinem Leben. Und aus jedem Tief können wir stärker hervorgehen, wenn wir diese Krise bewältigt haben. Deswegen mach Dir keine Sorgen. Alles wird gut. Du wirst wieder ein tolles Leben zu leben lernen. Da bin ich mir sicher.

Du kannst auch gern hier einmal nach weiteren Antworten suchen, die Dir helfen können: https://mein-kummerkasten.de/Suche/Depressionen

Auf unserer Webseite findest Du auch weitere Anliegen, deren Antworten Dir vielleicht helfen können.



Du kannst uns jederzeit wieder schreiben, wenn Dir etwas auf dem Herzen liegt.


Alles Gute,

Arvid