Problem von Anonym - 18 Jahre

Leben in der Unterdrückung

Hallo Liebes Team....

ich bin 18 jahre alt und mache zur zeit eine ausbildung zur sozial- assistentin.... mein problem ist das verhältnis zwischen mir und meinen eltern....

alles begang schon in meiner kindheit.. ich wurde von meinem vater geschlagen und genoss ansich keine richtige erziehung.. trotzdessen denke ich.. das ich mich zu etwas entwickelt habe... auch wenn dies in meiner familie nicht richtig möglich ist.... durch verbote werde ich unterdrückt und kann mich nicht so entwickeln wie ich es für richtig halte... obwohl ich "schon" 18 bin.. werde ich zuhause gehalten wie eine 13 jährige.... disco... partys und co sind für mich absolut verboten... was mir den kontakt mit menschen nicht gerade erleichtert... die tatsache das ich jetzt seit einem halben jahr einen freund habe macht alles nicht leichter... mein vater weiß von nichts und ich muss alles verheimlichen... ständig muss ich lügen und behaupten das ich bei einer freundin schlafe.....
das schlimmste an allem ist... das der umgang bei mir zuhause unmöglich ist.... mir wird mit schlägen gedroht.... wenn ich mal "nicht" nach den wünschen meiner eltern handle .. außerdem werde ich vom feinsten mit krassen ausdrücken wie z.b schlampe usw. beschimpft....
die ganzen probleme ziehn sich schon seit mehreren jahren hin... ich sprach schon mit eltern von freundinnen darüber.. die die welt nicht verstehn können... da ich anscheinend ein ordentlichen eindruck auf meine mitmenschen mache.... ich möchte gerne helfen und einfach nur ich selbst sein.... doch dies funkitioniert einfach nicht... in meiner ausbildung lerne ich wie kinder erzogen "werden sollen"... und es ist einfach erschreckend.. wenn ich in der schule fachgerechtes handeln lerne und davon auch überzeugt bin.... dann nachhause komme und dies einfach nicht der fall ist...ich nachhause komme und eine rummotzende betrunkene mutter vorfinde die sich jeden tag eine flasche wein reinkippt und mit sich anschließend nicht mehr zurecht kommt... es deprimiert mich und zerstört mich.... vor gut 1Jahr litt ich an dem sogenannten "boarderline-syndrom" und musste alleine aus diesem teufelskrei herausfinden....
wenn sich bald nicht etwas ändert... weiß ich auch nicht mehr weiter...

Anwort von Michaela

Hallo,

zunächst einmal: Ist das Borderline-Syndrom behandelt worden? Hast du Kontakt zu Selbsthilfegruppen, Therapeuten etc? Wenn nicht, setz dich bitte entweder mit deinem Hausarzt oder einer Sozialstation in Verbindung (Caritas, Rotes Kreuz etc.). Das ist wichtig, um zu verhindern, dass du erneut daran erkrankst, da du jetzt wieder sehr unter Druck stehst.

Ich finde es stark, dass du dir einen Beruf ausgesucht hast, der sich mit Kindererziehung befasst! Damit hast du die Möglichkeit, deine eigene Kindheit zu bewältigen und für dich daraus Lösungen zu ziehen, die dir ein eigenständiges Leben ermöglichen. Ja, es ist leider krass, wenn man Theorie und Praxis vergleicht, und man möchte meinen, die Welt ist aus den Fugen geraten...
Andererseits hast du genau jetzt die Möglichkeit, dich aus diesem Teufelskreis Familie - Erniedrigung zu befreien. Den ersten Schritt hast du bereits getan, indem du seit einem halben Jahr einen Freund und damit bewusst Kontakt zur "Außenwelt" hast, auch wenn es heimlich ist. Du bist 18, d. h. du darfst nach dem Gesetz alles tun, was ein Erwachsener tut, und du trägst jetzt die volle Verantwortung für dein Leben. Deine Entscheidungen sind bindend, kein anderer kann sie zunichte machen, nur du! Diese Freiheit kannst du nutzen, indem du z. B. räumlichen Abstand zu deiner Familie schaffst. Es muss ja nicht gleich die eigene Wohnung sein, eine WG kann da auch schon weiter helfen. Wenn deine Borderline-Erkrankung dich nach wie vor beeinflusst, gäbe es auch die Möglichkeit, übergangsweise in ein betreutes Wohnen für Jugendliche (bis 27) zu ziehen, bis du sicher auf eigenen Beinen stehst. Infos dazu kriegst du vom Jugendamt, von Psychologen, Sozialarbeitern, auch der Hausarzt kann weiterhelfen, oder der Kinder- und Jugendnotruf. Die Nummer bekommst du über die Auskunft.

Was die Alkoholerkrankung deiner Mutter angeht, so hat sie auch entscheidenden Einfluss auf dein Leben gehabt - bis jetzt. Du kannst dich daraus befreien. Wie du vielleicht schon aus dem Unterricht weißt, ist Alkoholismus eine sog. "Systemerkrankung", d. h. die ganze Familie richtet sich nach dem Alkoholiker (Verheimlichung, Duldung, Erniedrigung... Du kennst es!). Außenstehende können sich oft kein Bild von den Qualen machen, die du erleiden musstest, und deshalb kann ich dir dahingehend auch keinen Rat geben. Es gibt jedoch Leute, die sich damit sehr gut auskennen, und das sind die Anonymen Alkoholiker. Du findest sie in jeder größeren Stadt, und sie stehen auch im Telefonbuch. Der Anruf kann anonym erfolgen, der Ansprechpartner kann dir weitere Kontakte vermitteln, um in Erfahrungsaustausch zu treten. Für die Angehörigen von Akoholkranken gibt es die Gruppe Al-Anon, die mit den AnAlk zusammen arbeiten. Es tut gut zu wissen, dass man nicht alleine dasteht, dass man sich im Notfall an jemanden wenden kann, wenn nichts mehr geht. Und es ist wichtig für deinen Ablösungsprozess, dass du dich selbst verstehen lernst, warum du so verzweifelt bist, warum du so handelst, was dich dazu treibt, genau das zu tun, was du tust. Es ist keine Therapie, sondern eine sehr gute Bewältigungsstrategie.
Unterstützend kann eine Therapie helfen. Über die Möglichkeiten kann dich auch dein Hausarzt informieren (die Kosten werden von der Krankenkasse getragen!!!).

Es gibt einen Weg, der zwar Kraft kostet, aber der sich 100% lohnt! Du hast das Recht, Hilfe in Anspruch zu nehmen, denn du hast in der Vergangenheit sehr gelitten. Ich drücke dir die Daumen!

Viele Grüße & viel Glück,

Michaela