Problem von Anonym - 17 Jahre

Lebenslange Einsamkeit

Ich hatte eigentlich schon mein ganzes Leben mit meinen Problemen zu kämpfen. Ich war schon immer extrem schüchtern und es ist mir sehr schwer gefallen mit anderen zu reden. Ich hatte in meinem ganzen Leben noch keine richtigen Freunde und war fast immer allein in der Schule. Ich habe immer wieder versucht Freunde zu finden, aber es hat nie funktioniert. In der 8. Klasse wurde ich dann auch noch gemobbt. Das hat mir sozusagen den Rest gegeben.Anfang der 9. Klasse konnte ich endlich die Klasse wechseln. In der neuen Klasse wurde ich zwar nicht mehr gemobbt, aber konnte irgendwie zu keinem richtig Kontakt finden. Also war ich meine restliche Schulzeit über wieder allein und wechselte meistens nicht mal ein Wort mit meinen Klassenkameraden. Ich dachte immer ich kann meine Probleme selbst überwinden oder dass es mit der Zeit besser wird. Ich möchte ja Freunde finden und kennenlernen, aber ich weiß nicht wie ich sie ansprechen soll. In Unterhaltungen weiß ich nie was ich sagen. Also sind es meist nur Unterhaltungen, in denen mein Gegenüber mir Fragen stellt und ich vielleicht antworte, wenn mir eine Antwort einfällt. Ich habe mich in den letzten Wochen etwas damit auseinandergesetzt und festgestellt, dass es vielleicht Asperger-Autismus sein könnte, da ich auch sehr ungewöhnliche Interessen habe. Ich würde mir deshalb gerne Hilfe suchen. Ich weiß aber nicht wie ich als Minderjährige ohne meine Eltern an Hilfe komme. Meine Eltern nehmen mich nicht ernst. Und machen sich seit ich klein bin über diese Probleme lustig. So kriege ich zum Beispiel, wenn ich zum Beispiel weine, Sachen zu hören wie:"Hör auf zu heulen! Du benimmst dich wie ein kleines Kind!" oder so etwas wie: "Das ist ja peinlich!".
Ich würde mich freuen, wenn ihr mir helfen könnt.

Lan Anwort von Lan

Liebe Ratsuchende,

ich danke dir für deine Nachricht und dass du dich uns so gegenüber geöffnet hast.

Das stimmt mich traurig, dass du schon dein Leben lang mit Problemen zu kämpfen hast. Fühl dich gern von mir gedrückt, wenn du magst. Es tut mir leid zu hören, dass du Mobbing erfahren hast. Das war ganz sicher eine schlimme belastende Erfahrung für dich. Niemand hat es verdient, so behandelt zu werden. Wahrscheinlich hat das bei mir auch Spuren hinterlassen. Ich bin sehr froh, dass du die Klasse wechseln konntest und das nicht mehr ertragen musst. Dennoch bleibt das Problem bestehen, dass du unter Einsamkeit leidest und es dir schwerfällt, Freundschaften zu schließen.

Freundschaften zu schließen, fällt vielen von uns schwer, aber besonders schüchternen Menschen. Ich kann aus Erfahrung sprechen, habe ich selbst mal längere Zeit in der Jugend unter sozialer Phobie gelitten. In dem Sinne kann ich dich vielleicht ein Stückweit verstehen, auch wenn ich nicht alles nachvollziehen kann, was du erlebt hast.

Schüchternheit ist meist etwas angelerntes, ist meine Auffassung. Kann natürlich auch sein, dass du von Natur aus eher ein ruhiger Mensch bist. Was ich damit aber ausdrücken will: Du kannst etwas daran ändern, es muss so nicht bleiben, bis zu einem bestimmten Grad kannst du an deiner Schüchternheit arbeiten, sofern du es auch wirklich willst.


Komfortzone verlassen

Doch um das zu schaffen, hilft es nicht, weiter soziale Situationen und Gespräche mit anderen zu vermeiden. Das würde deine Schüchternheit und vielleicht sozialen Ängste nur noch mehr fördern. So unangenehm wie es ist: Du musst dich deiner Schüchternheit stellen und dich immer wieder trauen, aus deiner Komfortzone zu kommen. Ich weiß, es ist alles andere als leicht. Es gehört eine Menge Mut, Selbstvertrauen und Kraft dazu. Je öfter du dich sozialen Situationen stellst und Gespräche anfängst und führst, desto einfacher wirst du mit der Zeit. Ich bin mir sicher, dass du das alles tief in dir drinnen hast. Du musst nur danach suchen und diese Seiten an dir entdecken, du hast ganz sicher das Potenzial dazu, das alles zu ändern.


Schüchternheit verstehen lernen

Ich würde dir raten, dich mit deiner Schüchternheit mehr auseinanderzusetzen, sie verstehen zu lernen. Dabei können dir folgende Fragen helfen, über die du nachdenken kannst: Woher kommt diese Schüchternheit? Seit wann ist das so? Warum fällt es dir so schwer, mit anderen in Kontakt zu kommen? Was steckt dahinter? Welche Ängste verbergen sich? Angst, dich zu öffnen, abgelehnt und verletzt zu werden? Angst davor dich zu blamieren? Was hemmt dich? Und gibt es Menschen und Situationen, in denen du offener und unbeschwerter sein kannst? Was würde dir helfen, etwas weniger schüchtern zu sein?
An dem Problem zu arbeiten, es zu verstehen, ist das eine. Doch genauso wichtig ist es, dann Ideen zu sammeln, wie du das Problem angehen kannst.


Freunde in der Freizeit finden

Gibt es Dinge und Hobbys, denen du gern nachgehst? Und wenn nicht: Informiere dich über Tätigkeiten, die dich interessieren und probiere sie mal aus. Das schafft dir mehr Selbstbewusstsein und gleichzeitig findest du auf dem Wege vielleicht leichter Kontakte und Freundschaften. Die Sache selbst wäre schon mal ein guter Ausgangspunkt für ein Gespräch und während man aktiv ist, laufen Gespräche auch meist flüssiger, als wenn du nur so mit jemandem redest. Vielleicht fällt es dir dann auch leichter, das Gespräch zu halten.

Du musst nicht mal unbedingt viel von dir erzählen, es reicht auch erstmal, ruhig zu bleiben und sich Fragen für den anderen zu überlegen, damit dieser dann von sich erzählen kann. Dann kannst du im Gespräch aktiv zuhören und schauen, was interessant oder eine Gemeinsamkeit wäre, an die du anknüpfen kannst - entweder durch weitere Fragen oder indem du auch etwas von dir erzählst.
Wichtig ist, dass du dich nicht überforderst, einen kleinen Schritt nach dem anderen machst. Es müssen keine ausufernden Gespräche sein, schon ein kurzer Wortwechsel kannst du als Erfolg verbuchen.


(Professionelle) Hilfe bei anderen suchen

Du schreibst, dass du bei dir selbst Asperger-Autismus vermutest. Mit Vermutungen wäre ich vorsichtig und auch mit Internet-Recherchen, da dies auch in die falsche Richtung führen könnte. Solche Diagnosen sollte nur ein Therapeut stellen.
Du schreibst, dass du auch gerne eine besuchen willst, aber nicht weißt, wie du das ohne deine Eltern schaffen kannst.
Aber darüber musst du dir keine Sorgen machen: Jugendliche können nämlich ab 15 Jahren auch ohne Wissen der Eltern zum Psychotherapeuten gehen. Das funktioniert aber nur, wenn die Familie gesetzlich versichert ist. Du kannst also jederzeit auf eigene Faust einen Therapeuten aufsuchen, einen Termin fürs Erstgespräch vereinbaren, auch ohne deine Eltern.
Hier gibt es weitere Informationen dazu:
https://psychotherapie-eva-wilke.de/psychotherapie-ohne-zustimmung-der-eltern-moeglich/

Ich habe dir noch zwei Webseiten verlinkt, die dir bei der Suche helfen können:
https://mein-kummerkasten.de/Soforthilfe/31/Professionelle-Hilfe-Wie-finde-ich-einen-Psychotherapeuten.html
https://www.psyonline.at/faq-psychotherapie-fuer-jugendliche

Einen Platz beim Psychotherapeuten zu finden, ist nicht leicht und kann auch mit langen Wartezeiten verbunden sein. Damit dir aber trotzdem geholfen werden kann, gibt es einige Alternativen. Eine Übersicht dieser Möglichkeiten findest du auf dieser Seite:
https://www.die-inkognito-philosophin.de/blog/kein-therapieplatz

Vielleicht würde es dir schon helfen, wenn du eine Jugendberatungsstelle aufsuchst. Du kannst dort auch ohne Wissen deiner Eltern hingehen, brauchst nicht deren Zustimmung. Dort sind Menschen, die dir zuhören und dir schon mal weitere Hilfestellungen geben und dich auch bei der Therapeutensuche unterstützen könnten. Ich verlinke dir mal entsprechende Webseiten:
https://www.dajeb.de/beratungsfuehrer-online/beratung-in-ihrer-naehe/
https://www.bke.de/virtual/ratsuchende/beratungsstellen.html?SID=04A-3AA-C36-4E8

Vielleicht gibt es bei dir in der Nähe auch Sozialhilfegruppen, die sich auf Schüchternheit konzentrieren? Dort könntest du dich mit Menschen, die ähnliche Probleme haben, austauschen. Du könntest dich auf folgender Webseite informieren:
https://www.nakos.de/informationen/basiswissen/selbsthilfegruppen/


Mit den Eltern reden

Ich finde es traurig und erschütternd zugleich, dass deine Eltern so dermaßen nicht empathisch sind und dich und deine Sorgen nicht ernst nehmen. Bitte lass dir von deinen Eltern nicht einreden, dass etwas mit dir nicht in Ordnung ist oder du dich falsch benimmst. Ich finde eher, dass deine Eltern sich nicht richtig verhalten. Sie sollten dich nicht so behandeln, deine Probleme nicht klein reden, sondern dir stattdessen zuhören, für dich da sein, dich unterstützen.

Ich würde an deiner Stelle nochmal in ruhigen Momenten mit deinen Eltern darüber reden und ihnen erzählen, wie es dir geht, welche Probleme du hast, dass du dich nicht ernst genommen fühlst und dich das sehr verletzt. Vielleicht ist es ihnen ja nicht wirklich bewusst, wie sehr sie dich damit verletzen. Ich hoffe inständig, dass du mit deinen Eltern doch noch zusammenfindest.


Digitale Austauschmöglichkeiten

Sollte dir der persönliche Austausch noch zu schwer fallen, könntest du dich vielleicht auch erstmal digital mit anderen austauschen, denen es ähnlich geht. Im Internet finden sich einige Foren zum Thema Schüchternheit. Dort kannst du mit anderen über deine Probleme sprechen und wahrscheinlich gute Anregungen und Unterstützung bekommen. Ich lege dir besonders folgendes Forum ans Herz: https://www.sozcafe.de

Hier habe ich dir noch weitere Beiträge verlinkt, die dich mit Schüchternheit befassen. Schau doch gern rein:
https://mein-kummerkasten.de/index.php/333418/Selbstzweifel-Unsicherheit-Soziale-Angst.html
https://mein-kummerkasten.de/index.php/333492/Sehr-schuechtern-soziale-Phobie.html
https://mein-kummerkasten.de/299315/Habe-ich-eine-soziale-Phobie.html


Ich glaube fest an dich, dass du Kontakte knüpfen und Freundschaften aufbauen kannst. Das alles braucht Zeit, darum sei geduldig mit dir und bleib dran. Versuche so oft wie es geht deine Komfortzone zu verlassen, trau dich, habe Mut und glaub auch an dich selbst. Und vor allem: Suche dir Hilfe, du musst nicht alleine da durch, es gibt viele Menschen da draußen, die dir gerne helfen werden. Du kannst es schaffen.

Ich wünsche dir viel Erfolg und alles Liebe und Gute.

Viele Grüße,
Lan